Thomas Witheringthon, St.

Dieser war der Sohn eines würdigen Mannes zu Carlisle in der Grafschaft Cumberland, der ein ansehnliches Gut besaß und seine Kinder seinem Stande gemäß erzog. Thomas, der Gegenstand dieser Beschreibung, erhielt eine treffliche Erziehung, da sein Vater die Absicht hatte, er solle frei von Arbeiten und den Zufällen der Geschäfte leben. Als der Vater starb, bekam Thomas das Gut in Besitz, das ihm bald eine reiche Frau verschaffte, welche nachmals die Hauptursache seines Unglücks war. Sie lebte locker und verletzte ihre ehelichen Pflichten; dieser Umstand trieb ihn aus dem Hause, um seine Glückseligkeit in Wirthshäusern, oder in Gesellschaft liederlicher Frauenzimmer zu suchen. Diese verdarben nach und nach alle seine guten Eigenschaften; sein Gut kam ebenfalls in Verfall; er verpfändete es, um seine Ausschweifungen und Verschwendung fortsetzen und gerieth bald in die elendesten Umstände. In Armuth versunken, wie sollte sich ein Mann von sonst großen Vermögen, der mit der Arbeit unbekannt war, forthelfen? Er hatte einen zu stolzen Charakter, als daß er sich wegen einstweiliger Unterstützung an Verwandte oder Freunde wenden sollte. Die Wohlthätigkeit anderer Menschen anzusprechen, das verabscheuete seine Seele. Noth leiden konnte er nicht und es blieb seiner Wahl bloß ein Weg zum Leben übrig; dies war der Straßenraub. Sechs bis sieben Lebensjahre trieb er dies Gewerbe mit leidlichem Glücke. Wir wollen nunmehro Einige von seinen merkwürdigsten Abentheuern erzählen.

Bei seiner ersten Ausflucht ging er zu einem Freunde, klagte ihm mit ernster Miene seine neuliche Unregelmäßigkeit und erklärte ihm seinen Entschluß, auf eine ehrliche Art sein Brod zu verdienen, aber da er hierzu eine kleine Summe Geld brauche, so hoffe er, sein Freund werde ihn damit unterstützen. Dieser freuete sich über die Aussicht zu seiner Besserung und lieh ihm unter vielen guten Wünschen und Rathschlägen gern fünfzig Pfund (300 Thaler), aber Witherington vereitelte die Erwartung seines Freundes und kaufte sich von dem Gelde ein Pferd und andere zu seinen künftigen Unternehmungen nöthige Dinge.


Er blieb eine Nacht zu Keswick in Cumberland, wo er den Dechanten von Carlisle traf. Da beide gelehrte Kenntnisse besaßen, so fanden sie ihre Gesellschaft höchst angenehm; Witherington gab sich für einen Mann aus, der eben aus Ostindien mit einem hübschen Vermögen zurück gekehrt sey und zu seinen Freunden nach Carlisle reisen wolle, unter denen er einen reichen Okel hätte, der neulich gestorben sey und ihn zum Erben seines Habs und Guts gemacht habe: „Ich habe zwar oft,“ erwiderte der Dechant, „von einem Verwandten des Herrn Witherington gehört, der in Ostindien seyn soll, aber seine Familie erhielt, wie ich Ihnen versichern kann, mehrmals Nachricht von seinem Tode und was dieser Umstand Ihnen zu Carlisle für Schaden gebracht hat, das werden Sie morgen erfahren.“ Der Dechant erzählte ihm hierauf seine eigene Geschichte und schloß mit folgenden Worten: „Ich habe jetzt Nachricht, daß Herr Witherington zur Unterstützung seiner Ausschweifungen die Heerstraßen besucht und die Beutel stiehlt, wo er einen erhalten kann.“ Unser Abentheurer schiehn bei dieser Nachricht von der Aufführung seines V ett ers sehr betroffen zu seyn und dankte dem Dechanten für seine Mittheilung. Beide liebten die Bouteille, brachten den Abend sehr angenehm zu und versprachen morgen mit einander nach Carlisle zu reisen.

