Leupold, Simon (1517-1578). Biographie

Autor: Lisch, Georg Christian Friedrich (1801-1883), Erscheinungsjahr: 1840

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G. C. F. Lisch: Biographie des herzoglich-mecklenburgischen Sekretärs Simon Leupold. In. Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 5. Jg. Schwerin 1840
Inhalt des 1. Kapitels. Geschichte der Staaten

Es ist sehr natürlich, daß die Geschichte der Staaten, namentlich die der ältern Zeiten, sich um die Lebensumstände weniger Männer dreht, da die Urkunden, welche uns aus ältern Zeiten aufbewahrt sind, am häufigsten nur einzelne Handlungen solcher Männer bewahrheiten; eben so natürlich ist es, daß in monarchischen Staaten diese Männer vorzugsweise die Regenten des Landes sind: Monarchien werden viel Regentengeschichte haben. Die Klage mancher Geschichtsfreunde, daß man ihnen zu viel Regentengeschichte biete, ist nicht selten ungerecht, da theils die Handlungen der Regenten am häufigsten Handlungen für das Land sind und man für den Namen des Regenten nur den Namen des Vaterlandes zu substituiren braucht, theils die Begebenheiten aus der Lage der jedesmaligen allgemeinen Zustände und durch eine Vereinigung vieler einzelner Umstände hervorgehen, welche die Handlungen des Fürsten in einen Punct zusammenfassen. Dennoch steht der Regent selten allein; von nahe oder ferne umringen ihn Männer, welche mit ihm die jedesmaligen Zustände vermitteln und als Beobachter, Berichterstatter und Rathgeber oder als Werkzeuge seines Willens oder der Landes-Institutionen auf ihn oder die Zustände häufig den wichtigsten Einfluß ausüben und die Geschichte der Zeit oft in dem klarsten Lichte erkennen lassen. Ganz ungegründet ist daher die angeführte Klage der Geschichtsfreunde nicht, indem es überall noch an Biographien der Männer fehlt, welche den Fürsten und dem Volke rathend und leitend zur Seite standen.

Einer der wichtigsten und folgenreichsten Zeiträume in der meklenburgischen Geschichte ist der Zeitraum um die Mitte des 16. Jahrhunderts, welcher eine möglichst vollständige Erschöpfung im hohen Grade wünschenswerth macht: es ist die zweite Hälfte der Regierung des Herzogs Heinrich des Friedfertigen und die erste Hälfte der Regierung des Herzogs Johann Albrecht I., die Zeit um das Jahr 1550. Schon im ersten Jahrgange dieser Jahrbücher S. 33 und 58 ist auf zwei hervorstechende Männer dieser Zeit hingewiesen, auf Johann von Lucka und Friederich von Spedt, von denen jener in Befriedigung der wichtigsten Staatsbedürfnisse, dieser in Beobachtung und Leitung der politischen Verhältnisse dieser Zeit in hohem Grade thätig war. Gegenwärtige Abhandlung wird sich mit einem Manne beschäftigen, dessen Lebenskraft vorzüglich der besondern Ausführung und Verwirklichung der dringendsten Bedürfnisse der Zeit und des Landes geweiht war; es ist der Magister Simon Leupold 1).

Simon Leupold ist einer der ersten Gelehrten, welche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von der blühenden Universität Wittenberg an den Hof unserer Fürsten gerufen wurden, dort den edlern Geist der damaligen Zeit in die Staatsregierung verwebten und die neu entstandene gelehrte Richtung auch auf die Höfe und die Staatsgeschäfte in der Ausführung übertrugen, während die übrigen Gelehrten mehr in Kirche und Schule wirkten. Vertraut mit den größten Geistern der damaligen Zeit, namentlich mit Philipp Melanthon, konnte er bei seiner Stellung zum Hofe ungemein viel zur Veredelung der neuen Zustände wirken. Er war unter den Herzogen Heinrich und Johann Albrecht vom J. 1539 bis ungefähr 1572, also wenigstens 30 Jahre ununterbrochen in Staatsgeschäften thätig.

Seine Wirksamkeit in Meklenburg läßt sich füglich in drei ganz verschiedene Perioden bringen. In die erste Periode fällt seine mehr literarische und kirchliche Wirksamkeit, bis zum Tode des Herzogs Heinrich. Aus diesem Standpuncte verdrängte ihn beim Herzoge Johann Albrecht factisch dessen Freund, Andreas Mylius, und Simon Leupold übernahm vorzüglich Gesandschaftsgeschäfte in der zweiten Periode, der seiner politischen Thätigkeit. Dringende Staatsbedürfnisse versetzten ihn endlich in einen administrativen Wirkungskreis, in welchem sich der letzte Theil seines Lebens bewegt und der ihn geistig aufreibt.

