Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance

Nach Dokumenten und mündlichen Berichten dargestellt von Georgio Vasari. Herausgegeben von Ernst Jaffé. Mit sechzehn Bildnissen in Tonätzung.
Autor: Vasari Giorgio (1511-1574) italienischer Architekt, Hofmaler, Biograph und Kunsthistoriker. Erfinder des Ausdruck: Renaissance (1550), Erscheinungsjahr: 1910
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Vasari Giorgio, Lebensbeschreibungen, italienische Maler, Bildhauer, Architekten, Kunstwerke, Mittelalter, Kirchengeschichte, Kirchenbau, Kunstdenkmäler
Cimabue, Giovanni (1240-1302) italienischer Maler

Geboren um 1240 in Florenz.
Gestorben nach 1302 daselbst.


Durch die endlosen Verheerungen, welche im Mittelalter das unglückliche Italien zugrunde gerichtet hatten, waren nicht nur alle Kunstdenkmäler zerstört, sondern, was noch schlimmer war, es gab auch gar keine Künstler. Da ward im Jahre 1240, in der edlen Familie der Cimabue, Giovanni Cimabue geboren, der nach dem Willen Gottes das erste Licht in der Kunst der Malerei wiedererwecken sollte. Giovanni schien einen richtigen und klaren Verstand zu haben, deshalb sollte er die Wissenschaften erlernen und wurde, als er mehr heranwuchs, von seinem Vater nach Santa Maria Novella zu einem Verwandten geschickt, welcher in jenem Kloster die Grammatik lehrte. Indes, anstatt sich in den Wissenschaften zu üben, brachte Cimabue ganzen Tag damit hin, auf Bücher und Blätter Menschen, Pferde, Häuser und allerlei Phantasien zu zeichnen, und diesen Trieb seines Herzens begünstigte das Glück. Die damaligen Befehlshaber der Stadt beriefen nämlich einige griechische Maler nach Florenz, welche die verlorene Kunst wieder herstellen sollten, und diese malten unter anderem auch die Capella de' Gondi, die in Santa Maria Novella neben der Hauptkapelle gelegen ist und deren Gewölbe und Wände nun fast ganz von der Zeit zerstört sind. Nachdem Cimabue den ersten Anfang in der Kunst gemacht hatte, wuchs seine Lust immer mehr; er entlief oft der Schule und sah den ganzen Tag diesen Malern zu, weshalb sie und sein Vater endlich meinten, er sei zur Malerei geschickt, und man könne, wenn er sich ihr widme, ein ehrenvoll Gelingen hoffen. Daher ward er zu seiner großen Freude zu diesen Künstlern in die Lehre gegeben und brachte es, durch unablässige Übung und sein Talent unterstützt, bald dahin, dass er in Zeichnung und Farbe seine Lehrmeister weit übertraf, die nicht nach der schönen antiken griechischen Manier, sondern wie man dies noch heute an ihren Werken sieht, in der groben und harten Weise jener Zeit malten, ohne dass sie ein Streben gefühlt hätten, zu lernen und weiter zu schreiten. Cimabue amte zwar seine Lehrmeister nach, vervollkommnete aber die Kunst, indem er ihr einen großen Teil jener rohen Manier benahm, so dass sein Name und seine Werke seinem Vaterlande Ehre brachten. Hiervon zeugen viele Bilder, die er in Florenz malte, wie das Gemälde an der Vorderseite des Altars in Santa Cecilia und ein Bild der Mutter Gottes in Santa Croce, welches noch heute an einem Pfeiler rechter Hand nahe bei dem Chore zu sehen ist. Hierauf malte er auf Goldgrund einen heil. Franziskus, so gut er es konnte nach der Natur, was in jenen Zeiten etwas Neues war und ringsumher Geschichten aus seinem Leben in zwanzig Bilderchen voll kleiner Figuren auf Goldgrund. Durch diese und andere Arbeiten wurde der Name des Cimabue immer berühmter, und man berief ihn nach Assisi, einer Stadt in Umbrien, wo er in Gesellschaft einiger griechischer Maler in der unteren Kirche des heil. Franziskus einen Teil des Gewölbes malte und auf den Wänden die Geschichte Christi und des heil. Franziskus, bei welcher Arbeit er jene griechischen Maler weit übertraf. Dadurch stieg ihm der Mut; er fing an, die obere Kirche allein in Fresko zu malen und stellte in der Haupttribune, über dem Chore, in vier Feldern einiges aus der Geschichte der Mutter Gottes dar, nämlich ihren Tod, dann wie Christus ihre Seele auf einem Thron von Wolken zum Himmel trägt und endlich wie er sie inmitten einer Schar von Engeln krönt, wobei zu ihren Füßen eine Menge von Heiligen stehen, die jetzt von der Zeit und vom Staube fast ganz verdorben sind. Auch in den fünf Kreuzgewölben derselben Kirche malte er viele Geschichten.

