Der Capitain Philipp Stafford, St.

Dieser sonderbare Mann war aus Berkshire gebürtig und ums Jahr 1622 geboren. Sein Vater hatte ein kleines Gut, das ihm jährlich 50 Pf. St. (300 Thaler) eintrug, das er selbst bearbeitete und womit er seiner Familie ein gutes Auskommen verschaffte. Philipp war sein einziges Kind und erhielt daher eine Erziehung, wie sie ihm die Lage und die Umstände seines Vaters gewährten. In der Schule aber zeichnete er sich mehr durch Herumbalgen und Kämpfe als durch Verstand und Kenntnisse aus.

Als die Zeit auf der Schule vorbei war, welche gewöhnlich jungen Leuten von mäßigem Vermögen gestattet ist, nahm man ihn nach Hause, und er ward von seinem Vater zum Pfluge bestimmt. In seiner Jugend prägte er sich tief die Grundsätze der Religion und der Treue ein, welche in jenen ereignißvollen Zeiten gewöhnlich waren. Als der Krieg zwischen dem Könige Karl I. und seinen Unterthanen ausbrach, war Stafford Einer der Ersten, welche zur königlichen Armee eilten. Während dieses Aufstandes diente er fortdauernd, allein von seinen Thaten weiß man nichts; doch muß er sich ausgezeichnet haben, weil er in diesem Kriege bis zum Hauptmanne stieg.


Nach Karls I. Tode bekam die andere Partei alle Gewalt und die Anhänger des Königs mußten sich vor der Wuth ihrer Gegner verstecken. Staffords kleines Gut wurde, wie so viele andere, eingezogen und er wurde aller Unterhaltsmittel beraubt. In dieser verzweifelten Lage faßte er den Entschluß, die Feinde seines ehemaligen Königs zu berauben. Er sah es für eine Sache der Gerechtigkeit an, diejenigen auszuplündern, die seinem Könige das Leben und ihm sein väterliches Erbe genommen hatten.

Seine Augen warf er zuerst auf einen alten Republikaner, der tief aus dem trüben Strome der Zeit getrunken und ein junges Frauenzimmer geheiratet hatte, um ihr Vermögen zu bekommen. In dem Anzuge und der Sprache der Partei gelang es ihm, in der Familie als Bedienter ein Unterkommen zu finden. Durch sein einschmeichelndes Benehmen und seine Artigkeit gewann er die Liebe seines Herrn, unterhielt sich bald mit seinem Gebieter und seiner Gebieterin und ahmte die reli giösen Redensarten und Meinungen dieser Partei auf die geschickteste Art nach. Bald aber führte er gegen seine Gebieterin eine Sprache von ganz anderer Art; er machte ihr Herz gleichgültig gegen ihren Gatten und hinterging ihn so sehr, daß, wenn dieser sie unerwartet allein und im vertraulichen Gespräche fand, er glaubte, der Gegenstand ihrer Unterhaltung sey die Religion. Unter dieser Maske und durch die Leichtgläubigkeit des alten Mannes immer kühner gemacht, blieb er bei zunehmender Gunst so lange in dieser Familie, bis ein Erbe geboren ward, welcher einst das Vermögen des guten alten Republikaner bekommen sollte.

Stafford und seine Gebieterin setzten, gleichgültig gegen Religion und Ehre, ihren sträflichen Umgang fort und lachten oft über die Leichtgläubigkeit des Mannes und seine fortdauernde Zuneigung zu Stafford. In den Augenblicken dieses schändlichen Leichtsinns hatte ihm seine Gebieterin einen Ring und auch einige Juwelen zum Geschenke gemacht und ihn nicht bloß von einer ansehnlichen Anzahl dergleichen Nachricht gegeben, welche ihr Mann gesammelt hatte, sondern ihm auch den Ort gezeigt, wo sie sich befanden. Die heftige Leidenschaft des Geitzes gewann nunmehro die Oberhand in seinem verdorbenen Herzen und er beschloß, sich der Juwelen zu bemächtigen und seine Geliebte zu verlassen, um neue Abenteuer aufzusuchen.

Sein Plan aber konnte nicht ohne den Beistand eines Andern ausgeführt werden und er war lange zweifelhaft, wem er eine so kizliche und wichtige Rolle anvertrauen sollte. Endlich warf er seine Augen auf einen gewissen Tom Pretty, den Sohn eines französischen Refugies, den er vormals auf der Schule gekannt hatte und von dessen Charakter und Gesinnung er eine vollkommene Kenntniß besaß. Er verschaffte sich daher einen Schlüssel zur Thüre des Cabinets, wo sich die Juwelen befanden und sorgte dafür, daß die Fenster zerbrochen würden, damit es schiene, als sey man von aussem eingestiegen, legte eine Leiter ans Fenster und machte einen solchen Lerm, daß es Einige von den Leuten hören konnten. Stafford, der immer auf seine Pflicht und auf das Beste seines Herrn aufmerksam war, war der Erste, der den andern Morgen L erm machte. Man ließ das übrige Gesinde kommen; sie sagten, sie hätten einen Lerm gehört, sahen die Leiter und der Verdacht fiel auf niemand weniger, als auf den treuen Stafford.

Dem Tom Pretty gelang es, die Juwelen vortheilhaft zu verkaufen und er bekam ein solches Geschenk, das ihn an den Dienst seines neuen Herrn fesselte, welcher noch eine Zeit lang seine Stelle behielt, um jeden Schatten von Verdacht zu verhüten, der seinen Charakter beflecken könne. Stafford, in der vollen Ueberzeugung, daß er sich der Frauen zur Ausführung seiner Pläne sehr vorteilhaft bedienen könne, richtete nunmehro seinen Angriff auf die Tugend einer sehr schönen Frau, welche erst zwei Jahre verheiratet war. Zu seiner nicht geringen Kränkung fand er jedoch, daß sie hundert Guineen für ihre Gefälligkeit verlange. Als alle seine Versuche scheiterten, sie von ihrem Vorsatze abwendig zu machen, brachte ihn sein erfindinderischer Geist auf ein Mittel, das er zur Ausführung seiner Absicht für sehr zweckmäßig hielt. Er lebte mit ihrem Manne auf einem freundschaftlichen Fuße und da er ihn oft besuchte, so ergriff er eines Tags die Gelegenheit, hundert Guineen von ihm zu borgen, unter dem Vorwande, er brauche diese Summe, um einen Kaufpreis von 500 Guineen vollständig zu machen; zugleich zeigte er ihm 400 Guineen, welche er von dem neulichen Verkaufe der Juwelen bei sich hatte. Der Mann gewährte ihm recht gern seine Bitte und da Stafford schon die Sache mit der Frau aufs reine gebracht hatte, so kam er der Verabredung gemäß eines Tages zu ihr, als gerade mehrere Personen bei Tische saßen und der Mann nicht zu Hause war. Er zog sogleich seine Börse heraus, gab sie ihr und sagte: „ich habe von Ihrem Manne hundert Guineen geborgt und da er jetzt nicht zu Hause ist, so will ich das Geld Ihnen geben und die hier Gegenwärtigen sind Zeugen, daß ich es bezahlt habe.“ Die gute Frau, die von dem Gelde nichts wußte, das ihr Mann Stafford geborgt hatte, glaubte, dies sey bloß ein geschickter Kunstgriff, um jeden Verdacht zu vermeiden und nahm das Geld sehr vergnügt in Empfang. Die Folge dieses Abentheuers brauchen wir nichts zu erzählen.

Einige Tage darauf ergriff Stafford in Gegend wart des Mannes die Gelegenheit, ihn zu benachrichtigen, daß er in Gegenwart verschiedener Gäste, die an seinem Tische gesessen, seiner Frau die hundert Guineen wieder bezahlt, die er letzthin von ihm geborgt habe. Die Frau veränderte die Farbe, konnte jedoch die Sache nicht leugnen und der Mann freute sich sehr über die pünktliche Wiederbezahlung seines Geldes. Stafford aber war mit dem glücklichen Ausgange seines Abentheuers nicht zufrieden, sondern posaunte es in der ganzen Nachbarschaft aus.

Als sich Stafford eines Tags auf dem Wege nach seinem Geburtsorte befand, um daselbst seine Verwandten zu besuchen, und nicht um jemand zu berauben, da er jetzt reich an Gelde war, führte ihm der Zufall eine ansehnliche Beute in die Hände, die er nicht ausschlagen konnte. In dem Walde von Maidenhead holte er einen alten Herrn ein, den er nach seinem Aeußern sogleich für das erkannte, was man damals einen frommen Mann nannte. Er redete den Reisenden auf seine gewöhnliche artige Weise an und entdeckte bald, daß der alte Herr ein puritanischer Methodist sey; er richtete daher sein Benehmen dieser Denkart gemäß ein. Die Brüder freueten sich über das Glück, das sie zusammen gebracht hatte; besonders ließ sich der alte Herr ausführlich über die Güte der Vorsehung aus, die ihm einen solchen Gefährten zugeführt habe, „aber, fuhr er fort, wir müssen alles, was uns wider fäh rt, einer weisen Vorsehung zuschreiben; ich f?r meine Person bin immer mit meinem Loose zufrieden, da ich erzeugt bin, daß alle Dinge zum Besten eingerichtet sind und zum Vorteil der Auserwählten dienen,“ von denen er sich selbst für einen hielt, wie Stafford bald aus seiner Unterhaltung sah. Als sie in den dicksten Theil des Waldes kamen, zeigte sich Stafford in seinem wahren Lichte und sagte, „ daß, da er ein Mann sey, der mit allem zufrieden sey und alles zum Besten eingerichtet be trachte, er von ihm seine Börse verlange.“ Zugleich hielt er ihm ein Pistol auf die Brust und erklärte, daß er sogleich sein Geld geben müsse; übrigens wolle er dafür sorgen, daß er im nächsten Wirthshause ein gutes Abendbrod und ein warmes Bette bekomme. Der alte Herr gab ihm seine Börse, in der sich 40 Guineen befanden. In der Mitte des Waldes band ihn Stafford an einen Baum, verließ ihn und sprengte auf Nebenwegen nach Buckingshire.