Als sie unterwegs in einen Wald langten, ritt Witherington dicht an dem Dechanten hinan und lispelte ihm ins Ohr: „mein Herr! obschon der Ort, wo wir jetzt sind, sehr geheim ist, so wünsche ich doch, daß das, was ich jetzt thue, noch geheimer bleibe; ich nehme wir die Freiheit, Ihnen zu sagen, daß Sie etwas bei sich haben, was mir sehr große Dienste leisten würde.“ - „Was ist das?“ fragte der Dechant, „Sie sollen es von Herzen gern haben.“ - “Ich danke Ihnen für Ihre Gefälligkeit“ entgegnete Witherington. „Nun so will ich es Ihnen gerade heraus sagen; das Geld in Ihren Hosentaschen würde mir jetzt von sehr großen Diensten seyn.“ „Geld!“ rief der Dechant aus, „meine Herr! Sie können kein Geld brauchen. Ihr Anzug und ihre Person sagen mir, daß Sie keines nöthig haben.“ „Ja! ich brauche Geld: denn das Schiff, auf dem ich angekommen bin, hat Schiffbruch gelitten; ich habe daher alles verloren, was ich aus Ostindien mitgebracht habe und ich wollte um aller Welt willen zu Carlisle nicht ohne Geld in den Taschen erscheinen.“ - „ Freund! dies ist bei mir auch der Fall. Ich sage Ihnen, ich wollte um keinen Preis ohne Geld in diese Stadt gehen, aber wie? Wenn Sie, wie Sie behaupten, Herr Witheringtons Neffe sind, so brauchen Sie nicht so ungestüm Geld von mir zu verlangen; denn ihre Freunde zu Carlisle werden sie schon damit versorgen und wenn Sie ietzt keines mehr haben, so will ich Ihre Ausgaben bis nach dieser Stadt bestreitet.“ „Mein Herr!“ versetzte Witherington, „es ist nicht die Frage, ob ich Geld habe oder nicht; es ist die Rede von dem, was Sie in ihrer Tasche haben; denn wenn, wie Sie sagen, mein Vetter genöthigt ist, auf den Heerstraßen Beutel zu nehmen, so muß ich Ihnen sagen, daß ich es bin: wenn ich daher den Ihrigen verlange, so können Sie nach Carlisle reiten und erzählen, daß Sie Herr Witherington angetroffen haben und daß er ihre Mildthätigkeit angesprochen hat.“ Nach langen Streiten gerieth der Dechant beim Anblicke eines Pistols in gewaltiges Schrecken, gab Witherington seine Börse mit 50 Guineen (300 Thaler) und setzte seinen Weg nach Carlisle fort. Unser Abentheurer hingegen ritt davon und suchte mehr Beute auf.

In Newcastle kehrte Witherington in einem Wirthshause ein, wo an diesem Tage einige Abgeordnete zusammen kommen wollten, um für ein benachbartes Kirchspiel einen Schulmeister zu wählen. Da mit dieser Stelle eine schöne Besoldung verbunden war, so stellten sich mehrere nette junge Geistliche und Studenten als Bewerber ein. Witherington, der auch die dazu nöthigen Eigenschaften hatte, gerith auf den Gedanken, ebenfalls darum anzuhalten. Er borgte grobe einfache Kleider von dem Wirthe, um in einem Anzug zu erscheinen, der dem Stande angemessen sey, den er wählen wollte. Er ging in die Küche, setzte sich ans Feuer, verlangte eine Kanne Bier und nahm eine sehr niedergeschlagene Miene an. Einer von den Freisaßen, der sich zum Stimmgeben einfand, bemerkte ihn, als er am Feuer stand, um sich zu wärmen; seine Miene gefiel ihm und er ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein. Witherington gab auf eine sehr bescheidene Art dem Freisaßen zu verstehen, daß er auch sich um die Stelle habe mitbewerben wollen, allein da er so viele junge lustige Leute als Mitbewerber erblicke und fürchte, daß der Eigennutz allein den Ausschlag geben werde, so sey er entschlossen, wieder nach Hause zu gehen. „Nein! Das thun Sie nicht“, erwiderte der ehrliche Freisaße, „so lange ich eine Stimme habe, soll Gerechtigkeit herrschen und das Verdienst soll die Stelle erhalten: sind Sie der geschickteste Bewerber, so sollen Sie dieselbe bekommen und um Ihnen zu zeigen, daß ich es aufrichtig meine, ob ich Sie schon nicht kenne, verspreche ich Ihnen sowohl meine Stimme als meine Unterstützung.“

