Fünfzehnets Kapitel. Die Tierarzneischule.

Fünfzehntes Kapitel.

Die Tierarzneischule.


Da war ich nun auf drei Beinen hopsend auf der ecole vétérinaire angekommen, dem Krankenwärter übergeben, und ohnweit des botanischen Gartens, in dem größtenteils nur Gemüse für den Herrn Apotheker der Schule gebaut wurde, in den Krankenstall gestellt.

Wie sich erwarten lässt, wurde ich hier, zwar etwas sehr umständlich, doch zweckmäßig behandelt, und hätte alle Aussichten gehabt, recht bald wieder geheilt zu sein, wenn nicht der Unfriede der beiden Herren Professoren meiner Herstellung so sehr nachteilig gewesen wäre; aber gerade ging es hier mit der Medizin, wie mit dem Kriege, bei welchem die beiden verbundenen Mächte nicht einig sind. Bei der Tapferkeit eines jeden einzelnen sieht man doch die kombinierte Armee immer im Rückzug; man freut sich über die verlorene Schlacht der einzelnen, indes der vereinigte Feldzug auf diese Art nichts wie mit Verlust bezeichnet wir; so auch hier. Starb in der Kur des einen ein Kranker, so jubelte der andere, indes dabei nur die ganze Anstalt und nicht nur diese, sondern die Wissenschaft im Allgemeinen verlor, die bei der Einigkeit dieser beiden an sich geschickten Männer so viel gewonnen haben würde.

„Aus diesem Patienten wird mit dieser Behandlung nichts“, sagte der eine Club von Scholaren, die sich in Anhäger des einen oder des andern Professors teilten.

„Wer wird aber auch Gelenkverletzungen mit kaltem Wasser behandeln, das so offenbar schwächend wirkt!“ betete diese Klerisel ihrem Oberhaupte nach. „Nun“, setzten andere politisch genug, bei allen diesen Fehden neutral zu bleiben, hinzu: „so erhalten wir wir bald wieder ein Kadaver, wo ich die Muskellehre“ – „und ich viel ein anderer ein, die Bänderlehre noch gründlicher daran studieren will.“

„Doch zuvor“, sagte ein Dritter, „werden erst Versuche gemacht, der Rotz eingeimpft und die Schenkelpulsadern zerschnitten und unterbunden; auch hat mir“, fuhr er fort, „der Professor *** erlaubt, dass ich bei dem ersten unheilbaren Kranken den Bauchstich vornehmen soll“ – „und mir“, fiel ein vierter ein, „hat der Professor * * * * schon längst versprochen, bei dem ersten Kranken, der nicht zu retten sein würde, das Trepanieren zu zeigen.“

Hilf Himmel! Dachte ich, und sah die ersten schon in meinen Muskeln und Bändern wühlen, indes die andern unter der Anleitung ihres Chefs mich zum Inbegriff alles Krankenstoffs machten, und dann noch alle Eingeweide aus ihren Höhlen nehmen – lieber wollte ich doch unter die Hände des Scharfrichters, der doch mit einem Stich tötet, als unter die gefühllose Brut dieser Scholaren gefallen sein, die mich am Ende noch lebendig schinden und in Öle sieden wird, um zu sehen, wie lange in dieser glühenden Masse die Reizbarkeit der entblößten Muskeln dauert.

Dass ich auch gerade diesem Professor übergeben werden musste, der noch wenig mit den Brownschen Elementargrundsätzen von der Wirkung der Kälte und Wärme bekannt zu sein scheint, fuhr ich in meiner eben nicht erfreulichen Betrachtung fort, und der Gegner von Brown trat mit einem Gefolge von Fahnschmieden und noch unexaminierten Tierärzten in den Stall.

„Es tut mit leid“, sagte er zu diesem meist beschürzsellten Chore wendend, „Es tut mir wirklich leid, dass künftige Woche dieses Tier nicht nach meiner Angabe mit kalten Umschlägen fortbehandelt wird, die hier, in so fern sie als die kräftigsten Reize wirken, die beste Wirkung zu der Heilung getan haben würden; aber ich sehe im voraus, dass man den Kranken nach den modischen, jedoch so unrichtigen ärztlichen Grundsätzen, die durchaus nicht immer in der Praxis anzuwenden sind, behandeln wird, bei welchen sich das Übel verschlimmern, vielleicht gar unheilbar bleiben wird.“

„Unheilbar bleiben wird?“ fiel das Chor ein.

„In diesem Fall erlauben wohl der Herr Professor“, erhob sich ein Stimme, „dass ich die Operation des Kaiserschnitts an dem Pferde machen dürfte“ „und ich“, bat ein anderer, „eine Brustverwundung, bei welcher die Lunge mit verletzt würde, in welcher ich sodann die Öffnung mit der blutigen Naht wieder schlösse, und sodann die Heilung der Natur überließe.“

Großer Gott! Was wird noch alles mit Dir vorgenommen werden, ehe dein besseres Ich, das keiner Operation unterworfen ist, dem höllischen Rudel dieser Schneid- und Verwund begierigen Scholaren entflieht! – und Herr Kienöhl trat ein, sich nach meinem Befinden zu erkundigen.

„Ist hier der Herr Professor * * * *?“ fragte er. „Schon suchte ich Ihn“, setzte er, sich zu einem Scholaren wendend, hinzu, „vergebens in der Apotheke, wo mich der Vorsteher versicherte, dass mein Brauner gewiss bald geheilt sein würde, wenn sich nur der Herr Professor der von ihm kürzlich erfundenen neuen Salbe dabei bediente, die noch keinen Schaden ungestillt gelassen hätte, und sich jedes Mal wirksam bezeigen müsste, da ihre Zusammensetzung nach den neuesten chemischen Entdeckungen bereitet sei.“

„Nur dass die lebende Materie kein Schmelztiegel ist“, fiel der hervortretende Professor ein, „in welcher sich nicht alles so auflösen und niederschlagen und am Ende verkalchen lässt, als wie in der Officin des Herrn Apothekers – und aufrichtig gesagt mein Herr, es ist mir am liebsten, wenn Sie die Heilung Ihres Braunen meinen Verordnungen ganz entziehen, da heute überdies meine Woche, in welcher ich die Kranken zu behandeln habe, zu Ende geht, und ich ihn so schwer genug in acht Tagen wieder übernehmen möchte, da er in dieser Zeit gerade nicht nach den geprüften ärztlichen Vorschriften behandelt wird, welche mein jetziges Verfahren ganz unwirksam machen, so dass ich wieder von vorne anfangen müsste, und das Übel vielleicht gar noch vermehrt worden ist.“

Kienöhlen war aller Mut zu sprechen benommen, und er stand noch immer, unentschlossen was er tun sollte, im Stalle, als der Professor mit seiner alles operieren wollenden Zunft längst verschwunden war.

„ich übernehme ihren Braunen ungern“, weckte ihn der zweite Professor, der schon eine Weile bei ihm stand und meine Verletzung betrachte hatte, aus seinem träumenden Zustand, „wirklich sehr ungern. Der Schaden ist durch die irrige Methode meines Herrn Kollegen schon so verschlimmert, dass ich nur Mühe haben werde, die nachteiligen Einbrücke zu verwischen, die dieses Verfahren hervorbrachte, ehe ich an die Heilung der Wunde selbst denken kann; und was hilft aller mein Fleiß? In acht Tagen, wo ich das Klinikum nicht mehr zu besorgen habe, wird es wieder so fehlerhaft zu behandeln sein wie jetzt.“

„Da ist es also am besten, das ich ihn ganz von der Schule nehme“, erwiderte entlich, einen Entschluss fassend, Herr Kienöhl, und machte Anstalten mich fortzubringen.