Thomas Rumbold, St.

Rumbold war der Sohn ehrlicher und fleißiger Aeltern, die zu Ipswich in Suffolk lebten. In seiner Jugend kam er als Lehrling auf die Maurerprofession; da aber böse Neigungen ein Uebergewicht über seinen Geist hatten, so entlief er aus der Lehre, ehe noch der dritte Theil seiner Lehrzeit verflossen war. Um sich nach seiner Entfernung zu ernähren, ging er nach London, das er gern zu sehen gewünscht hatte und verband sich bald mit einer Räuberbande. In Verbindung mit dieser beging er viele verwegene Verbrechen, allein da er seine Geschicklichkeit und sein Glück für sich allein zu versuchen wünschte, so verließ er sie und machte sich auf die Heerstraße.

Er reisete in der Absicht von London ab, dem Bischofe von Canterbury aufzulauern. Als er den zwischen Rochester und Sittingborn in Kent ansichtig wurde, ging er ins Feld, breitete ein Tischtuch auf dem Grase aus, auf das er mehrere Hände voll Gold und Silber that, zog ein Würfelspiel aus der Tasche und fing mit sich selbst zu spielen an. Seine Hochwürden sah ihn in dieser Stellung und schickte einen Bedienten ab, um sehen, was da vorgehe; als dieser in Rumbolds Nähe kam, hörte er ihn über seinen Verlust schwören und lermen; derselbe gab nicht im geringsten auf seine Fragen acht. Der Bediente ging zurück und erzählte es dem Prälaten, der ausstieg, und als er niemand außer Rumbold sah, fragte er ihn, mit wem er spiele? - „Ich bitte Sie, mein Herr!“ versetzte Rumbold, „seyn Sie still; fünfhundert Pfund auf einen Schlag verloren!“ Der Bischof wollte zu sprechen fortfahren. „Ja!“ setzt Rumbold hinzu, indem er immer fortspielte, „da sind noch hundert Pfund mehr hin ...“ - „ Ich bitte Sie,“ sagte der Erzbischof, „sagen Sie mir doch, mit wem spielen?“ Rumbold gab zur Antwort, mit... und nannte jemand, der vielleicht nie gelebt hat. - „Und wie wollen Sie ihm das Geld zuschicken?“ - „Durch seine Abgesandten,“ erwiderte Rumbold, „und da ich Ew. Hochwürden als Einen davon ansehe, so bitte ich Sie um die Gnade es mitzunehmen!“


Er stand auf und ritt nach dem Wagen hin, in den er ohngefähr 600 Pf. that und davon ritt. Er schlug den Weg ein, von dem er wußte, daß ihn der Erzbischof nehmen werde und nachdem beide zu Sittingborn etwas zur Erfrischung zu sich genommen hatten, machten sie sich wieder auf den Weg, nur war Rumbold vor dem Bischofe immer etwas voraus. An einer passenden Stelle machte er halt und setzte sich wieder wie vorher aufs Gras, hatte aber bloß wenig Geld vor sich auf dem Tischtuche, der Bischof, der ihn wieder sah und jetzt wirklich glaubte, er sey ein verrückter Spieler, ging auf ihn zu und gerade als er ihn anreden wollte, rief Rumbold voller Freude:

„Sechshundert Pfund!“ – „Was!“, fragte der Erzbischof, „ wieder verloren?“ – „Nein! bei Gott, nicht“, versetzte Rumbold, „sechshundert Pfund gewonnen. Ich will d iese Hand ausstrecken und dann die Sache aufgeben, weil ich wieder gewonnen habe.“ - „Von wem haben Sie denn gewonnen?“ fragte der Erzbischof. - „Von der nämlichen Person, für die ich Ihnen vor Tische die sechshundert Pfund übergeben habe.“ – „Und wie wollen Sie Ihren Gewinn bekommen?“ - „Von seinem Abgesandten“, gab Rumbold zur Antwort. Jetzt nahm er sein Pistol in die Hand, zog seinen Degen, ritt an den Wagen und nahm sein Geld wieder und außerdem noch 1400 Pf. St. (8400 Thaler), mit denen er sich sogleich davon machte.

