Abschnitt. 1


Jeder Kaufmann lobt, jeder Kaufmann verschönert seine Ware, stellt sie in das gehörige Licht, verteilt die Schatten, sortiert und stellt ihre Farben zusammen, wie ihre Verbindung unserm Auge wohl tut, putzt sie aus, gibt ihnen die nötige Appretur, hängt, oder stellt, oder legt sie hoch und niedrig, je, nachdem dadurch die beste Beleuchtung, die vorteilhafteste Seite von ihnen gewonnen und die Schattenseite, das Mangelhafte versteckt wird; er hebt ihren wahren Wert heraus und verbirgt das Nachteilige davon; genug, er tut alles, um sie herauszuschmücken, das Auge des Käufers von den schwächsten Partien ab- und zu den vollkommneren hinzuleiten, und benutzt jeden Handgriff, jeden Vorteil, alle ihm zu Gebote stehende Mittel, Beredsamkeit und Geschicklichkeit im Handel, um sie vorteilhaft zu zeigen und an den Mann zu bringen.

Alles dieses, was wir täglich von dem großen Händler bis zu dem Düftchenkrämer, dem Ellenhändler, dem Hausierer herab, vor unsern Augen sehen, woran wir von Jugend auf, wenn uns die Mutter oder die Kindermagd noch am Gängelbande mit in den Gewürzladen nahm, wo der Kaufmann, um die Aufmerksamkeit seiner Kunden von dem schlechten Gewicht und der fehlerhaften Beschaffenheit der Ware abzulenken, das liebe Kind lobte und mit einer Stange Gerstenzucker beschenkte und noch obendrein der Mutter oder der Wärterin etwas Schönes sagte, gewöhnt sind; alles dieses findet man billig, erlaubt, in der Regel, und wagt kaum, den leisesten Tadel darüber auszusprechen noch weniger diese Verschönerungskünste, diese Handelsvorteile, mit dem Namen: Betrügereien, zu benennen. Nur im Pferdehandel ist man so ungerecht, alle ähnlichen Vorteile, Handgriffe und Maximen, der Ware ein vorteilhafteres Ansehen zu geben, ihre Mängel zu verstecken und sie auch bei Fehlern an den Mann zu bringen, mit dem Namen Rosstäuscherkünste, Betrügereien im Pferdehandel, zu benennen, da sie doch nichts anders sind, als Handelsvorteile, der Ware ein gefälligeres Ansehen zu geben, Pferdeverschönerungskünste, wie ich sie nenne, die wir ja auch bei jedem andern Handelsmanne finden, der, wenn wir es genauer betrachten wollen, sich ja auch ebenfalls erlaubt, seiner Ware ein besseres, moderneres, jüngeres, dauerhafteres, genug, vorteilhafteres Ansehen zu geben und die Mängel in die Schattenseite zu stehen, oder wo möglich ganz zu verstecken, was wir, wenn wir gerecht und billig sein wollen, doch zugeben müssen, dass dies jeder Kaufmann tut, der uns z.B. niemals das Tuch oder die Seidenware von der Seite zeigt, oder diese noch weniger zur Außenseite wählt, auf welcher die Ware verschossen oder fleckig ist. Und soll denn der Pferdehändler, der alle diese Verschönerungskünste bei seiner, der Einwirkung so vieler Dinge Preis gegebenen, schon als lebender Organismus der Veränderung am meisten ausgesetzten Ware, die jeden Augenblick ihrer ganzen Natur nach anders sein muss und ist, am meisten bedarf, soll er sich denn bei dieser gar nicht ähnlicher Vorteile und Handgriffe, sie zu verschönern, ihre Fehler zu verbergen und sie bald an den Mann zu bringen, bedienen? Verträgt sich denn diese Forderung mit unserer sonstigen Billigkeit und Nachsicht gegen uns selbst und Andere? - Prüfen wir uns doch einmal, wir mögen nun Kaufmann sein oder nicht, nur mit geistiger Ware wuchern, oder mit materiellen Tätigkeit das Lebensverhältnis ausfüllen, in welches wir von der Vorsehung gestellt worden sind, läuft nicht am Ende alles darauf hinaus, dass wir das, wovon wir leben, in dem vorteilhaftesten Lichte zeigen, unsere Schwächen in dem Einen oder dem Andern verbergen und unsere Stärke herausheben, ins rechte Licht, wie man sagt: auf den Scheffel, stellen?


Beispiele aus allen Ständen, aus allen Lebensverhältnissen, hier anzuführen, würde nicht schwer sein, allein was bedarf es da noch der Beispiele, wo zur Bestätigung meiner Behauptung nur ein Griff in unsern eigenen Busen nötig ist?

Tut daher der Pferdehändler mehr und Schlimmeres, als wir, wenn er das an seinen Pferden unternimmt, was wir und fast alle Menschen an uns selbst tun? Nur die Art, wie er es tut, und die Mittel, welche er anwendet, sind verschieden.

Übrigens lebt der Mensch in einer beständigen Täuschung mit sich selbst und andern, nur dass die Nuancen, dem Grade und dem mehr Geistigen und Materiellen der Sache nach, verschieden sind.
Ein Lehrbuch des Pferdehandels ist jedoch nicht geeignet in eine philosophische Untersuchung über die Rosstäuscherkünste einzugehen, sondern sie nur ihrem Wesen und ihrer Wirkung nach bekannt zu machen und die mehr oder wenigere Redlichkeit dem Moralgesetze zu überlassen.

Nur sei es mir erlaubt, am Schlusse dieses Kapitels noch hinzuzufügen, dass man nicht eher über sie aburteilen, nicht eher über sie richten möchte, als bis man den Pferdebandel seiner ganzen Natur nach, das heißt, praktisch und in der Erfahrung kennen gelernt hat, wo man alsdann ganz gewiss schonender dabei zu Werke gehen wird, als wenn man das ganze Geschäft nur von der Studierstube oder von dem Katheder aus kennen gelernt hat, wie so viele Männer, die sich dem ungeachtet entscheidende Aussprüche darüber zu machen erlauben; und endlich, dass man unter die sogenannten Rosstäuscherkünste nicht eine Menge Unsinn, eine Menge abgeschmackter, alberner, der Natur des Pferdes und des Handels ganz entgegengesetzter Meinungen theoretischer Schriftarten über diesen Gegenstand verstehe und ihnen Glauben schenke, indessen man mit einer Menge anderer, die wirklich vorhanden und im Gebrauch sind, aber freilich bis jetzt noch in keinem Buche standen, betrogen wird.