Siebzehntes Kapitel. Der englische Balsam.

Siebzehntes Kapitel.

Der englische Balsam.


Schon war es stockfinstere Nacht, und die entlegene Vorstadt meines Aufenthalts schwach beleuchtet, als sich Herr Kienöhl aus seiner Anberge noch zu mir herausgegriffen hatte, und im Gefolge eines Engländers bei mir eintrat.

„Das ist ganz ein Handel auf englische Art“, sagte der Doktor, indem er ihnen die Stalltür öffnete.

„Der freilich“, fiel der Gentleman ein, „diesmal, wie ich wohl sehe, nicht ganz vorteilhaft für mich sein wird. Indes, er ist geschlossen, fuhr er fort, und hat wenigstens den Nutzen, dass ich Ihren Landsleuten die Wirkung unseres vortrefflichen Balsams zeigen kann, der bei Menschen und Vieh gleich wohltätig ist.“

„Dürfte ich mir von diesem mirablen Mittel nicht das Rezept ausbitten?“ sagte der Arzt.

„Der Erfinder und seine Familie hält es als ein Geheimnis; doch können Sie sich mehrere Büchsen, von welchen eine 1 Louisd'or kostet, von seinem Kommissionäre aus Hamburg kommen lassen, der mit dieser Medizin große Geschäfte macht.“

„Das muss ja ein steinreicher Mann sein, der zum Milionär werden würde, wenn er auch mein Blutreinigungspulver und meine adstringierenden Pillen in Kommission nähme.“

Aus diesem Gespräch ging also hervor, dass ich an den Engländern bei Nacht und Nebel unbesehens verkauft sei, und mich von meinem Blutreiniger, Herrn Kienöhl und Sultan trennen musste.

Immer zu, dachte ich. Das Leben ist ein Wechsel von jammervollen Ritten, elenden Kurirereien, von Hoffnungen, den Fürsten auf die Parforce–Jagd zu tragen und dann den Hofadvokaten in der einspännigen Chaise zu ziehen, als Soldatenpferd vom Feind, als Reisepferd von Hunden blessiert zu werden, und schlüsslich noch den Scholaren der Tierarzneischule als anatomisches Präparat bei ihren Vorlesungen zu dienen. Gehe es, wie es gehe, schlimmeres kann mir bei dem Gebrauch aller englischen Balsame doch nicht begegnen, als mir seit gestern und heute bevorstand, und um vieles getröstet hinkte ich hinter meinem Führer drein, der mich dem Pferdefütterer – N – übergab, zu welchem mich mein neuer Herr in die Kost verdungen hatte.

Mein Wärter war ein alter sorgsamer Mann, bei dessen Pflege ich mich vortrefflich befand. Nach der Vorschrift meines Herrn sollte er meine Wunden täglich dreimal mit dem englischen Balsam bestreichen. Indes, misstrauisch gegen das ausländische Arcanum, befeuchtete er sie öfters mit einem alten Hausmittel, mit dem bekannten blauen Wasser, gab mir Ruhe und nahrhaftes Futter, und in wenig Wochen hatte meine jugendliche Naturkraft auch das Gelenkband wieder vernarbt, das wirklich sehr bedeutend durch den Biss von Sultan verletzt worden war.

Mein Herr glaubte jedoch nicht anders als meine Heilung dem Erfinder von dem vortrefflichen englischen Balsam danken zu müssen, wozu ihn Patriotismus und Liebe zu …., die durch alle Länder leider gleich herrschend ist, ……, erzählte allen seinen Bekannten, wie nur durch seinen Balsam eine Wunde geheilt werden könnte, an welcher selbst die Professoren der Tierarzneischule alle ihre Geschicklichkeit und Mittel vergebens verschwendet hätten, und pries sie bei allen Schäden und Wunden aller Art gleich heilsam an. Neugierig und misstrauisch gegen das Institut der Tierarzneikunde gemacht, hörte man ihm zu. Himmel, wie tat es mir weh, der guten Sache durch Uneinigkeit so geschadet, das einfache, aber zweckmäßige Verfahren meines Wärters so unbekannt und endlich noch die elende Salbe so unverdient gerühmt zu sehen!