Simon Leupold (Pretinensis)war im J. 1517 zu Prettin an der Elbe in Sachsen geboren. Er hatte dort unter den Mitgliedern des Rathes und der Geistlichkeit viele Verwandte und Freunde. Sein Bruder Matthias Leupold, sicher von 1532 bis 1542 mit der Tochter Urbans Schäfer verheirathet, war Rathsherr in Prettin; derselbe war bald nach 1542 gestorben und seine in Prettin wohnende Familie starb 1552 an einer epidemischen Krankheit. Eine Schwester Scholastica Leupolds war an einen Velten Achsen zu Nauendorf verheirathet gewesen und im J. 1567 Wittwe; eine andere Schwester war im J. 1564 an den Bürger Wolf Heidemann zu Halle verheirathet, deren Sohn Jost 1561 bei dem Secretair Joachim Pesse und darauf bei Simon Leupold in Güstrow war; andere Schwäger von ihm waren im J. 1564 Mag. Sebastian Matthäi und der Bäcker und Rathmann Martin Richter zu Prettin. Im J. 1553 lebte zu Prettin noch sein Vetter Joseph Leupold, Bürger, und dessen Bruder Simon Leupold, wahrscheinlich Simon Leupold der jüngere (vgl. am Schlusse), und Schwester Gertraud; Joseph lebte noch 1564. Durch Eheverbindungen verwandt waren den Leupold noch: Johann Winkler, ebenfalls im Rath zu Prettin, der Pastor Ambrosius Melophilax (Schäfer) und dessen Sohn, der jüngere David Schäfer 2), u. A. Alle Patricier seiner Vaterstadt bewunderten nach seiner Anstellung in Meklenburg in ihm einen hoch gestellten, viel vermögenden Mann und thaten sich viel auf ihn zu gute.

Den ersten Unterricht erhielt Simon Leupold wahrscheinlich in Prettin; im J. 1535 führte mit ihm nach Wittenberg einen lateinischen wissenschaftlichen Briefwechsel der Lehrer an der Prettiner Schule Mag. Joachimus (Refelt) aus Ruppin (Ruppinensis), welcher, mit der Miene ein eines ehemaligen Lehrers, seine lateinischen Poesien lobte. Die Vollendung seiner Schulbildung empfing er aber auf der Schule zu Torgau, wo er sich im J.1530 aufhielt, als seine Vaterstadt abbrannte. Im J. 1531 bezog er die Universität Wittenberg; hier lebte er im J. 1532 „auf dem Collegio beim Magister Ambrosius Scala“ und darauf, schon im Herbste 1532, beim Mag. Wendellinus. Nach allen Zeichen war er ein eifriger Schüler Melanthons und mit demselben vertraut. Am 8. Januar 1534 ward er baccalaureus utriusque juris, über welche Feierlichkeit noch die an ihn gestellten Fragen vorhanden sind. Seine Magister-Promotion, zu welcher er auch seine Freunde und Gönner aus Prettin einlud, war auf den 29. August 1536 angesetzt, und bald darauf erscheint er wirklich als magister liberalium artium. Nach Erlangung dieser Würde setzte er seine wissenschaftlichen Bemühungen zu Wittenberg fort, da ihm am 10. Nov. 1539 bezeugt wird, daß er sich länger als 8 Jahre auf der Universität Wittenberg aufgehalten habe. Sein Trieb nach Erwerbung gründlicher Gelehrsamkeit muß groß gewesen sein, da ihm Sonnabend nach circumcis. 1539 der Dr. Wolfgang Reißenpusch, Präceptor zu Lichtenberg, auf Verwendung Luthers, Bücher aus der kurfürstlichen Bibliothek (der „Liberei zu Lichtenberg“) zur Förderung seines Studiums anbietet. In den Jahren seines freien Magisterlebens ertheilte er Unterricht, studirte fleißig und hatte viel Umgang und Briefwechsel mit gelehrten Männern, an denen es damals in der Nähe und Ferne nicht fehlte. In Wittenberg knüpfte er als Magister im J. 1536 natürlich manche Bekanntschaften an, z. B. mit dem Mag. Antonius Rugerus; vorzüglich aber pflog er Freundschaft mit dem Mag. Georgius Amilius aus Mansfeld (Mansfeldensis), von welchem noch mehrere in Wittenberg an Leupold geschriebene lateinische Billete vom J. 1536 vorhanden sind. Beide lebten in vertrautem wissenschaftlichen und häuslichen Verkehr mit einander 3).




1) Als er auf der Universität Wittenberg war, schrieb er sich auch Simon Leutholf und ward dort auch zuweilen so genannt.
2) Diesen David Schäfer suchte Mag. Simon im J. 1548 bei einem hohen Herrn im Dänischen (apod nobilem quendam in Dacia) unterzubringen; derselbe fürchtete aber die Störung seiner philologischen und philosophischen Studien und lehnte das Anerbieten ab aus Scheu vor den Hofsitten („propter aulicos mores“).
3) So schreibt Amilius 1536 an Leupold:
„Miror quod heri vesperi ad me non veneris, a me presertim expectatus et vocatus. Sed hunc errorem facile tibi ignoscam, ea tamen lege vt hodie vesperi a coena circa horam octauam ad me venias. Curabo vt habeamus cantorem vnum atque alterum et cantarum ceruisiae. Plura polliceri non possum. Mea enim crumena laborat hoc tempore febri vel phtisi. Quare initio oro, vt boni consulere velis meam tenuitatem, et animi mei potius obseruantiam et amorem erga te quam vlla alia respicere.“ und ein ander Mal:
„Veniam ad symposiam vespere libenter et vt amicum decet prompte; porto hoc mihi velim ignoscas, si vnam tantum vmbram mecum adduxero. Inuitaui enim tuo et meo nomine Johannem Rörscheyt, qui migrabit in aedes vestras.“
ferner:
„Quaeso te humanissime M. Symon, vt mihi vel fl. vel, si tan tum non poteris, 15 gr. vel ad minimum fl. Habeo enim iam maxime opus pecunia, nec obolus est domi. Porro scias, me pene absoluisse primum nostrum carmen ad Gallum de Api (.) ? composui enim hodie disticha. - Absoluissem hodie totum, nisi coactus essem - - emendare duobis discipulis scripta“.