Am Tage Martini

Am Tage Martini 1539 begab Leupold sich mit einem Passe der Universität Wittenberg auf die Reise nach Meklenburg und trat hier alsbald sein Amt als Secretair des Herzogs Heinrich des Friedfertigen an. Durch seine Bestallung ward er als Secretair der beiden Herzoge Heinrich und Albrecht verpflichtet; außer den damals gewöhnlichen reichen Naturalhebungen und Hofkleidern erhielt er jährlich 20 Gulden fester Besoldung und den vierten Theil von allen Canzleigesällen. War es auch zunächst sein Geschäft, dem Canzler (bis 1547 Caspar von Schöneich) in der Extension der fürstlichen Erlasse und namentlich noch nach alter Weise im Abschreiben der Concepte des Canzlers beizustehen, so ward er doch sehr häufig und vorzüglich zu wichtigen, selbstständigen Geschäften gebraucht. Er ist wohl unstreitig der erste in Meklenburg, welcher ganz den Titel eines Secetairs und die im heutigen Sinne mit dem Amte eines Secretairs verbundenen höhern Geschäfte führte: mit ihm beginnt, zugleich mit dem größern Wirkungskreise der Fürsten und ihrer Canzleien, die Reihe der Geheimen-Secretaire und Regierungssecretaire; - vor ihm hießen die subalternen Canzleigehülfen nur Schreiber (Schriver, z. B. Niclas schriver, Michel schriver, .) und waren in der That auch nicht mehr als Schreiber, da sonst der Canzler alle Regierungsgeschäfte besorgte und bis zum Abschreiben seiner Entwürfe selbst durchführte.

Außer der unmittelbaren Wirksamkeit Leupolds, that er dem Lande manche Dienste durch Empfehlung und Herbeiziehung tüchtiger Männer von der Universität Wittenberg, welches ihm um so mehr glückte, da er, als der erste Wittenberger im Staatsgeschäfte, Geschäftstüchtigkeit und Gewandtheit mit Bildung verband und der neuen Universitätsbildung im Gegensatze des alten kirchlichen Sauerteiges Achtung verschaffte. Vor allen Dingen suchte er seinem Freunde Georg Amylius eine Stelle bei Hofe zu verschaffen, da der Herzog einen gebildeten und sprachgelehrten Mann für das Gesandtschaftsfach zu haben wünschte, eine Stelle, welche erst unter dem Herzoge Johann Albrecht I. so rühmlich von Andreas Mylius, einem hochgebildeten Manne der wittenberger Schule, bekleidet ward. Aber trotz der innigen Freundschaft des G. Amylius mit Luther, Melanthon, Koltsch und Leupold und der Bekanntschaft mit dem Herzoge Magnus wollte eine Anstellung desselben in Meklenburg nicht gelingen 21), so sehr es namentlich Melanthon auch wünschte. Er blieb jedoch dem meklenburgischen Fürstenhause zugethan und dedicirte noch im J. 1568 dem Herzoge Johann Albrecht I. ein „ibellum Hymnorum Gerbegleitete.“


Die Wirksamkeit Leupolds in Meklenburg ist von der höchsten Bedeutung, vorzüglich in kirchlicher Hinsicht. Zwar war die Reformation in Meklenburg längst öffentlich eingeführt; aber es gab noch viel Verwirrung im Lande und der Zustand der neuen Kirche war noch nicht gesichert; es gab zwar viele protestantische Geistliche im Lande, aber es bestanden daneben der Form nach noch alle katholischen Institutionen. Daher empfahl Melanthon dringend den jungen Mann und wirkte für Meklenburg dadurch unendlich viel Gutes. Wie Melanthon hier, so hat er vor Allen um die kirchliche Reorgansation Meklenburgs mittelbar und unmittelbar die größten Verdienste, welche nicht genug gewürdigt werden können; auffallender Weise tritt Luther in unmittelbarer Wirkung für Meklenburg fast gar nicht hervor, vielleicht weil Melanthons bedächtiger Charakter sich am meisten zu dem verwandten Geiste unsers friedfertigen Herzogs Heinrich hinneigte. Auch ist der Charakter der Schüler der beiden Reformatoren, so wie deren Wirksamkeit sehr verschieden; während die Schüler Luthers, meistentheils junge Prädicanten, z. B. Slüter, mehr kräftig und gewaltsam auftraten, was freilich bei der Einführung der neuen Lehre wohl oft nöthig war, suchten Melanthons Schüler mehr zu retten und zu verbessern. Wie die Meister in Sachsen, so wirkten die Schüler in Meklenburg.