Witherington dankte ihm für diese Gefälligkeit und versprach, die Probe abzuwarten. Zwischen zweien der glücklichsten Bewerber fand ein scharfer Kampf statt, als unser Held als ein Mann eingeführt wurde, der so bescheiden wäre, daß er Besorgniß getragen habe, vor einer so ehrwürdigen Versammlung zu erscheinen, der aber geprüft zu werden wünsche. Er stellte die beiden Gegner zusammen und legte ihre Unwissenheit den Vorstehern vor die Augen: die Letztern erstaunten insgesammt über den Fremden. Er zeigte ihnen, daß nicht die Kenntniß einzelner lateinischer und griechischer Wörter und Gedanken einen guten Gelehrten ausmache, sondern daß dazu eine vollkommene Kenntniß der Beschaffenheit des Buchs, das man lese und eine Geschicklichkeit erfoderlich sey, den Zweck des Verfassers zu entdecken. Genug Witherington erhielt die Stelle und wurde mit allen gewöhnlichen Förmlichkeiten eingeführt.

Er benahm sich mit vieler Mäßigung die Kirchväter bekamen eine große Idee von ihm und machten ihn zum Almosenaufseher und Steuereinnehmer des Kirchspiels; selbst der Pfarrer übertrug ihm die Einsammlung seiner Einkünfte und Zehnten. Diese freundschaftliche Besinnung gegen Witherington erstreckte sich durch das ganze Kirchspiel und es gab niemand, der ihn nicht für den rechtschaffensten und fleißigsten Mann gehalten hätte. Die letzte Tugend zeigte er diesmal wirklich, allein von der ersten hatte er niemals einen Begriff gehabt. Seine Meinungen hatten bei den Vorstehern des Kirchspiels ein großes Gewicht; er schlug ihnen daher den Bau einer neuen Schule vor und erbot sich selbst, sein jährliches Einkommen zu unterzeichnen. Man nahm dies gern an, es kamen Beiträge von allen Seiten und in kurzem waren mehr als siebenhundert Pfund (4200 Thaler) beisammen. Witheringtons Geist war jetzt voll großer Hoffnungen, allein da er von zwei Herren erkannt wurde, welche von Carlisle kamen, so machte er sich mit den unterzeichneten Geldern und allen Kapitalien, die er im Besitz hatte, davon, und überließ es dem Kirchspiele, Betrachtungen über die Rechtschaffenheit seines Schulmeisters und seine eigene Leichtgläubigkeit anzustellen.

