Walter Tracey, St.

Die Thaten dieses Mannes haben weder ein besonderes Interesse, noch eine besondere Wichtigkeit, allein sein Leben beweiset, wie jenes von Cunningham, wie sehr die Vortheile einer guten Erziehung unterdrückt werden können und wie wenig gute Beispiele vermögen, wenn die Naturanlagen nicht dazu beitragen, dem Charakter Festigkeit zu geben und Ehrgefühl und Arbeitslust in dem Gemüthe des Menschen zu erwecken. Tracey verrieth nichts von der Grausamkeit, welche den Leser bei der Erzählung von Cunninghams Thaten zurück stößt, er hatte vielmehr eine gefällige, offene und edelmüthige Denkart. Dies waren die Züge seines Charakters, welche ihn zu seinem Verderben verleiteten und ihn zuerst von dem Pfade der Tugend entfernten.

Tracey erbte ein Gut von jährlich neunhundert Pfund Einkünften (5400 Thaler) in der Grafschaft Norfolk. Sein Vater war selbst ein Mann von einer vortrefflichen Erziehung und eine solche gab er auch seinem Sohne. Da er wünschte, daß er Theologie studieren möchte, so schickte er ihn auf die Universität, wo er eine Zeit lang die Sorgfalt seiner Eltern durch ununterbrochenen Fleiß und stete Aufmerksamkeit auf seine Wissenschaft belohnte. Die Ausschweifungen und Zerstreuungen, durch welche die englischen Universitäten schon längst im übeln Rufe gestand den haben und noch stehen, verminderten jedoch seinen Fleiß. Bei seiner edelherzigen Denkart, die ohne Argwohn war, ließ er sich leicht verführen und er wurde bald zu Ausgaben verleite die seine Einkünfte weit überstiegen. Der Weg zum Laster ist leicht und anlockend, so wie man auf demselben weiter geht, allein er ist hinter sich verschlossen und läßt nichts als Reue und B etrübnis zurück. Tracey hatte diesem tauschenden Pfad betreten, und ober schon den Wunsch hegte, wieder umzukehren, so fehlte es ihm doch an Stärke dazu. Er und seine Gefährten hintergingen ihre Eltern eine Zeit lang durch mancherlei Kunstgriffe, endlich aber bekamen sie durchaus keine Geldunterstützung mehr. Sie nahmen ihre Zuflucht zum Straßenrauben und da sie entdeckt wurden, so verwies man sie von der Universität und sie waren genöthigt, ihr Glück zu suchen, wo sie der Zufall hinführe.


Tracey reisete hinunter in die Grafschaft Cheshire und vermiethete sich als Knecht bei einem reichen Viehmäster. Das Landleben gefiel ihm bald und er söhnte sich mit seinem niedrigen Stande aus und da er ein gutes Aussehen hatte, und ein sehr einnehmendes und bezauberndes Betragen besaß, so wurde seine Freundschaft von jedermann gesucht. Er hatte es in der Musik und im Singen weit gebracht und oft versammelten sich nach der Tagesarbeit die Dorfbewohner an seines Herrn Thür und tanzten nach dem Spiel seiner Violine. Die Landmädchen wetteiferten mit einander an Aufmerksamkeit gegen ihn und er überließ sich ohne allen Zwang seinen verliebten Neigungen. Er konnte sich jedoch nicht enthalten, eine tugendhafte Flamme zu empfinden, wo so viele unschuldige und anziehende Gegenstände sie ihm einzustoßen suchten. Die Tochter des Viehmästers war der Gegenstand seiner Wahl und Tracey hatte seines Herrn Gunst so sehr gewonnen, daß ihre Verbindung bewilligt und mit jeder Art von Zufriedenheit gefeiert wurde.

Mit seiner Frau erhielt er einen Theil des Eigenthum des Viehmästers und einen schätzbaren Viehstand. Eine beträchtliche Zeit lang besorgte er seine Wirtschaft mitgroßer Geschicklichkeit und großem Fleiße, bis der Wunsch, zu einer Gesellschaft zurück zu kehren, welche seiner Geburt, seiner Erziehung und seinen frühern Gewohnheiten entspreche, ihm das Land zuwider machte und ihm einen Ekel gegen ländliche Beschäftigungen einflößte. Er brachte es bei seiner Frau und seinem Schwiegervater dahin, alle ihr Hab und Gut zu verkaufen und sich nach London zu begeben, wo er eine einträgliche Stelle zu finden und das Vergnügen und die Herrlichkeiten zu genießen hoffte, die diese Stadt nach seiner Schilderung gewähre. Es ist kein geringer Beweis seines Einflusses auf die Entschlüsse und Handlungen Anderer, daß er einen Landpächter dahin zu bringen vermochte, seine gewohnte Lebensart aufzugeben und einem abenteuerlichen Schwiegersohne auf einen Schauplatz zu folgen, der ihm gänzlich unbekannt war.