Mit einem Theile dieses Geldes versetzte sich Rumbold in eine herrliche Lage, allein nie konnte er dem Hange entsagen, sich die Börsen Anderer zuzueignen. Mehrere Meilen um London hatte er die Aufwärter und Stubenmädchen in den Wirtshäusern in seinem Solde, und ob er schon den Schein annahm, als ob er auf eine ehrliche Art sein Brod zu verdienen suche, so setzte er doch seine schändlichen Streifereien weit und breit herum fort. Jedoch war er nicht immer glücklich: einst hatte er die Anwesenheit zweier reichen Reisenden in einem Wirthshause erfahren, wo Einer seiner Gehülfen diente; er verließ so, gleich London und lauerte auf der Straße, welche die Reisenden dem Vernehmen nach einschlagen sollten. Lange wartete er vergebens, weil die Reisenden zu schlau waren; sie gaben daher vor, sie reiseten nach dem Orte hin, sie zuletzt verlassen hätten. Er war jedoch entschlossen nicht, ohne ein Geschäft gemacht zu haben, zurück zu kehren; er wartete daher auf der Heerstraße. Bald erschien der Graf von Oxford, bloß von einem einzigen Bedienten zu Fuße begleitet und da Rumbold ihm bekannt war, so veränderte er seine Gestalt, indem er sich seine langen Haare über das Gesicht zog und sie mit den Zähnen festhielt. In dieser plumpen Maske ritt er auf den Lord los, verlangte seine Börse und drohete, sowohl ihn als den Bedienten nieder zu schießen, wenn sie den geringsten Widerstand leisteten. Einwendungen waren vergebens und er fing an den Grafen zu durchsuchen. In seinem Rocke und seiner Weste fand er nichts, als Würfel und Charten und er gerieth in große Wuth, bis er die übrigen Taschen durchsuchte und einen Rest von Goldstücken entdeckte, worüber er sich höchlich freuete und die er, wie er sagte, mit nach Hause nehmen und in einen Kasten thun wollte. Er ersuchte den Lord, zu seinem Regimente zurück zu kehren, seine Pflicht gehörig zu erfüllen und gab ihm als Aufmunterung einen Shilling.

Als Rumbold auf der Straße hin ritt, traf er ein Bauermädchen mit einer Milchgelte auf dem Kopfe an, dessen Schönheit und liebliche Gestalt ihm sehr gefiel. Beide ließ en sich mit einander in ein Gespräch ein; Rumbold stieg ab, entschuldigte sich wegen seiner Frechheit und setzte sich neben sie, während sie ihre Kühe molk. Sie wurden mit einander vertrauet; in seiner Brust erwachten heftige Begierden, welche sie zu befriedigen bald eine Gelegenheit fanden. Beide gefielen sich im Umgange und sie bestellten einander auf den Abend. Unser Held sollte des Abends spät in ihres Vaters Haus kommen und unter dem Vorwande, sich verirrt zu haben, um ein Nachtquartier bitten. Dieser Plan wurde ausgeführt, aber sie konnten diese Nacht nicht zu einander kommen; denn es blieb jemand aus der Famille die ganze Nacht hindurch auf. Da Rumhold jedoch entschlossen war, seine Eroberung nicht aufzugeben, so gab er des Morgens vor, er sey gefährlich krank worden; der gutmüthige Pächter setzte sich sogleich aufs Pferd, um einen Arzt zu holen, allein alle Geschicklichkeit dieses konnte nicht den Grund d des Uebels entdecken. Der Pächter drang daher in ihn, noch so lange da zu bleiben, bis es besser mit ihm werde, worein er unter großen Dankbarkeitsbezeugungen willigte. Er hatte sein Liebchen dazu gebracht, ihn zu warten, und sie setzten ihren sträflichen Umgang mehrere Tag lang fort; als er endlich fürchtete, seine Krankheit möchte bei dem Pächter wirkliche Besorgnisse erregen, ließ er ihn eines Abends zu sich kommen iund bot ihm Geld für die Mühe und den Aufwand an, den er ihm verursacht hätte, allein derselbe schlug alles aus und wünschte immer gastfrei seyn zu können. Rumbold, den so vie. Großmuth rührte, wollte doch dem Scheine nach dankbar seyn; nahm einen falschen Namen an und erzählte ihm, er sey in der und der Provinz ein vermögender Junggeselle; bisher sey er gegen die Angriffe der Schönheit gesichert geblieben allein jetzt sey er von den Reizen seiner Tochter überwunden worden, und er hoffe, daß, wenn das Mädchen nichts dagegen hätte, ein Heirathsvorschlag der Familie nicht unangenehm seyn werde. Der Pächter, den eine solche Herablassung entzückte, erwiderte, er fühle sich durch einen solchen Antrag höchlich geschmeichelt. Hierauf theilte er ihn seiner Familie mit, und alle waren sehr damit zufrieden und niemand mehr, mals die Tochter. Der Gedanke, den Adel noch zu dem Vermögen hinzuzuthun, das der Pächter seiner Tochter zur Mitgabe bestimmte, machte diesen ganz stolz und er gab sich alle Mühe, die Gunst des Freiers zu erwerben. Rumbold verfolgte seinen Plan keck und sein Umgang mit der Tochter fand jetzt häufiger statt, als er selbst erwartet hatte. Seine Hauptabsicht ging jedoch dahin, das Mädchen über die Summe Geld auszuholen, die der Vater im Hause habe, und wo sie läge, allein es war ihm höchst ärgerlich, als er erfuhr, sie betrage bloß etliche Pfund; vor einigen Tagen habe ihr Vater einen großen Handel gemacht, der alle sein baares Geld verschlungen habe. Da Rumbold nunmehro sah, daß er keine Hoffnung habe, des Vaters Erndte wegzuschnappen, wie er schon der Mutter Arbeit weggestohlen hatte, so beschloß er, die Familie zu verlassen, ritt eines Abends heimlich fort und ließ der Tochter zwanzig Goldstücke zurück, die er in ein Gedicht eingewickelt hatte.