S. Leupolds größtes Verdienst bestand zunächst in seiner Thätigkeit für die Kirchen-Visitation. Er war bei den beiden großen Visitationen von 1541 (unter dem Herzoge Heinrich) und von 1553 (unter dem Herzoge Johann Albrecht I.), welche mehrere Jahre dauerten, Secretair (erster Kirchen-Visitations-Secretair) und fürstlicher Geschäftsführer; es entwickelte sich hiedurch ein vertrautes Verhältniß zwischen ihm und dem Superintendenten Riebling und dem Prediger Kükenbieter (Nossiophagus), so daß die Wirksamkeit dieser drei Männer die Hauptsache bei dem wichtigen Werke war 23). Der unermüdeten Thätigkeit und Sorgfalt Leupolds verdanken die Kirchen des Landes wohl sehr viel von dem, was in dem Sturme gerettet werden konnte: die Lust zum Säcularisiren war damals groß genug. - Dabei stand er in ausgebreitetem, meist lateinischem, Briefwechsel nicht nur mit vielen gleichgesinnten und gelehrten Männern außerhalb Meklenburg, sondern auch mit den vorzüglichsten der Zeitgenossen in Meklenburg, welche für den bessern, neuen Zustand thätig waren, waren, namentlich mit den angeführten Geistlichen, mit dem Superintendenten Oemichius zu Güstrow, mit Arnoldus Burenius, der Säule der Universität Rostock, mit Conrad Pegel u. A., und außer diesen vorzüglich mit seinem Lehrer Ph. Melanthon 24). Auch Luther gedachte seiner im Drange der Arbeiten noch freundlich. Er besorgte aber nicht allein die öffentlichen Geschäfte bei der Durchführung der neuen kirchlichen Verhältnisse; der Herzog Heinrich bediente sich seiner Geschicklichkeit, um auf friedlichem Wege allmählig das Papstthum zu verdrängen; so legte z. B. der Fürst es ihm im J. 1540 einmal schriftlich ans Herz, einen mehr als gewöhnlichen Mönch im Franziskanerkloster zu Schwerin für die neue Lehre zu gewinnen, was auch nach allen Anzeichen gelang; so „erief er“im J. 1547 den evangelischen Prediger Johannes Studemann aus Danneberg zum Prediger zu Malchin, nach dessen eigenen Worten; so hob er neben den beiden güstrowschen Burgemeistern im J. 1552 das Dom-Capitel zu Güstrow auf. Solche Zeichen der Thätigkeit mögen statt vieler gelten.




21) Man vgl. hierüber die Brief-Sammlung Nr. 6.
Koltsch schrieb über G. Amylius am 14. Oct. 1539 an S. Leupold nach Wittenberg:
„Quod autem scribis de Mgro. Amilio commendando, fecissem ea imo eciam maiori diligentia, nisi me secretarius principis Vrbanus (sc. Lampertus), quem infirmitas per aliquot dies in aedibus meis detinuit, ab instituto reuocasset. Is siquidem mihi retulit ante sesquimensem, ea de causa tibi a principe esse per litteras responsum. Quare nolui iam refricare principibus sui memoriam. Verum vbi locus erit, qui potiss. in aula est obseruandus, ego illius apud eosdem ita meminero, vt sentiat me M. Aemilius amicum“.
23) Schon Thomas in Anal. Gustr. Catal. p. 104 hebt diese Seite der Wirksamkeit Leupolds vorzüglich hervor:
„M. Simon Leopoldi visitationis ecclesiast. secretarius - - laboriosissimus - - ,cujus opera in primis a Reformat. Luther. visitationibus iisque compluribus longe maxima fuit, qui nisi suo tempore exacto studio confecisset rationes ecelesiasticas, de rebus ecclesiarum nostrarum earumque dotibus ac reditibus primitivis vel nihil vel parum nobis constaret“.
Dies ist aber auch alles, was Thomas von Leupold weiß. Mehr, als Thomas, hat auch das Meklenb. Gelehrten-Lexicon, 1729, Stück 1, S. 23, nicht.
24) Melanthon scheint sich öfter mit Empfehlung tüchtiger Gelehrten an Leupold gewandt zu haben, wie er überhaupt gerne empfahl und es eine glänzende Seite der Wirksamkeit der Reformatoren ist, durch ihre Schüler nach und nach eine große Menge von tüchtigen Männern nach allen Gegenden Norddeutschlands hin befördert zu haben. So empfahl Melanthon ihm am 11. October 1542 den Doctor Autor aus Braunschweig, der in Leipzig und Italien die Rechtsgelehrten länger als ein Jahrzehend gehört, am brandenburgischen Hofe gelebt und an der Universität gelehrt habe, zum Vorschlage zum Canzler. Vgl. Brief-Sammlung Nr. 11. (Dieser Brief ist vom ehemaligen Archivar, Archivrath Evers wahrscheinlich schon an Bretschneider mitgetheilt; in der aufbewahrten Abschrift finden sich aber einige Lesefehler, die wohl in den Druck übergegangen sind, daher ein neuer Abdruck gerechtfertigt erscheinen wird.) - Der Dr. Autor ist ohne Zweifel der Dr. Author von Swalenberg. Nach Melanthons Schreiben war er Rath des Kurfürsten von Brandenburg und Professor an der Universität Frankfurt. Schon am Palmsonntag 1542 schrieb er von Frankfurt an S. Leupold, daß er aus brandenburgischen Diensten getreten sei und Lust habe, in des Herzogs Heinrich von Meklenburg Dienste zu treten; er schrieb auch selbst an die meklenburgischen Herzoge Heinrich und Magnus und an den Superintendenten Riebling. Der Herzog Heinrich antwortete ihm, er wolle den Schein meiden, als habe er ihn dem Kurfürsten abwendig gemacht. Dennoch trug er wiederholt seine Dienste als Rath und Gesandter an; hierauf erhielt er von S. Leupold eine ablehnende, von den Herzogen gar keine Antwort. Am 19. August 1543 schreibt er jedoch von Stettin an S. Leupold, daß er sich aus der Mark begeben habe und als Rath in des Herzogs Barnim von Pommern Dienste, vorläufig auf ein Jahr, getreten sei, bat aber, seiner nicht zu vergessen, da er den Wunsch nach einer Dienstverleihung in Meklenburg nicht unterdrücken könne. Jedoch erscheint er hierauf eine Zeit lang als Rath zu Stettin.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leupold, Simon (1517-1578). Biographie