Ankündigungen eines Schneiders

Ankündigungen eines Schneiders. Man liest im Zwickauer Wochenblatt folgende Anzeige: Bekanntlich liegt Zwickau auch auf dem Continente und deshalb komme ich zu diesem Markte, um zu zeigen, was auf dem Continente noch nicht da gewesen ist: Röcke, wie sie nur in begeisterten Schäferstunden mit der Muse der Kleiderkunst erzeugt werden können. — Hosen, welche ihres genialen Schnittes wegen, gar nicht für einen Namen empfänglich sind, sondern unaussprechbar bleiben. — Westen, unter denen Männerherzen wie Eisenhämmer schlagen. — Palletets, die — aber wozu die Phrasen? — kommt, seht, bewundert, kauft und geht sinnend nach Hause über menschlichen Erfindungsgeist zu staunen! S. Chr. Hoyer, aus Leipzig, im goldenen Anker, Nr. 1.

— Courageröcke. Unter den Erzeugnissen französischer Industrie werden auch empfohlen: Soldatenröcke neuer Art (nach älterem preußischen Muster), die so knapp gemacht sind, dass die Soldaten, die darin stecken, sich auf Kugeln und auf Säbelhiebe freuen, um Luft zu bekommen und daher unerschrocken der Gefahr entgegengehen.


— Der Leipziger Schneidermeister Hoyer wetteifert in Annoncirungs-Virtuosität mit weiland dem Berliner Weinwirt Louis Drucker. Jüngst veröffentlichte er folgendes „Bulletin“:
„Ich sehe nicht ein, was der Tanzkünstler vor dem Kleiderkünstler voraus haben soll! Meister Strauß der Walzerkönig hat jedem Walzeropus einen vielversprechenden Namen gegeben; da die Welt nun einmal getäuscht sein will, so zeige ich hiermit an, dass auch ich fortan jedes Opus apart benennen werde. Von heute ab sind bei mir folgende Opera zu haben: „das Leben ein Tanz“ (Vallhose), „Frisch auf, Kameraden, aufs Pferd!“ (Reithose, frei nach Schiller), „Sag' Poete, sag' Prophete, was bedeutet dieser Traum?“ (Morgenröcke von persischem Muster nach Goethes „westlichem Divan“); „Adelaide“, (Frühlingsfrack, Text von Matthison, Musik von Beethoven, Façon von F. C. Hoyer).“

Aus den Ankündigungen des Schneiders Hoyer in Leipzig. I. Um einem längst gefühlten Bedürfnisse abzuhelfen, werden bei mir vom 1. Juli d. J. an höhere Vorlesungen gegeben über die Philosophie der Bekleidungskunst. — Ich werde mit wissenschaftlicher Gründlichkeit von Evas Feigenblatte bis zum Sackpalletot und Pardessüs mir keine Nüance entgehen lassen. Um die Formalitäten des Honorars zu ersparen, auf die es mir gar nicht ankommt, mache ich nur die Bedingung, dass jeder Zuhörer durch Bestellung und sofortige bare Bezahlung eines vollständigen Anzugs sich die Zutrittskarte löst. Näheres in meinem Atelier.

II. Hört, hört! so tönt's im Parlament! Hört, hört! so tönt's aus Hoyers Atelier! Daselbst ist eine Parlaments-Weste erfunden, in welcher die Wunder aller Genialitäten vereinigt sind. Sie bringt dem Träger alle Staatswissenschaften auf eine so geheimnisvolle Weise bei, dass diese und die mit ihnen verbundene parlamentarische Beredsamkeit demselben in kurzer Zeit einen Sitz beim nächsten Landtage durchaus verschaffen muss. Die durch eine solche Weste akquirierte Rhetorik verhält sich zur ciceronianischen Beredsamkeit wenigstens wie 100 zu 1.

III. Atelier von Hoyer, bildendem Schneider und schneiderndem Bildner. Für lebensgroße Staturen: Mäntel mit grandiosem Faltenwurf und vielfältige Hosen. Zur Bekleidung von Büsten oder Brustbildern: Westen, welche alles Fehlende ersetzen.