Er ritt auf die Heerstraße und traf niemand, der seine Aufmerksamkeit verdiente, bis den folgenden Tag, wo ihm ein sonderbarer Zufall begegnete. Da er an einem kleinen Holze zwischen zwei Hügeln hinritt, stürzte ein Herr, er glaubte, auf ihn los und befahl ihm, halt zu und das, was er bei sich habe, herzugeben. Rumbold ersuchte ihn um Geduld, er wolle alles sein Vermögen hergeben als er ein Pistol aus der Tasche zog und auf senen Gegner feuerte, ohne ihn zu treffen. „Wenn das zum Spaß ist“, schrie der Andere, „so sollt ihr es fühlen, und schoß ihm sogleich durch das dicke Bein, zog zugleich seinen Degen, und hieb Rumbolds Zügel auf einen Hieb entzwei auf diese Art war er außer Stand, sein Pferd länger zu regieren. Rumbold schoß sein anderes Pistol ab und verfehlte seinen Gegner wiederum, streckte jedoch sein Pferd tod nieder. Der Herr stürzte und fiel nunmehro mit dem Degen über Rumbold her; diesen verfehlte er, stach aber sein Pferd tod und so standen beide Gegner auf dem Fuße der Gleichheit mit einander. Nach einem hitzigen Kampfe von beiden Seiten warf unser Held seinen Gegner nieder, band ihm Hände und Füße und fing ihn sogleich zu berauben an. Als er seinen Rock aufknöpfte, erstaunte er, da er fand, daß er mit einem Frauenzimmer gefochten hatte. Er hob sie auf und rief: „Verzeihen Sie, tapfere Heldin, daß ich Sie so rauh behandelt habe; nur Unwissenheit war die Rache dieses Irthums: denn hätte meine kurzsichtige Seele geahnet, was Sie wären, so würde mich meine große Ehrfurcht und Liebe zum schönen Geschlechte abgehalten haben, mich mit Ihnen in einen Kampf einzulassen, aber ich halte diese Unwissenheit für mein größtes Glück, da die Kenntniß in diesem Stücke mich auch der Gelegenheit beraubt haben würden zu erfahren, daß ein Frauenzimmer so viel Tapferkeit besitze. Um ihrentwillen werde ich auf immer eine sehr große Hochachtung selbst gegen die schlechteste Frau behalten.“ Die Amazone erwiederte, hier wäre weder Zeit noch Ort zu weitläuftigen Reden; wenn es ihm beliebe, so wolle sie ihn an einen Ort bringen, der sich besser dazu schicke: dies nahm er sehr gern an. Sie kamen in einen dicken Wald und indem sie den Krümmungen meh rerer finsterer Wege folgten, gelangten sie zu einem Hause auf das seit der Sündfluth noch kein Sonnenstrahl gefallen war. Es kam eine Menge Bediente zum Vorscheine, die um ihre Gebieterin herum liefen, deren Verkleidung ihnen bekannt war, allein sie erstaunten nicht wenig, als sie dieselbe zu Fuß in Begleitung eines fremden zurückkommen sahen.

Man brachte sie nach einem schönen Zimmer und nachdem sie sich mit dem, was das Haus darbot, erfrischt hatten, wurden sie sehr vertrauet und Rumbold bat seine Gefährtin, ihm ihre Geschichte zu erzählen, was sie mit großer Offenherzigkeit in folgenden Worten that: