Giotto (1266-1337) Italienischer Maler

Geboren 1266 in Colle bei Florenz. Gestorben am 8. Januar 1337 zu Florenz

Schulden die Meister der Malerkunst der Natur dafür Dank, dass sie immer für diejenigen zum Vorbild dient, die das Gute aus ihren besten und schönsten Teilen auszuwählen wissen und sich unausgesetzt bemühen, sie nachzuahmen, so gebührt der selbe Dank, wie mir scheint, dem florentinischen Maler Giotto. Denn nachdem gute Malerei und Zeichnung durch die Verheerung der Kriege lange Jahre ganz zugrunde gegangen waren, war er es durch die Gnade des Himmels allein, der, obwohl unter noch ungeschickten Meistern geboren, die fast erstorbene Kunst wieder erweckte und so erhob, dass sie vorzüglich genannt werden konnte. In Wahrheit erscheint es als ein seltenes Wunder, wie jenes plumpe und ungeschickte Zeitalter in Giotto so viel hervorrufen konnte, dass die Zeichenkunst, von welcher die Menschen damals wenig oder gar keine Kenntnis hatten, durch ihn wieder ins Leben trat. Denn schon im Jahre 1266 wurde dieser große Mann in dem Dorfe Vespignano geboren, welches in der Umgegend von Florenz, vierzehn Meilen von der Stadt, gelegen ist. Sein Vater hieß Bondone, und war ein schlichter und einfacher Landmann, der seinen Sohn, mit Namen Giotto, nach seinem Vermögen in guten Sitten erzog. Von klein auf zeigte dieser in allem, was er tat, viele Lebhaftigkeit und einen ungewöhnlich treffenden Verstand, weshalb er nicht nur seinem Vater, sondern allen, die ihn kannten, im Dorfe sowohl, wie in der Umgegend, sehr lieb war. Als er zehn Jahre alt wurde, gab ihm Bondone einige Schafe zu hüten, die er auf seinem Grundbesitze da und dort weiden ließ, und weil ihn die Neigung seines Herzens zur Zeichenkunst trieb, vergnügte er sich dabei, auf Steine, Erde und Sand immer etwas nach der Natur, oder was ihm sonst in den Sinn kam, zu zeichnen. Da ging eines Tages Cimabue eines Geschäftes halber von Florenz nach Vespignano, und fand Giotto, der, während seine Schafe weideten, auf einer ebenen Steinplatte mit einem etwas zugespitzten Steine ein Schaf nach dem Leben zeichnete, was ihn niemand gelehrt, sondern was er nur von der Natur gelernt hatte, Cimabue blieb stehen, verwunderte sich sehr und fragte ihn, ob er mit ihm kommen und bei ihm bleiben wolle, worauf der Knabe antwortete: wenn sein Vater damit zufrieden sei, so würde er es gern tun. Cimabue verlangte ihn demnach von Rondone, und dieser willigte gern darein, dass er ihn mit sich nach Florenz führe, woselbst der Knabe, von Cimabue unterrichtet und von der Natur unterstützt, nach kurzer Zeit nicht nur die Manier seines Lehrers erlernte, sondern auch die Natur so treu nachahmte, dass er die plumpe griechische Methode ganz verbannte und die neue und richtigere Weise der Malerei hervorrief, indem er die Bahn brach, lebende Personen gut nach der Natur zu zeichnen, was mehr als zweihundert Jahre nicht geschehen war, oder wenn es auch, wie wir oben sagten, zuweilen von einigen versucht wurde, keinem so schnell und glücklich gelang, wie Giotto, der unter anderem in der Kapelle im Palaste des Podesta zu Florenz, woselbst man es noch heute sieht, ein Bildnis seines Zeitgenossen und sehr lieben Freundes, Dante Alighieri verfertigte, eines ebenso gefeierten Dichters, wie Giotto zu gleicher Zeit ein berühmter Maler war, weshalb auch Boccaccio ihn in der Einleitung zu der Novelle verherrlicht hat, die er von ihm und Herrn Forese da Rabatta erzählt. In der selben Kapelle ist, vom nämlichen Meister gearbeitet, das Bildnis des Ser Brunetto Latini, Lehrers des Dante, und des Herrn Corso Donati, eines wichtigen Mannes jener Zeit.


Seine ersten Arbeiten vollführte Giotto in der Kapelle des Hauptaltares der Badia von Florenz, in welcher er vieles arbeitete, was für schön galt, besonders eine Verkündigung Maria, wobei er den Schrecken und die Furcht der Jungfrau beim Erscheinen des Engels Gabriel aufs lebendigste darstellte, indem sie von Angst ergriffen beinahe fliehen zu wollen scheint. Von Giotto gemalt ist auch das Bild auf dem Hauptaltar jener Kapelle, welches noch heute dortsteht, mehr aus Ehrfurcht vor dem Werke eines solchen Mannes, als aus sonst einem Grunde. In Santa Croce sind vier Kapellen von ihm gemalt, drei zwischen der Sakristei und der großen Kapelle und eine auf der anderen Seite.

Als diese Arbeiten beendet waren, ging er nach Assisi, einer Stadt in Umbrien, wohin ihm Fra Giovanni von Muro in der Mark, damaliger General der Ordensbrüder des heil. Franziskus, berufen hatte, und malte dort in der oberen Kirche unter dem Korridor, welcher die Fenster durchkreuzt, auf beiden Seiten der Kirche zweiunddreißig historische Darstellungen aus dem Leben und den Werken des heil. Franziskus, sechzehn auf jeder Wand, und zwar mit solcher Vollkommenheit, dass er dadurch großen Ruhm erlangte; und in Wahrheit ist bei diesem Werke nicht nur eine große Mannigfaltigkeit in den Bewegungen jeder Figur, sondern auch in der Zusammenstellung aller Begebenheiten, während man außerdem sehr schön die Verschiedenheit der Kleidungen jener Zeit, und manche Nachahmungen und Abbildungen von Naturgegenständen sieht. Unter anderem zeichnet sich ein Bild aus, in welchem ein Durstiger, zur Erde gebeugt, mit großem, wirklich bewunderungswert deutlichem Verlangen aus einer Quelle trinkt, so dass er fast eine lebende Gestalt scheint.

Als die obengenannten Bilder vollendet waren, malte er an dem selben Orte in der unteren Kirche die oberen Wände zu Seiten des Hauptaltares und die vier Zwickel des Gewölbes, unter welchem der Leichnam des heil. Franziskus ruht, die er alle mit seltsamen und schönen Erfindungen zierte.

Endlich, nachdem er jene Bilder vollendet hatte, kehrte er nach Florenz zurück, woselbst er für Pisa einen heil. Franziskus auf dem furchtbaren Felsen der Vemia mit seltenem Fleiße ausführte; dabei malte er eine Landschaft mit vielen Bäumen und Felsen, was in jenen Zeiten etwas Neues war, und zeigte in der Stellung des heil. Franziskus, der auf die Knie niedergestürzt die Wundenmale empfängt, ein glühendes Verlangen, sie hinzunehmen und eine unendliche Liebe zu Jesus Christus, der von Seraphim umgeben in der Luft schwebt, und sie ihm so liebreich verwilligt, dass man es in der Tat nicht besser erfinden könnte. Unter diesem Bilde sind drei sehr schöne Darstellungen aus dem Leben des selben Heiligen. Dieses Gemälde, welches jetzt in S. Francesco zu Pisa an einem Pfeiler neben dem Hauptaltar hängt, wo man es als Andenken eines solchen Mannes sehr in Ehren hält, ward Veranlassung, dass die Pisaner Giotto einen Teil der inneren Wände des Campo Santo malen ließen, dessen Bau nach einer Zeichnung des Pisaners Giovanni, Sohn des Niccolo, wie oben gesagt wurde, eben vollendet war. Jenes Gebäude war außen ganz mit Marmor verkleidet und mit vielen Kosten durch erhabene Arbeiten geziert, hatte ein Dach von Blei, innen viele antike Fragmente und heidnische Grabmäler, die von verschiedenen Gegenden der Welt in jene Stadt gebracht waren, und sollte nun auch an den Wänden durch herrliche Malereien geschmückt werden. Als daher Giotto nach Pisa kam, malte er zu Anfang der einen Wand dieses Gottesackers in sechs großen Freskobildern die Leiden des Hiob. Und weil er mit richtigem Urteil beachtete, dass auf der Seite des Gebäudes, auf welcher er zu arbeiten hatte, der Marmor gegen das Meer gekehrt war, und durch die Südostwinde immer feucht sein musste, wodurch sich, was bei den Backsteinen zu Pisa meist der Fall ist, eine Art Salzfeuchtigkeit entwickelt, welche die Farben und Bilder verwischt und aufzehrt: ließ er, damit sein Werk sich so gut als möglich erhalten möchte, überall, wo er Fresko malen wollte, die Wand mit einer Verkleidung oder einem Bewurf von Kalk, Gips und Backsteinen, alles gut zerrieben und gemischt, versehen, so dass die Malereien sich bis auf diesen Tag erhalten haben und noch besser sein würden, wenn nicht die Unachtsamkeit derer, welche Sorge dafür tragen mussten, sie von der Nässe hätte beschädigen lassen. Da man hierfür nichts vorgesehen hatte, wie man doch leicht hätte tun können, so sind einige Stellen der Malereien von der Feuchtigkeit verdorben, die Gesichtsfarben schwarz geworden, und der Kalk abgeblättert, während Gips mit Kalk gemischt ohnehin mit der Zeit verwittert und verdirbt, so dass er dann mit Gewalt die Farben verwüstet, wenngleich es anfangs scheint, als ob er sie sehr fest verbinde. In diesen Bildern sieht man außer dem Bildnis des Farinata degli Uberti viele schöne Gestalten, vornehmlich Landleute, welche dem Hiob die traurige Kunde bringen, und die nicht deutlicher und besser den Kummer zeigen könnten, den sie über die verlorenen Herden und andere Unfälle empfinden. Ebenso ist von wunderbarer Anmut die Figur eines Dieners, der mit einem Fächer neben dem wundenkranken und von allen verlassenen Hiob steht. Denn gleichwie er in allen Teilen schön ist, ist auch die Stellung bewunderungswert, in der er mit der einen Hand von dem aussätzigen und übelriechenden Herrn die Fliegen scheucht, und mit der anderen sich vorsichtig die Nase zuhält, um den Gestank nicht zu riechen. Auch die anderen Gestalten jener Bilder, die männlichen Köpfe sowohl, wie die weiblichen, sind sehr schön, und die Gewänder ungemein zart gemalt. Deshalb darf es nicht in Verwunderung setzen, dass dieses Werk ihm in jener Stadt und an anderen Orten einen sehr großen Namen machte, wodurch Papst Benediktus IX. von Treviso, der einiges in St. Peter wollte malen lassen, veranlasst ward, einen seiner Hofleute nach Toskana zu schicken, der sehen sollte, was für ein Mann Giotto sei und wie seine Arbeiten wären. Als dieser Hofmann Giotto kennen lernen und hören wollte, welch' andere Meister noch zu Florenz in der Malerei und im Mosaik vorzüglich wären, sprach er zu Siena mit vielen Künstlern, und ging, nachdem er Zeichnungen von ihnen erhalten hatte, nach Florenz. Dort trat er eines Morgens in die Werkstatt Giottos, welcher eben an der Arbeit saß, und eröffnete ihm den Willen des Papstes, sagte, in welcher Weise derselbe sich seiner Kunst bedienen wolle, und bat endlich, ihm etwas zu zeichnen, was er Seiner Heiligkeit schicken könne. Giotto, der sehr höflich war, nahm ein Blatt und einen Pinsel mit roter Farbe, legte den Arm fest in die Seite, damit er ihm als Zirkel diene, und zog, indem er nur die Hand bewegte, einen Kreis so scharf und genau, dass es in Erstaunen setzen musste, verbeugte sich gegen den Hofmann und sagte: „Da habt Ihr die Zeichnung.“ — Sehr erschreckt fragte dieser: ,,Soll ich keine andere, als diese bekommen?“ — ,,Es ist genug und nur zuviel“, antwortete Giotto, „schickt sie mit den übrigen hin, und ihr sollt sehen, ob sie erkannt wird.“ — Der Abgesandte, welcher wohl sah, dass er sonst nichts erhalten könne, ging sehr missvergnügt fort und zweifelte nicht, dass er gefoppt sei, dennoch aber, als er dem Papste die Zeichnungen und die Namen derer sandte, welche sie verfertigt hatten, schickte er auch die von Giotto, und erzählte, in welcher Weise er den Kreis gezogen hatte, ohne den Arm zu bewegen und ohne Zirkel; hieran erkannten der Papst und viele sachkundige Hofleute, wie weit Giotto die Maler seiner Zeit übertraf. Als diese Sache bekannt wurde, entstand das Sprichwort: „Du bist runder, als das O des Giotto, welches noch heute auf Menschen von grobem Schrote angewandt wird, und nicht nur der Begebenheit wegen schön ist, der es seine Entstehung verdankt, sondern noch mehr um seiner Bedeutung willen, die im Doppelsinne des Wortes tondo liegt, welches im Toskanischen einen genauen Kreis bezeichnet, und zugleich für Langsamkeit und Plumpheit des Geistes gebraucht wird. Der oben genannte Papst also ließ Giotto nach Rom kommen, erzeigte ihm viele Ehre, und ließ ihn, weil er seine Geschicklichkeit anerkannte, in der Tribune von St. Peter fünf Darstellungen aus dem Leben Christi und das Hauptbild in der Sakristei malen, was Giotto alles mit solchem Fleiß ausführte, dass nie eine besser vollendete Temperamalerei aus seinen Händen kam; auch gab ihm der Papst, der sich wohl bedient sah, zur Belohnung sechshundert Dukaten und erwies ihm so viele Gunstbezeugungen, dass in ganz Italien davon die Rede war. Giotto war nun nach Florenz zurückgekommen, da schrieb Robert, König von Neapel, an König Karl von Calabrien, seinen Erstgeborenen, der sich zu Florenz aufhielt, er solle ihm um jeden Preis Giotto nach Neapel schicken, er habe den Bau des Nonnenklosters und der Kirche Sta Chiara beendet, und wolle nun, dass jener sie mit schönen Malereien verziere. Giotto, der sich von einem so berühmten und gepriesenen Könige berufen sah, begab sich gern in seine Dienste, und dort angelangt, malte er in einigen Kapellen jenes Klosters viele Darstellungen aus dem Alten und dem Neuen Testament. Die Bilder aus der Offenbarung Johannis, welche er in einer jener Kapellen ausführte, waren, wie man sagt, Erfindungen von Dante, was auch bei seinen berühmten Malereien in Assisi der Fall war, von denen wir oben genugsam geredet haben; und obschon Dante zu jener Zeit nicht mehr lebte, ist doch leicht möglich, dass sie davon gesprochen haben, wie dieses häufig unter Freunden geschieht. Doch wir wollen nach Neapel zurückkehren, woselbst Giotto im Kastell dell' Uovo und vornehmlich in der Kapelle vieles malte, was dem Könige gar wohl gefiel, der ihn sehr liebte und oft, wenn Giotto malte, sich mit ihm unterhielt, indem es ihm Freude machte, jenen arbeiten zu sehen und seiner Rede zuzuhören. Giotto, der immer ein Sprichwort oder eine treffliche Antwort in Bereitschaft hatte, verschaffte ihm doppelte Unterhaltung, indem er mit der Hand malte und zugleich anmutige Gespräche führte. — „Ich will dich zum ersten Manne in Neapel machen“, sagte Robert einst zu ihm, worauf Giotto antwortete: „Um der erste in Neapel zu sein, wohne ich an der Porta reale.“ Ein andermal sagte der König: „Wäre ich du, ich würde jetzt nicht arbeiten, da es so heiß ist.“ — „Ich gewiss nicht“, entgegnete Giotto, „wenn ich Ihr wäre.“ — Da nun Giotto dem Könige sehr lieb war, ließ er ihn in einem Saale (den König Alfons der Erste zerstörte, um das Kastell zu bauen), und in der Incoronata eine große Menge Malereien verfertigen. Unter anderem sah man auch dort die Bilder vieler berühmter Männer, und darunter das eigene Bildnis Giottos. Einst verlangte der König im Scherze, er solle ihm sein Königreich in einem Gemälde darstellen, worauf Giotto, wie man sagt, einen Esel malte, der einen Sattel aufliegen hatte, und zu dessen Füßen, ein anderer Sattel lag, den er beschnupperte und sich zu wünschen schien, auf beiden Saumzeugen aber waren Krone und Zepter. ,,Deute mir dieses“, sagte der König. — „So ist deinVolk“, antwortete Giotto, ,,sie wünschen alle Tage einen anderen Herrscher.“ Nachdem Giotto diese und viele andere Arbeiten in Neapel, Rom, Florenz und an anderen Orten vollendet hatte, begann er am 9. Juli 1334 zu Florenz den Bau des Glockenturmes von Santa Maria del Fiore, bei dessen Grundlegung 20 Ellen tief gegraben, und an der Stelle, an welcher man Wasser ausgeschöpft und Kies ausgegraben hatte, ein Fundament von massiven Steinen gelegt wurde. Über dieses kam zwölf Ellen hoch ein starkes Gusswerk, und in der noch übrigen Höhe von acht Ellen ließ er ein gemauertes Werk aufführen. Als der Anfang zu diesem Fundament gemacht ward, kam, mit der ganzen Klerisei und mit dem Magistrate, der Bischof der Stadt und legte feierlich den Grundstein. Man setzte den Bau nach dem genannten Modelle fort, welches in dem damals gewöhnlichen deutschen Geschmacke war, und Giotto zeichnete alle historischen Darstellungen, die zu der Verzierung gehörten, wobei er sorgfältig mit weißer, schwarzer und roter Farbe an dem Modelle alle Stellen bezeichnete, wohin Steine und Friese kommen sollten. Der untere Umfang des Turmes ist hundert Ellen, das heißt fünfundzwanzig auf jeder Seite, die H?he beträgt hundertundvierundvierzig Ellen, und wenn, wie ich gewiss glaube, Lorenzo di Cione Ghiberti richtig sagt, so verfertigte Giotto nicht nur das Modell zu jenem Turme, sondern auch unter den Bildwerken und Reliefs einen Teil jener Darstellungen, welche die Anfänge aller Künste zeigen. Der genannte Lorenzo versichert, Modelle von Giotto zu erhobenen Arbeiten gesehen zu haben, und namentlich die, welche zu dem genannten Werke gehörten, was man leicht glauben kann, indem die Zeichenkunst die Erfinderin, und Vater und Mutter nicht nur von einer, sondern von allen jenen Künsten ist.

Nach dem Modelle Giottos sollte dieser Turm noch eine vierzig Ellen hohe Spitze oder Pyramide erhalten; weil dies aber nach dem veralteten deutschen Geschmacke war, haben die neueren Baumeister immer geraten, sie wegzulassen; es schien ihnen, der Turm sei ohne dieselbe schöner. Für alle diese Dinge ward Giotto nicht nur zum Bürger von Florenz ernannt, sondern erhielt auch von der Gemeinde zu Florenz jährlich hundert Goldgulden Besoldung, was für jene Zeit etwas Großes war. Jener Bau, über welchen er die Aufsicht führte, wurde nach ihm von Taddeo Gaddi fortgesetzt, indem Giotto nicht lange genug lebte, um ihn beendet zu sehen. — Auch in Mailand verfertigte er noch einige Malereien, die in jener Stadt verstreut sind, wo sie bis auf den heutigen Tag sehr hochgeschätzt werden, und kurze Zeit, nachdem er von dort zurückgekehrt war, das heißt im Jahre 1336, starb er nach Vollführung seiner vielen Meisterwerke, zum wahren Kummer seiner Mitbürger und aller, die ihn kannten, ja, die ihn nur hatten nennen hören, denn er war nicht nur ein ausgezeichneter Maler, sondern auch ein nicht minder guter Christ gewesen. Nach Verdienst wurde er im Tode durch ein feierliches Leichenbegängnis geehrt, wie er im Leben von jedermann geliebt gewesen war, und dieses vornehmlich von ausgezeichneten Menschen jedes Standes, unter denen außer Dante, von dem wir oben geredet haben, noch Petrarca zu nennen ist, der Giotto und seine Kunst hoch verehrte, denn in dem Testament, welches dieser Dichter für den Herrn Francesco da Carrara, Herrn von Padua, hinterließ, findet man unter anderen Dingen, die er wert hielt, ein Muttergottesbild von Giotto, als etwas sehr Seltenes und ihm sehr Liebes verzeichnet.

Giotto wurde in Santa Maria del Fiore begraben, woselbst auf der linken Seite, wenn man in die Kirche tritt, ein weißer Marmorstein zum Gedächtnisse dieses großen Mannes gesetzt ist. Der in der Lebensbeschreibung Cimabues schon angeführte Kommentator Dantes, der zur Zeit Giottos lebte, sagt: Giotto war und ist der erste unter den Malern der Stadt Florenz, dieses bezeugen seine Arbeiten in Rom, Neapel, Avignon, Florenz, Padua und an vielen anderen Orten der Welt. Giotto war, wie wir schon oben sagten, sehr fröhlich und führte gern witzige und scharfe Reden, die in Florenz in lebhaftem Andenken stehen; deshalb schrieb nicht nur Hr. Giovanni Boccaccio darüber, sondern auch Franco Sachetti erzählt in seinen dreihundert Novellen viel Unterhaltendes von diesem Künstler, und ich will einige dieser Novellen mit den eigenen Worten Francos hier beifügen, damit man samt dem Inhalte der Novelle auch die Redeweise jener Zeit erkennen möge. Er sagt demnach in einer, um auch die Überschrift mit anzuführen: „Giotto dem großen Maler wird von einem sehr unbedeutenden Manne ein Schild gebracht, um ihn zu malen, er treibt Scherz, malt ihn nach Vorschrift, doch so, dass jener in Verwirrung gerät.“

Novelle 63. Ein jeder weiß wohl, wer Giotto gewesen ist, und wie er ein vorzüglich großer Maler war. Ein alberner Mensch hörte, wie berühmt er sei, und da er sich einen Schild wollte malen lassen, vielleicht um auf eine Burgvogtei zu gehen, begab er sich ohne weiteres in die Werkstatt Giottos; jemand, der ihm den Schild trug, folgte nach, und bei dem Künstler angelangt, sprach er also: „Gott grüße dich, Meister, ich wünsche, dass du mir auf diesen meinen Schild mein Wappen malst.“ Giotto betrachtete den Mann und erstaunte über sein Benehmen, erwiderte aber dennoch: „Bis wann begehrst du ihn fertig?“ — Jener bestimmte die Zeit, und der Maler sagte: „Lass mich nur machen“, worauf der andere fortging. Als Giotto allein war, dachte er: was mag dies bedeuten, hat mir jemand diesen Mann zum Scherz gesandt? Sei es, wie ihm wolle, niemand hat mir noch einen Schild zum Malen gegeben, und dieser einfältige Wicht bringt ihn mir, und verlangt, ich soll ihm sein Wappen malen, als ob er der König von Frankreich wäre; sicherlich muss ich ihm ein neues Wappen ersinnen. Also sprach er zu sich selbst, nahm den gedachten Schild vor sich, zeichnete darauf, was ihm gut schien, und trug einem seiner Schüler auf, die Malerei zu vollenden. Das Bild bestand aus einer Blechhaube, einem Ringkragen, ein Paar Armschienen, ein Paar eisernen Handschuhen, einem Kürass, Schenkelharnischen und Beinschienen, einem Schwert, einem Dolch und einer Lanze. Als nun der kluge Mann kam, von dem man nicht wusste, wer er sei, trat er herzu und sprach: „Meister, ist der Schild gemalt?“ — ,,Sicherlich“, antwortete Giotto, „gebt ihn her.“ Der Schild ward gebracht, der weise Mann betrachtete ihn und rief: „O, welch' eine Sudelei ist dieses, was hast du mir gemalt?“ — „Ei“, entgegnete Giotto, „du nennst es wohl eine Sudelei um des Bezahlens willen?“ — ,,Nicht vier Kreuzer gebe ich dafür,“ antwortete der andere. — ,,Und was sagtest du mir, was ich malen sollte?“ fragte Giotto. — „Mein Wappen“, antwortete jener. — „Nun wohl“, erwiderte Giotto, „bist du nicht hier gewappnet, fehlt ein einziges Stück?“ — „Schon gut!“ sprach der andere.— „Im Gegenteil“, rief Giotto, „schlimm ist's, der Himmel stehe dir bei, du musst ein arger Dummkopf sein; wenn jemand dich fragte, wer du seiest, würdest du es kaum zu sagen wissen, und kommst nun hierher und sprichst: „Male mir mein Wappen!“ — Wenn du von den Bardi stammtest, wäre dies genug. Was für ein Wappen führst du, von wannen stammst du, wer sind deine Voreltern? In Wahrheit schämst du dich nicht, du bist erst auf die Welt gekommen, und sprichst von Wappen, als ob du Dusnan von Bayern wärst. Ich habe eine ganze Rüstung auf deinen Schild gemalt; wenn ein Wappenstück fehlt, so sprich, und ich will es hinzufügen lassen.“— „Du sagst mir Grobheiten“, antwortete jener, „und hast mir einen Schild verdorben!“ — ging fort und begab sich zur Obrigkeit, Giotto vorfordern zu lassen, der erschien, seinerseits aber den Kläger vorlud und zwei Gulden für die Malerei verlangte, während jener von ihm Schadenersatz forderte. Als die Beamten die Klage hörten, welche Giotti ihnen um vieles besser vorzutragen wusste, taten sie den Ausspruch, jener müsse den Schild nehmen und an Giotto sechs Lire zahlen, das Recht sei auf Seiten des Künstlers, und so musste der andere sich fügen und ward entlassen, indem ihm gemessen wurde, wie er sich gemessen hatte.

Man sagt auch, Giotto habe zur Zeit, in welcher er noch als Knabe bei Cimabue war, einer Figur seines Meisters eine Fliege so natürlich auf die Nase gemalt, dass Cimabue, als er sich bei seiner Rückkehr an die Arbeit setzte, sie als eine wirkliche Fliege mehrmals mit der Hand fortscheuchen wollte, ehe er des Irrtums inne ward. In dieser Art könnte ich noch manchen Scherz und manche witzige Antwort Giottos mitteilen, doch mögen hier diese beiden genügen, als solche, die in das Gebiet der Kunst gehören; das übrige lasse ich Franco und andere erzählen.

Giotto blieb nicht nur durch die Werke seiner Hände in lebhaftem Andenken, sondern auch durch die Werke der Schriftsteller jener Zeit, weil er es war, der die wahre Art zu malen wiedergefunden hatte, welche lange Jahre verloren gewesen war. Weshalb durch öffentliches Dekret und Verwendung des glorreichen Lorenzo des Älteren von Medici, der mit besonderer Zuneigung die Kunst dieses großen Mannes verehrte, sein Bild in Santa Maria del Fiore aufgestellt ward. Dasselbe war von dem vortrefflichen Bildhauer Benedetto da Majano in Marmor gearbeitet, und mit einer Inschrift von dem herrlichen Angelo Poliziano versehen, um allen, die sich in irgendeinem Fache auszeichnen, Hoffnung zu geben, dass sie bei anderen Anerkennung finden werden, wie sie Giotto von Lorenzos Güte reichlich verdiente und empfing.

Giotto. Fresko von Benozzo Gozzoli in S. Francesco zu Montefalco