Nachdem sie ihren gesammten Viehstand und ihr Hab und Gut verkauft hatten, machten sie sich nach London über Trentum in Staffordshire auf den Weg, wo sie einen oder zwei Tage bleiben wollten. In dem Hause, wo sie einkehrten, traf Tracey Einige seiner ehemaligen Schulkameraden mit denen er die Zeit angenehm zubrachte. Dies bestärkte ihn in seinem Wunsche, zu seiner vorigen liederlichen Lebensart zurück zu kehren und er scheint augenblicklich seinen gewöhnlichen Edelmuth und seine zunehmende Rechtschaffenheit verloren zu haben. Den nächsten Morgen stand er frühzeitig auf, nahm seines Schwiegervaters Taschenbuch, sowie alles von Werth, was er fand, setzte sich auf sein Pferd, als ob er einen Morgenritt machen wolle, und verließ eine schwangere Frau neben einem schwächlichen zu Grunde gerichteten Vater, statt sie zu beschützen. So sind die schönen Hoffnungen in einen. Augenblicke vereitelt, welche der Leser vielleicht von ihm gefaßt hatte und sein künftiges Leben dient bloß zur Bestätigung der Verachtung, die jedes tugendhafte Gemüth nach einer solchen schändlichen That hegen ihn fühlen muß. Alle Mühe, seinen Aufenthalt zu entdecken, war vergebens und seine Frau und sein Schwiegervater hörten nie wieder ein Wort von ihm, bis er seine Verbrechen durch einen schimpflichen Tod büßte.

Tracey reisete nach Coventry, wo er in einer Schenke abstieg, in der er eine ungewöhnliche Stille bemerkte. Er ging ins Haus, und da er im obern Zimmer einen Zank vernahm, so trieb ihn seine Neugierde, den Tönen nachzufolgen; er trat plötzlich hinein und überraschte die Thäter bei ihrem Streite. DerWirth war ein alter Mann und hatte ein junges Frauenzimmer geheirathet, das keine Achtung gegen ihn hatte, aber viel Liebe zu seinem Gelde empfand; er entdeckte ihren Mangel an Liebe und stellte sich tod, um ihre Heuchelei außer allen Zweifel zusetzen. Seine Frau wickelte den Leichnam mit Hülfe eines alten Weibes in ein Betttuch, ohne daß ihr eine Thräne oder ein Seufzer der Betrübniß dabei entwischte. Sie hatte einen Liebhaber; kaum erfuhr dieser den Tod des alten Weinschenken, so eilte er herbei, um seine Geliebte zu trösten; bald vergaßen sie den Tod des Mannes und be schäftigten sich ämsig damit, wie und wann sie einander heirathen wollten und waren gerade überein gekommen, daß er unterdessen jedes Vorrecht eines Ehemannes genießen sollte, als sich der wüthende Wirth nicht länger halten konnte, sich aus seinem Betttuche los machte und seine Frau ein elendes und undankbares Geschöpf schalt. Der Streit wurde immer hitziger und in diesem entscheidenden Augenblicke trat Tracey ins Zimmer. Man wandte sich an ihn und er war in seiner Entscheidung kurz und nachdrücklich. Geld, sagte er, ist die Ursache dieser Verwirrung gewesen und damit ihr in Zukunft freundlich und ruhig lebt, so verlange ich von jedem das Geld, das er hat, und dieser Foderung gab er durch die Vorzeigung eines geladenen Pistols Nachdruck und bedrohete ihr Leben, wenn sie nicht augenblicklich gehorchten. Er bekam für seinen Rath fünf und achtzig Guineen und nachdem er sie noch einmal gewarnt hatte, friedlich zu leben, sagte er ihnen Lebewohl.

