Lessings Verdienste um das Judentum

Eine Studie
Autor: Modlinger, Samuel (1825-1898), Erscheinungsjahr: 1869

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Lessing, Lavater, Mendelssohn, Nathan der Weise, Juden, Judentum, Literatur, Schwanengesang, Standpunkt, Dichtung, Tempelherr, Templer, Christen, Geschichte der Religionen,
Kamenz in der Oberlausitz. Jetzt ist selbst das Haus nicht mehr vorhanden, in welchem Gotthold Ephraim Lessing am 25. Januar 1729 das Licht der Welt erblickte, und mit dem Vaterhause Lessings ist auch diejenige Stadt, welche den Knaben und Jüngling sah, von der Erde verschwunden durch einen Brand, der dieselbe in unsern Tagen (1842) bis auf wenige Häuser vernichtet hat. Aber das zu Lessings Gedächtnis von frommen Verehrern seines humanen Geistes gegründete „Barmherzigkeitsstift" blieb verschont, während die Flammen das Geburtshaus Lessings, das alte Archidiakonat, verzehrten, dessen geistlicher Bewohner fünfzehn Jahre zuvor verhindert hatte, dass dasselbe bei der Gedächtnisfeier von Lessings hundertjährigem Geburtstage mit einer Inschrift zu Ehren Lessings geschmückt wurde! Es ist nicht bekannt geworden, ob die frommen Eiferer, die bei solchen Gelegenheiten überall „den Finger Gottes" zu erblicken verstehen, auch hier sich gemüßigt gefunden haben, auf denselben hinzuweisen. Aber die Tatsache: dass noch hundert Jahre nach Lessings Geburt die Nachfahrer Götzes es wagen durften, sich in solcher Art der Huldigung zu widersetzen, die eine dankbare Nachwelt dem Dichter Nathans des Weisen darbrachte, gab nur einen sprechenden Beweis mehr dafür, wie notwendig die Sendung des großen Vorkämpfers der Toleranz und Humanität und sein lebenslanger Kampf gegen die Feinde beider gewesen war. (G.E. Lessing. Sein Leben und seinen Werke. Adolf Stahr. 1859)
Vorwort

Die vielen Schriften, die über Lessing und seinen Schwanengesang in Umlauf sind, haben mich nicht abgehalten eine Schrift zu veröffentlichen, die einen selbstständigen Standpunkt einnimmt; und die in ihrem Ideengang an einen Gedankenzug festhält, der sie verhindert den Boden der Wirklichkeit unter sich zu vermissen, um in Bahnen einzulenken, die man Gedankenhöhen und Gedankentiefen nennt, wohin ich Sterblicher ihr gar nicht zu folgen vermocht hätte. Die zwei Dichtungen Lessings „Die Juden“ und „Nathan der Weise“, die von religiöser Tragweite sind, sind seither das geistige Gemeingut eines jeden Mannes geworden, jeder Mann ist daher auch berechtige, aus denselben das herauszulesen, was er hierin zu finden glaubt.

      Der Blick des Forschers fand,
      Nicht selten mehr als er zu finden wünschte, *)

*) Nathan der Weise, Aufzug 2. Auftritt 7.

lässt Lessing den Tempelherrn sprechen, und von Nathan wiederholen. Dieser etwas zu kritische Satz, der sich offenbar auf das Forschen bezieht, würde vielleicht nicht gut verwertet sein, wenn er nur auf den historisch-dramatischen Ausgang, und nicht zugleich und vielmehr auf die ganze Tendenz des didaktischen Gedichtes sich beschränken möchte.

Der Verfasser der gegenwärtigen Schrift, der der Religion Nathans angehört, fand darin gerade soviel als er wünschte, und erlaubt sich denjenigen, die darin weniger zu finden gewünscht hätten, die Worte Nathans zuzurufen, welche lauten:

      „Der Forscher fand
      Nicht selten mehr als er zu finden wünschte,*)

Er nimmt auch keinen Anstand, alles. Dieses Lessing als Verdienste um das Judentum anzurechnen; weil solche Schriften als bleibende Monumente in der Geschichte der Religionen betrachtet werden können. Während Lessing in allen seinen übrigen Arbeiten von Anderen vielfach übertroffen ist; hat er in diesen die Religion angehenden Dichtungen eine Höhe erreicht, die kaum erklimmt werden kann. „Die Juden“ und „Nathan der Weise“ von Lessing, verfehlen noch lange nicht uns auf das lebhafteste zu interessieren. Was dauernd und bleibend ist, ist allerdings ein Verdienst, das nicht zu verkennen wäre.

Bekanntlich hat Lessing von einem „Nathan“ behauptet, dieser würde vor einem Jahrhundert gar nicht zur Aufführung gelangen. Was nicht sowohl einer zu nichts führenden Bescheidenheit, als vielmehr einem Sichbewusstsein des Dichters über die Tragweite seiner Arbeit, die er mit einem Jahrhundert als zu frühe betrachtet habe, zuzuschreiben sei. Er hat somit offenbar keine zeitliche Lorbeeren von seinem Nathan erwartet, sondern denselben ausschließlich für die Zukunft und im Interesse der Wahrheit geschrieben. Auch hat er sich hierin schwerlich getäuscht; denn obgleich das Drama Nathan der Weise bald nach dem Tode seines Autors zur Aufführung gekommen war, so kann diese Aufführung schwerlich als solche angesehen werden. Denn nicht recht beurteilt, falsch aufgeführt, so gut als nicht auf geführt. Noch sind die hundert Jahre nicht um, noch ist Lessings Nathan einzustudieren, um sich in die Ideen hinein zu leben, die dem Autor bei der Zeichnung seiner Figuren vorgeschwebt haben. Vorliegendes Werkchen möge hierzu einen Beitrag liefern.
                                    Der Verfasser.

Lavater, Johann Caspar (1741-1801) reformierter Pfarrer, Philosoph und Schriftsteller aus der Schweiz

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Lessing, Carl Friedrich (1808-1880) Historien- und Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts

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Lessing, Gotthold Ephraim (1729-1781) bedeutender Dichter der deutschen Aufklärung

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Lessing-Die-Gefangennahme-des Papstes Paschalis II. durch Heinrich V. im Jahre 1111

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Mendelssohn, Moses (1729-1786) deutscher Philosoph der Aufklärung und Wegbereiter der Bildung der Juden

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Lessing und Lavater zu Besuch bei Moses Mendelssohn (1856)

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