Er reisete nach Buckinghamshire und als er sich in der Hauptstadt der Grafschaft in einem Wirthshause befand, kam er mit einigen Pächtern in Gesellschaft, die, wie er sah, ihren Gutsherrn erwarteten, um ihm den Pachtzins zu bezahlen. Sie waren insgesammt Pächter eines und desselben Herrn und äußerten manche Klage über ihn wegen seiner Strenge und Ungerechtigkeit, daß er sich keinen Abzug gefallen lasse und auch keinen Aufschub nach der Verfallzeit gestatte, wenn sie auch durch die Witterung oder andere Ursachen noch so großen Schaden gelitten hätten. Er erfuhr, daß dieser Gutsbesitzer sehr reich, aber so geitzig war, daß er sich selbst die notwendigsten Bedürfnisse des Lebens versagte; unser Abentheurer gerieth daher auf den Entschluß, ihm zur Ader zu lassen, ehe er fortgehe. Der Gutsbesitzer kam und die Gesellschaft verfügte sich in ein besonderes Zimmer; Witherington gab vor, er sey der Freund Eines der Pächter und ein Rechsgelehrter und begleitete sie. Er verlangte die letzten Quittungen zu sehen, untersuchte sie sehr sorgfältig und redete dann den Gutsherrn folgendermaßen an: „Mein Herr!“ sagte er, „diese ehrlichen Leute, meine Freunde, sind seit langer Zeit ihre Pächter gewesen und haben ihren Pachtzins sehr pünktlich bezahl aber sie haben ihre Güter viel zu hoch gepachtet und ich kann nicht begreifen, warum sie nicht anderwärts weit wohlfeiler pachten. Sie sind daher sehr unbillig, daß sie sich keinen Abzug gefallen lassen wollen, zumal zu einer Zeit, wo sie einbüßen, statt zu gewinnen. Es ist Ihre Schuldigkeit, mein Herr! ihnen aufzuhelfen und sie nicht so unbarmherzig zu behandeln, sonst werden Sie genöthigt seyn, ihren Pacht insgesammt aufzugeben.“ Der Gutsbesitzer suchte ihn zuwiderlegen und als die Pächtersahen, wohin Witheringtons Einmischung führe, baten sie ihn zu schweigen. „Es ist nicht nöthig“, fuhr Witherington fort, „ein Wort mehr darüber zu verlieren, ich verlange um dieser meiner Freunde willen, daß Sie ihnen 150 Pf. St. (900 Thaler) von den 300 (1800 Thaler) erlassen, die Sie von ihnen zu erwarten haben; denn wie ich höre, haben Sie mehr als genug, sich und ihre Familie zu ernähren.“ - „Nicht einen Heller!“ versetzte der Gutsherr. „Wir wollen es schon sehen, Mein Herr! nehmen Sie Feder, Tinte und papier und schreiben sie die Quittungen; das Geld soll sogleich folgen.“ - „Ich schreibe keinen Buchstaben, so lauge ich nicht das Geld in Händen habe.“ – „Dies muß geschehen,“ gab Witherington zur Antwort; „Sie werden einen gutmüthigen Mann zwingen, zum äußersten gegen sie zu schreiten.“ Und bei diesen Worten legte er ein Paar geladene Pistolen auf den Tisch. Sogleich stürtzte der Gutsherr auf die Knie nieder und schrie: „O lieber Herr! O süßer Herr! o gütiger Herr! o gnädiger Herr! um Gottes Willen, mein Herr! nehmen Sie einem armen unschuldigen Manne das Leben nicht, der nie jemand etwas an thun wollte, mein Herr!“ - „Was thue ich Ihnen denn, Freund? darf ich nicht die Pistolen, die ich auf der Reise bei mir führe, auf den Tisch legen, ohne daß Sie in unnöthige Furcht gerathen? Nun! fertigen Sie die Quittungen aus. Schreiben Sie, daß Sie alles bezahlt erhalten haben oder sonst“ - „O! Gott! Herr! O, lieber Herr! Sie haben eine Absicht, theurer Herr! lassen Sie mir doch das Leben!“ - „Die Quittungen, oder bei dem Jupiter Ammon! ich will..“ „O! ja, mein Herr! ich will ..“ - Jetzt schrieb der alte Herr die verlangten Quittungen und gab sie seinen Pächtern.