IV. Kleider sind um so edler, je mehr sie der Leibeigenschaft unterworfen sind.

V. Gesegnete-Mahlzeit-Westen, so eingerichtet und klassisch, dass das Aufknöpfen beim Essen überflüssig wird.

VI. Der Frack kehrt allmählich aus seiner modernen Ungestalt in seine frühere Gestalt zurück. Sehnsüchtig nähern sich von Jahr zu Jahr immer mehr seine Flügel, um sich in einer schönem Zeit wieder über dem Schoße des Mannes wärmend und deckend auszubreiten.

VII. Als bequeme Röcke empfehle ich zwei Sorten: die erste: nach höheren Maßregeln gearbeitet, einschließend, die zweite: einfach, schlicht, volkstümlich.
VIII. Der ritterliche Hüon, welchem es gelang einem mächtigen Kalifen 3 Barthaare aus- und die schöne Nezia trotz seines Dolches, seiner Eunuchen und Vasallen zu entziehen, war nur mächtig durch sein — Horn. Unterzeichneter erfand aber einen Twien, welcher sofort die Herzen der kältesten Schönen besiegt und den zaghaftesten herculischen Mut verleiht. Rosenglut und Lilienduft, Schüchternheit und Heldenmut umschließt seine fabelhafte Wattierung. Lions und Roucs ist er sonach unentbehrlich. Mit einem Worte er ist ein Twien à la Sam. Chr. Hoyer.

IX. Tantièmeröcke für dramatische Schriftsteller, reichlich mit Taschen versehen, mit Posten-Abgangs- und Ankunftsregister und sonstigen Herausrufenlassungs-Reisebedürfnissen, lässt jedoch nur gegen bare Zahlung ab - Sam. Chr. Hoyer.
X. Illustrierte Beinkleider mit Rebusbesatz, in bester Auswahl stets vorrätig bei Sam. Chr. Hoyer.

XI. Da Wetterkundige behaupten, dass es in diesem Jahre nicht Sommer werden wird, so mache ich ein geehrtes Publikum, welches von dieser Wahrheit vielleicht noch nicht unterrichtet ist, darauf und auf meine ausgezeichnet schönen Paletots mit Luftheizung aufmerksam. Ich stehe eben im Begriff, mir ein Patent darauf geben zu lassen. Wer ein Modell dieser wahrhaft pyramidalen Erfindung zu kaufen wünscht, bemühe sich, mit einigem Baaribus versehen, gefälligst zu mir.

XII. Der Frack eine Mythe!... So haben sie gerufen, diese kleingläubigen Schneiderseelen. Ihr Verblendeten, wenn es ihm auf Augenblicke beliebte, aus Laune sich dem Gehrock zu nähern, bildet Ihr Euch darum ein, er werde nicht dennoch ewig ein Frack bleiben, so lange es noch ein einiges Deutschland gibt und Monarchien, konstitutionelle wie andere? Er ist das Hof- und Feierkleid*) und so lange Deutschland von Kind bis zu Kegel nicht mit Vater Jahn demagogisch turnt, werde ich die Ehre haben, mich mit phantasiereichem Frackschnitte der staunenden Welt nach wie vor zu produzieren.

XIII. Als Venus Anadyomene nackt aus dem Meere stieg, waren andere Zeiten, man schrieb Anno Domini vor Christo; wollte sie es heute etwa in Schimmels Teiche probieren, würde unsere christliche Polizei der Heidin schön aufs Dach steigen; auch sitzen in unseren Gymnasien die Knaben nicht etwa in puris naturalibus auf der Schulbank, was, beiläufig gesagt, jetzt eine stark verdoppelte Schulheizung erfordern würde; man sieht also, dass unsere Zeiten wesentlich von denen der Alten abweichen. Was folgt daraus? dass ich vollkommen berechtigt bin, die christlich-germanische Welt auf die Notwendigkeit der Kleider und auf meine eigenen aufmerksam zu machen.

XIV. Neu konstruierte Panzerhemden für diejenigen, die Religions-Versammlungen beiwohnen, habe ich stets vorrätig und garantiere für Unzerreißbarkeit. Sam. Chr. Hoyer.