Nach diesem Abentheuer begegnete Tracey einem jungen Studenten von Oxford, den er nach Ware begleitete, wo sie die Nacht in großer Eintracht und Freundschaft zubrachten. Den andern Tag machten sie sich zusammen wieder auf den Weg und Tracey bemerkte öfters, daß die Last des Mantelsacks seines Reisegefährten zu groß für ihn sey. Der Student errieth das Gewerbe seines Reisegefährten und war entschlossen, ihn wo möglich in seinem eigenen Netze zu fangen. Er ließ bald unserm Abentheurer merken, daß er in die Stadt reise, um Magister der freien Künste zu werden und daß er deshalb ungefähr sechzig Pfund Sterling bei sich habe. Dies war gerade die Nachricht, welche Tracey zu haben wünschte; er wandte sich daher an den Studenten und sagte ihm, er suche gerade eine solche Summe und er könne sie niemand sicherer leihen, als ihm. Er band den Mantelsack von dem Pferde des Andern ab und befestigte ihn auf seinem. Der Student bat anfänglich sehr kläglich und flehete ihn an, ihm nicht das zu rauben, das sein künftiges Glück zu machen bestimmt sey; ferner führte er an, daß er das Geld geborgt habe, und wenn er nicht Magister werde, so habe er nicht die geringste Aussicht, es jemals wieder bezahlen zu können. Da er ihn gegen alle seine Bitten taub fand, so bat er ihn im Namen der Menschheit, ihm wenigstens etwas zu lassen, um seine Ausgaben bis in die Stadr bestreiten zu können. Tracey wurde endlich durch seine Thränen gerührt, gab ihm seinen Beutel, der vier Pfund und darüber enthielt und machte sich als dann auf einem Seitenwege davon. Als er ins nächste Dorf kam, öffnete er seinen Mantelsack, um seinen Inhalt zu durchsuchen, allein er fand weiter nichts darin, als zwei alte Hemden, ein halb Dutzend schmutzige Bänder, einen abgetragenen Rock, ein Paar Strümpfe ohne Socken, ein Paar Schuhe einen Kamm, einige Nadeln und Zwirn und einen großen Schinken, aber keinen Pfennig Geld. Dies war ein bitterer Stich.



Ben Johnsons Lebensbeschreiber führen an, daß er einstmal von Tracey auf eine sehr listige Art bestohlen worden sey, welche folgendermaßen erzählt wird: Tracey traf Ben in Buckinghamshire und da er den Dichter kannte so verlangte er seine Börse. Ben warf ihm einen herzhaften Blick zu und gab ihm folgende Antwort:

„Flieh, Schurke! flieh oder ich will durch dein Kleid von Stahl

Meine Kugel von Blei nach deinem Herren

senden

Und deine diebische Seele dreimal jagen

Zur Hölle, um des Teufels Liebchen zu entwöhnen.“

Hierauf erwiderte Tracey:

„Bist du der große Ben? oder der wieder

erweckte Geist

Des berühmten Shakespeare? oder irgend

ein trunkener Wirth,

Der durch ein trübes Bier benebelt ist,

Glaubst du, deine Verse werden meine

Seele in Furcht setzen

Nein! wisse, elender Sklave, daß ich Einer von denen bin, der eine Börse in Prosa und in Versen nehmen kann; und wenn du tod bist, so schreib auf dein Grab: Hier liegt ein Dichter, der in Versen beraubt wurde.

Diese sinnreiche Antwort setzte Johnson in Unruhe der wohl sah, daß er es mit einem witzigen Kopfe und einem Schelme zu thun hatte; er suchte zwar sein Geld zu retten, aber dies half ihm nichts; er mußte es unserm Abentheurer geben. Dies war nicht das einzige Unglück, das Johnson auf dieser Reise begegnete; denn zwei bis drei Meilen von London wurde er von einer Räuberbande angefallen, die ihm Hände und Füße banden, und ihn in einen Park warfen, wo einige Reisende, die das nämliche Schicksal gehabt hatten, lagen. Einer von diesen Unglücklichen rief aus und sagte, „daß, es um ihn, um seine Frau und Kinder gethan (undone) sey.“ Ein Anderer, der auch gebunden war und dies hörte, erwiederte: „wenn ihr alle frei seyd, kommt und macht auch mich los (undone). „Ben lachte herzlich darüber und machte diesen Gegenstand nachmals zum Inhalte Eines seiner Gedichte.

Tracey hatte um diese Zeit so viel Geld und Vermögen zusammen gestohlen, daß er gemächlich seine noch übrige Lebenszeit davon leben konnte und entschloß sich, sich zurückzuziehen und in Zukunft ein ehrbares Leben zu führen. In dieser Absicht gab er sein Geld einem Freunde, der es durchbrachte und Tracey nöthigte, wieder zu seiner alten Lebensart zurückzukehren. Das letzte Unternehmen, das von ihm erzählt wird, bestand in einer Beraubung des Herzogs von Buckingham oder in einem Versuche dazu, allein er wurde dabei ergriffen und zu Winchester hingerichtet.