„Kommen Sie,“ versetzte Witherington, „das ist schön und um Ihnen zu zeigen, daß Sie es mit ehrlichen Leuten zu thun haben; hier sind 150 Pf. St. und ich verspreche Ihnen im Namen dieser ehrlichen Männer, daß die Zeiten besser werden, Sie in dem nächsten Vierteljahre die andere Hälfte erhalten sollen.“

Die Pächter bezahlten das Geld und gingen erstaunt und nicht wenig erschrocken über die Folgen fort, die dies Verfahren haben könne. Witherington verlangte sein Pferd, fragte den Wirth nach dem Wege, den der alte Herr nehmen könne und ritt fort.

Er schlug die Straße ein, welche der Gutsbesitzer geritten war und sah ihn in düsterm Schweigen mit einem Bedienten hinter sich dahin reiten. Als derselbe unsern Helden erblickte, wollte er umkehren, aber Witherington fiel dem Pferde in den Zügel und er mußte fortreiten. Er verspottete ihn über die Thorheit, Reichthümer zusammen zu häufen, bloß damit sie ein liederlicher Sohn nach seinem Tode verschwende. „Nein!“ sagte er , „Geld ist ein Segen, den uns der Himmel schickt, damit der politische Körper durch seinen Umlauf Nahrung erhalte, allein wenn solche elenden Wichte wie Ihr, Tausende in ihren Kasten ohne Nutzen verschließen und eine Stockung veranlassen, so müssen Tausende von Menschen die Folge davon fühlen. Ihr könnt daher nichts besseres thun, als mir das zu geben, was Ihr bei Euch habt; denn ich hoffe von Euch keine abschlägliche Antwort zu erhalten.“ Bei diesen Worten zeigte er ihm seine Pistolen. Der alte Herr, der für sein Leben besorgt war, gab ihm seine Börse, welche mehr als 350 Ginneen (2100 Thaler) enthielt. Witherington machte auch noch den Mantelsack hinter dem bedienten los und that ihn auf sein Pferd. Jetzt verließ er den alten Gutsbesitzer unter der Warnung, in Zukunft gegen seine Pächter gefälliger und edelmüthiger zu seyn; denn sie wären es, die ihn erhielten und wenn er jemals noch Klagen von ihnen höre, so wolle er ihn in seinem Hause besuchen und sich sehr reichlich bezahlt machen.

Nach diesem Vorfalle gerieth die Grafschaft in Unruhe und suchte Witherington auf; er begab sich daher eilig nach Cheshire. Das erste Haus, wo er auftrat, war eine Schenke, die einer jungen Wittwe gehörte, welche sowohl wegen ihrer Artigkeit gegen Reisende, als wegen ihres Reichthums und ihrer Schönheit bekannt war. Sie erwieß unserm Helden große Aufmerksamkeit und lud ihn ein, mit von der Gesellschaft zu seyn, die aus einigen Fremden bestände und diesen Abend bei ihr seyn werde. Er war nicht blind gegen die Reitze der Wittwe und nahm die Einladung freudig an. Die Gesellschaft, die er da fand, bestand hauptsächlich aus Herren, welche, wie er leicht sah, nach den Reichthümern der Wittwe trachteten. Witherington erhielt von ihr große Gunstbezeugungen und sie bat ihn, der Gesellschaft etwas vorzusingen, da er, wie sie leicht errathen könne, sehr gut singe. Witherington ließ sich von einem Frauenzimmer nicht lange bitten, welches seine Neigung gewonnen hatte; sang ein verliebtes Liedchen, das auf seine gegenwärtige Lage sehr passend war und setzte durch Seitenblicke und Seufzer die Wittwe in Stand, die günstigsten Folgerungen daraus zu ziehen. Es gelang ihm alles und die Wittwe war offenbar besiegt. Diese foderte ihn jetzt auf, eine Geschichte von sich selbst zu erzählen, „da einer Person, die sich so angenehm zu machen wisse und Andern eine so große Theilnahme an ihrem Wohle einflöße, sicherlich mancherlei Merkwürdiges in ihrem Leben begegnet seyn müsse. With rington war die Gefälligkeit selbst und bat um die Erlaubniß, eine kurze Erzählung von seinem Leben mitzutheilen; die ganze Gesellschaftwar voller Erwartung, weil sie etwas Wunderbares und Geheimnißvolles zu erfahren hoffte. Er erfand eine künstlich ausgedachte Geschichte, womit er der Wittwe eine hohe Vorstellung von sich selbst, von der Gewalt, welche die Liebe über ihn habe und von seiner hochherzigen Denkart beibringen wollte. Sein größtes Unglück, sagte er, wäre Täuschung in der Liebe, indem ihm der Gegenstand seiner Wahl von einem alten reichen Onkel gegen ihre Neigung weggeschnappt worden und er eben deshalb von Hause wegreiset sey, um die traurige Stimmung zu verscheuchen, die ihn befallen habe: „Der Zufall“, fuhr er fort, „hat mich in dies gastfreie Haus gebracht, wo ich so viel Schönheit wiedergefunden habe, als ich unglücklicherweise eingebüßt.“

Diese Erzählung erregte bei der Gesellschaft viel Theilnahme, besonders bei der Wittwe, welcher Witherington jetzt unzweideutige Beweise von Aufmerksamkeit gab, die viel Eifersucht bei Einigen der gegenwärtigen Herrn zu erregen schienen. Sie schieden jedoch insgesammt auf die freundschaftlichste Art von einander und unser Abentheurer beschloß, einige Zeit zu Nantwich zubleiben, um sein Abentheuer zu verfolgen. Den Morgen darauf erneuerte Witherington seine Bewerbung und sowohl er als die verliebte Wittwe waren mit einander gleich sehr zufrieden. Endlich beschloß er die Sache aufs Reine zu bringen und erklärte die heftigste Liebe für dieWittwe, welche nach einer weitläufigen Vorrede und vielen Versicherungen zehnfach erwiedert wurde. Zugleich versicherte sie ihn, er habe mehrere Nebenbuhler, aber den Vorzug vor ihen in ihrem Herzen erhalten.

Wenige Tage darnach fand die erste Zusammenkunft mit den andern Bewerbern in der Schenke statt und Witherigtons Uebergewicht fiel so stark in die Augen, daß ein Nebenbuhler, der glaubte, er habe schon gewonnenes Spiel, in ernstliche Unruhe gerieth und seine Zuflucht zu einer List nahm, um sich von einem solchen Gegner zu befreien. In dieser Absicht ließ er Witheringthon zu sich kommen, und erzählte ihm mit allem Anscheine von uneigennütziger Freundschaft, er habe deshalb zu ihm geschickt, um ihn gegen jeden weitern vertraulichen Umgang mit der Wittwe zu warnen, die er, wie er gestand, einst selbst habe heirathen wollen, aber nunmehro gänzlich aufgegeben habe, seitdem er ihren sträflichen Lebenswandel entdeckt, und er wünsche sich Glück, daß er noch so glücklich weggekommen sey. Er äußerte seinen Abscheu gegen die Rolle eines Verleumders, betheuerte feierlich die Reinheit seiner Absichten und sagte zu Witherington, die Wittwe wäre Eines der unbeständigsten und leichtsinnigsten Geschöpfe, wie man leicht bei dem neulichen Gastmale habe sehen können; sie habe ihren verstorbenen Mann vergiftet, um ihre veränderlichen Begierden zu befriedigen. Er bat ihn daher, wenn er sein Glück und seine Sicherheit liebe, von der weitern Verfolgung seiner Absichten abzustehen und hoffte, Witherington werde ihm die Freiheit verzeihen, die er sich genommen habe; denn da er erfahren, daß sich seine Bekanntschaft mit einer Heirath endigen werde, so habe er es für seine Pflicht gehalten, einen Fremden gegen Täuschungen zu warnen.

Witherington durchschauete die Absicht seines Nebenbuhlers und trieb daher seinen Spott mit ihm. Er schien über die nichtswürdige Denkart der Wittwe empört und wünschte sich nebst dem Andern Glück zu seinem glücklichen Entkommen. Er dankte dem Herrn für seine freundschaftliche Warnung und sagte ihm, er überlasse die Sache seiner Leitung und er werde bald die Größe ihrer Schuld entdecken und da beide einen Zweck, nämlich ihr Geld zu haben schienen, so seyn sie im Stande von den Umständen den Gebrauch machen, den sie für zweckmäßig und passend hielten. Der Herr schien zufrieden und sie schieden auf diesmal von einander.

Unser Abentheurer ging nach der Schenke zurück und erzählte der Wittwe die ganze Unterredung, die er mit dem Herrn gehabt hatte. Sie gerieth in heftigen Zorn, sagte, die Welt sey sehr zum Tadel geneigt und erklärte, sie wolle sich rächen, was es auch kosten möge. Da Witherington einen Bruch für nahe hielt, so glaubte er, es sey hohe Zeit, die leichtgläubige Wittwe zu benutzen. Er nahm sie daher diesen Abend bei Seite und äußerte, der beste Weg, sich an seinem Nebenbuhler zu rächen, sey der, wenn sie ernstlich gemeint sey, ihn zu heirathen, ihre Neigung durch irgend eine Gunstbezeugung zu erkennen zu geben, welche den Vorzug, den sie ihm vor seinem Nebenbuhler zugestehe, einleuchtend mache. Sie freuete sich über diese Gelegenheit, und führte ihn in ein Zimmer, wo sie ihm all ihr Geld und ihr Silbergeschirr zeigte und erklärte, daß ihm alles dies zu Diensten stehe, wenn er sie von den Zudringlichkeiten des Herrn befreie. Witherington versicherte sie, daß sie sich auf ihn verlassen könne; nahm diese Nacht Abschied von ihr und ging in sein Zimmer. Hier schrieb er folgenden Brief an die Wittwe:



Meine Theuerste!

„Da ich nie vergesse, was ein Frauenzimmer sagt, besonders ein solches, das so gütig gewesen ist, mir seine Liebe zu schenken, so habe ich diesen Brief bloß in der Absicht an Sie geschrieben, um Sie zu benachrichtigen, daß ich genöthigt gewesen, nach London zu reisen und da die Reise etwas weit ist, so habe ich von dem Gelde in dem Zimmer Gebrauch gemacht, das, wie Sie sagten, zu meinen Diensten stehe. Ich hatte große Eil, als ich dies zu schreiben anfing und ich füge daher weiter nichts hinzu, als daß ich Sie bitte, sich meiner bis zu meiner Rückkunft zu erinnern.

T. Witherington.“



Nachdem er dies geschrieben hatte, schlich er heimlich in das Zimmer der Wittwe und brachte all ihr baares Geld in Sicherheit, das sich über dreihundert Pf. St. (1800 Thaler) belief. Dann ging er in den Stall, sattelte sein Pferd, setzte sich darauf, ritt zur Hinterthür hinaus und verließ die Familie im tiefen Schlafe. Die Wittwe und der Liebhaber konnten nunmehro ihre Liebeleien nach Belieben fortsetzen.

Witherington war jedoch noch nicht mit detn zufrieden, was er dem Kirchspiele und der Wittwe gestohlen hatte, sondern verfügte sich auf die Londoner Straße, wo er zwischen Acton und Uxbridge einen Raub beging. Er wurde darauf entdeckte und nach Newgate geschafft, wo er bis zu seiner Hinrichtung das liederlichste Leben führte.

Er wurde mit Jonathan Woodward und Jacob Philpot , zweien sehr bekannten Hausdieben, hingerichtet, welche schon einmal von dem Könige Jacob I. bei seiner Thronbesteigung begnadigt worden waren. Ein gewisser Elliot, der Sohn einer angesehenen Frau, wurde zu gleicher Zeit mit verurteilt, nachmals aber begnadigt. Dieser Mann wurde, als er wieder in die bürgerliche Gesellschaft kam, ein würdiger Bürger und ein guter Christ. Aus Mitleid gegen andere Verbrecher und aus Dankbarkeit gegen die Gnade des Königs, vermachte seine Mutter auf ihrem Sterbebette eine beträchtliche Summe dem Kirchspiele St. Sepulchres in London unter der Bedingung, einen Main zu bestellen, der jedesmal zwischen elf und zwölfUhr in der Nacht vor der Hinrichtung jedes unglücklichen Verbrechers nach Newgate gehe, seine Ankunft durch das Läuten einer Glocke verkündige und die Gefangenen an ihr nahes Ende erinnere, indem er religiöse Ermahnungen wiederhole, welche sie zum Tode vorzubereiten geeignet sind. Witherington und seine Todesgefährten waren die Ersten, denen man diese Ermahnungen gab und da die Absicht wahrhaft wohlthätig ist und da sie dem Schuldigen oft unberechenbares Glück gewähren, so wollen wir sie hier einrücken.

Nachdem die dazu bestimmte Person gefragt hat, ob die Verbrecher wachen, und wenn sie diese Frage mit ja! beantwortet erhalten hat, fährt sie folgendermaßen fort: „Meine Herrn! ich bin der unwillkommne Bote, der euch die Nachricht bringt, daß ihr morgen sterben müsset. Eure Zeit ist nur kurz; die Zeit fliegt schnell dahin; das Stundenglas läuft hurtig und da das letzte Sandkorn ablaufen will, wo Ihr in die grenzlose Ewigkeit hinüber gehen müsset, so überlasset Euch nicht dem Schlafe, sondern wachet und betet, um das ewige Leben zu gewinnen. Thut Buße, geschwinder als der heil. Petrus und bereuet, ehe der Hahn krähet; denn nunmehro ist die Reue der einzige Weg zur Rettung; seyd eifrig in dieser wichtigen Pflicht und ihr werdet wahrscheinlich morgen mit dem reuigen Diebe im Paradiese seyn. Betet ohne Aufhören! lasset nicht ab! enthaltet euch alles Scheins des Bösen! da nur Sünde von allem diesem die Veranlassung ist, und den Tag der Trübsale herbei geführt hat, so laßt das Gute euren einzigen Trost seyn, damit eure Seelen ewige Ruhe bei eurem Erlöser finden, der für die Sünder der Welt gestorben ist; er wird alle Thräen von euren Augen trocknen, euer Leiden verscheuchen und euren Kummer stillen, so daß eure sündentragenden Seelen ausgeheilet werden. Ich ermahne euch ernstlich, nicht nachlässig im Werke eurer Seligkeit zu seyn, welche von eurer aufrichtigen Bekehrung zwischen jetzt und morgen abhängt, wo das Schwerd der Gerechtigkeit euch aus dem Lande der Lebendigen befördern wird. Kämpft den guten Kampf des Glaubens und erringt das ewige Leben, weil es noch Zeit ist; denn im Grabe findet keine Reue statt. Ihr habt euch selbst viele Leiden verursacht, aber wenige Stunden werden euch an den Ort bringen, wo ihr nichts kennen werdet, als Freude und Fröhlichkeit. Liebet Rechtschaffenheit und hasset das Böse, dann wird Gott, ja selbst euer Gott euch mit dem Oele der Freude vor euren Mitmenschen salben. Tretet kühn hin zu dem Throne der damit ihr Vergebung erhaltet und in der Zeit der Noth Hülfe findet. Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch und ich bitte Gott, daß eure ganzen Geister, Seelen und Körper tadellos erhalten werden, bis zur Ankunft unsers Erlösers. Der Herr habe Barmherzigkeit mit euch! Christus habe Barmherzigkeit mit euch! Jesus nehme eure Seelen auf und möget ihr morgen mit ihm im Paradiese essen. Amen! Amen!“