Als das Gewölbe vollendet war, zierte er auf der linken Seite der Kirche den ganzen oberen Teil der Wände in Fresko aus. Dieses große, in Wahrheit reiche und schön ausgeführte Werk muss meines Erachtens die Welt in Erstaunen gesetzt haben, zu jener Zeit, in welcher die Kunst so lange in Blindheit gelegen hatte; mir, der ich es im Jahre 1563 sah, schien es außerordentlich schön, zumal da ich bedachte, was es heißt, dass Cimabue in solcher Finsternis solches Licht sah.

Nach Florenz zurückgekehrt, malte Cimabue im Klostergang von Santo Spirito, woselbst von anderen Meistern die ganze Seite nach der Kirche zu auf griechische Weise verziert ist, drei Bogen, Begebenheiten aus der Geschichte Christi, unstreitig mit sehr schöner Zeichnung. Darauf machte Cimabue für die Kirche Santa Maria Novella das Bild der Mutter Gottes, welches zwischen der Kapelle Ruccellai und der de' Bardi da Vernio in der Höhe angebracht ist. Dies Werk ist in größerem Maßstabe, als bis zu jener Zeit irgendeine Figur ausgeführt worden war und einige Engel, welche die Madonna umgeben, zeigen, wie er zwar noch in griechischer Manier arbeitete, sich in Umrissen und Methode doch etwas den neueren näherte. Man hatte bis dahin nichts besseres gesehen und es erweckte daher dies Gemälde solche Bewunderung, dass es mit vieler Pracht und Trompeten in feierlicher Prozession vom Hause des Cimabue nach der Kirche getragen und er dafür höchlich belohnt und geehrt wurde. Auch erzählte man und liest in einigen Nachrichten von alten Malern, dass, während Cimabue in einem Garten bei dem Tore von St. Peter dieses Bild malte, der König Karl der Ältere von Anjou durch Florenz kam und die Herren der Stadt, die ihm viel Höflichkeit erzeigten, unter anderem ihn auch das Gemälde des Cimabue in Augenschein nehmen ließen. Niemand hatte es noch bis dahin gesehen; als es daher dem König gezeigt wurde, eilten alle Damen und Herren von Florenz in größtem Putz und Gedränge dorthin, was den Nachbarn soviel Vergnügen brachte, dass sie jene Vorstadt Borgo allegri, das ist: die fröhliche Vorstadt, nannten, welchen Namen sie auch dann noch behielt, als sie später mit zum Bezirke der Stadt genommen wurde.

Da nun alle diese Werke Cimabue zu seinem großen Nutzen einen berühmten Namen gemacht hatten, ward er zugleich mit Arnolfo Lapi, welcher damals in der Baukunst sehr berühmt war, zum Baumeister von Santa Maria del Fiore in Florenz ernannt. Endlich aber, als er sechzig Jahre alt geworden war, ging er im Jahre 1300 zu einem anderen Leben hinüber, nachdem er die Kunst, fast kann man sagen, vom Tode erweckt hatte. Er hinterließ viele Schüler, unter anderen Giotto, der später ein vortrefflicher Maler wurde und der nach dem Tode des Cimabue in dem Hause seines Meisters in der Via del Cocomero wohnte.