Lessing in Breslau

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1903
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Lessing, Tauentzin, Breslau, Gedenktafel, Friedrich der Große, Kriegsnöte, Ausmünzung, Kursschwankungen,
Im Jahre 1760 verließ Gotthold Ephraim Lessing Berlin und ging nach Breslau, um der Gouvernementssekretär des Generalgouverneurs von Breslau, Bogislaw Friedrich v. Tauentziens, zu werden. Obwohl erst im 31. Lebensjahre stehend, war Lessing durch seine kritischen Arbeiten und sein Schauspiel Miss Sara Sampson doch schon ein bekannter Mann und mit Tauentzin bereits in Leipzig bekannt geworden. In Breslau, wo er bis 1768 weilte, verlebte Lessing seine glücklichsten Jahre.

****************************************************
Wie der Generalgouverneur, ein Soldat von echtem Schrot und Korn, ihn, so schätzte er diesen. Sein Dienst war nicht sehr anstrengend, er bestand im Wesentlichen in der Abfassung und Beantwortung der Schreiben, die der General in seiner Eigenschaft als Gouverneur erließ oder erhielt. Man stand damals mitten im Siebenjährigen Krieg, und Breslau hatte nicht nur eine starke Besatzung, sondern ununterbrochen kamen und gingen die Truppen Friedrichs des Großen.

Unter den preußischen Offizieren fand der Dichter lebenslustigen Verkehr und heitere Gesellschaft. Man leerte in schnellen Zügen die Punschgläser, spielte leidenschaftlich Pharao und besuchte die Vorstellungen des berühmten Hanswurstes Schuch, der in der „Kalten Asche“, wie man den Musentempel nannte, seine Bühne aufgeschlagen hatte. Meist erst spät Nachts trat Lessing den Heimweg aus der „Goldenen Gans“ und dem „Goldenen Hora“ und anderen Gastwirtschaften nach seiner in der Schweidnitzerstraße gelegenen Wohnung an. Aber er ging in dem Strudel, in den er sich gestürzt hatte, nicht unter. Trotz aller Ablenkungen arbeitete ermutig an sich und seinen Plänen weiter. Er durchstöberte die Bibliotheken, entdeckte dabei den schlesischen Dichter Andreas Scultetus, dessen Werke er einige Jahre nachher herausgab, brachte für sich selbst eine große Büchersammlung zusammen und entwarf die Grundzüge zu „Minna von Barnhelm“. Die Beobachtungen des Lebens und Treibens der Offiziere gaben ihm die erste Anregung und manche charakteristische Figur. Die Hauptszenen seines Lustspiels „Minna von Barnhelm“ sollen sich in dem Gasthaus „Zur goldenen Gans“ abgespielt haben, dass unweit seiner zweiten Wohnung in der Junkerstraße lag.

Eine Gedenktafel erinnert hier an seinen Aufenthalt. — Der General v. Tauentzien war von Friedrich dem Großen auch zum Generalmünzdirektor ernannt worden, und Lessing hatte die Ausmünzung des Geldes zu überwachen. Durch die Kriegsnöte sah sich Friedrich der Große gezwungen, minderwertiges Geld ausprägen zu lassen. Unter Benutzung der hierdurch bedingten häufigen Kursschwankungen hätte sich Lessing unschwer bereichern können, aber er verschmähte es, sich auf diese Weise Vorteile zu verschaffen. Lessing hat sich um Breslau wohl verdient gemacht, indem er oftmals zwischen der Bürgerschaft und dem Gouverneur die Vermittlerrolle übernahm. Noch Jahre später schrieb ihm der Breslauer Kaufmann Thomson: „Ihnen hat unsere Stadt viel zu danken. Sie waren ein mächtiger Vorsprecher bei Seiner Exzellenz, unserem liebenswürdigen Generalleutnant.“

Als Sekretär des Gouverneurs ward ihm auch die bedeutsame Aufgabe, den Abschluss des Friedens von Hubertusburg am 15. Februar 1763 amtlich zu verkünden. Von der Treppe des Rathauses am Ring herab verlas er im Beisein des Magistrats den versammelten Bürgern die langersehnte Botschaft, durch die Breslau und Schlesien endgültig Preußen zugesprochen wurde. Ein vielstimmiges „Vivat Friedericus Rex!“ war die Antwort auf die Verlesung. Zwei Jahre später verließ Lessing Breslau. Der Aufenthalt dort ist für ihn von bleibendem Einfluss gewesen.

Lessing verkündet der Breslauer Bürgerschaft den Hubertusburger Frieden

Lessing verkündet der Breslauer Bürgerschaft den Hubertusburger Frieden

Lessing verkündet der Breslauer Bürgerschaft den Hubertusburger Frieden_

Lessing verkündet der Breslauer Bürgerschaft den Hubertusburger Frieden_