Ehe er noch die Heerstraße erreichte , überfiel ihn die Dunkelheit der Nacht; da er aber in einiger Entfernung Licht bemerkte, so ritt er darauf zu und fand, daß es v on einem schönen Landsitze herrühre. Er pochte an die Thür und sagte, er habe sich verirrt; er bat daher um ein N achtqurtier, das er sehr gern bezahlen wolle, da er wegen der Finsterniß nicht weiter reisen könne. Die Gebieterin des Hauses erwartete ihren Mann von London zurück und da sie glaubte, er sey es, so kam sie an die Thür, wo sie seine Geschichte hörte; sie glaubte seiner Erzählung, weil er ein Mann von Stand zu seyn schien, gab Befehl, sein Pferd in den Stall zu führen und lud ihn zu einem artigen Abendessen ein, das sie für ihren Mann zurechte gemacht hatte, der länger aufgehalten worden zu seyn schien, als sie erwartete. Stafford wunderte sich über sein Glück und beschloß diese günstige Gelegenheit so gut als möglich zu benutzen. Um diese Absicht desto schneller zu erreichen, schenkte er seiner Wirthin fleißig Wein ein und unterhielt sie mit verliebten Liedern. Sein Wunsch gelang ihm, allein seine lasterhaften Gewohnheiten hatten nunmehro ein solches Uebergewicht in seinem Herzen erlangt, daß er sich diesmal mehr als ein gewöhnlicher Verbrecher zu Schulden kommen ließ. Aus Dankbarkeit für die ihm erwiesenen Gefälligkeiten band er seine Wirthin an ihr Bette und zwang sie, ihm zu entdecken, wo er das Geld und das ihrem Manne gehörige Silbergeschirr fände. Nachdem er einen Raub von ungefähr 300 Pf. St. (1800 Thaler) an Werth zusammen gepackt hatte, ging er in den Stall, schwang sich auf sein Pferd und ritt auf lauter Nebenwegen nach London, um der Entdeckung zu entgehen.

Durch seine glücklichen Unternehmungen brachte Stafford eine ansehnliche Summe Geldes zusammen: um der Entdeckung zu entgehen, da er nunmehro in der ganzen Gegend sehr genau bekannt war, zog er sich nach einem Dorfe in Nordengland zurück und lebte daselbst sehr eingezogen und sparsam. Um noch mehr allem Verdachte auszuweichen, nahm er den Schein von Heiligkeit an, ging in die Kirche, besuchte Privatzusammenkünfte und da er sich oft im Reden übte, so wurde er bald unter dem einfältigen Landvolke als Redner sehr beliebt. Nach einem Aufenthalte von ungefähr einem Jahre starb der dasige Prediger und es dauere nicht lange, so übertrug man ihm seine Stelle. Mit scheinbarem Widerwillen nahm er sie an, trat als Prediger auf und hatte ein jährliches Einkommen von 40 Pf. St. (240 Thaler). Stafford verwaltete sein Amt ganz zur Zufriedenheit seiner Gemeinde, bis ihn seine Neigung zum schönen Geschlechte nöthigte, sich heimlich zu entfernen. Bei seiner Flucht nahm er das Silbergeschirr und Leinenzeug der Kirche mit, das sich auf eine ansehnliche Summe belief.

Der Capitain Stafford fing nunmehro seine vorige Lebensart wieder an. Ungefähr vier englische Meilen von Reading traf er einen reichen Pächter an, der aus der Stadt zurückehrte, wo er Weitzen verkauft hatte; er ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein und erfuhr, daß er eine gewisse Summe Geld bei sich habe. Er setzte ihm ein Pistol auf die Brust und drohete ihn auf der Stelle zu erschießen, wenn er ihm nicht augenblicklich seine Börse gebe. Der erschrockene Pächter that sogleich, was Stafford verlangte und überreichte ihm 33 Pf. St. (198 Thaler). Kaum hatte er aber den Pächter verlassen, so kamen zwei gut berittene Herrn auf ihn zu; da sie hörten, was vorgefallen war, so ritten sie ihm nach, holten ihn in der Entfernung von einer Stunde ein, entwaffneten ihn, nahmen ihm das Geld ab und führten ihn vor einen Friedensrichter, der ihn ins Gefängniß schickte. In der nächsten Gerichtssitzung wurde er gerichtet und zum Tode verurteilt. Während seiner Gefangenschaft lebte er auf eine verschwenderische Art; erhielt mehrere Besuche von Leuten seinem Gewerbes, welche einen Entwurf zu seiner Befreiung machten und übereinkamen, ihn zu ihrem Anführer zu wählen. Die Sache wurde jedoch ruchbar, der Tag seiner Hinrichtung wurde verändert und Stafford in seiner Hoffnung betrogen.

Dem Capitain Stafford wurde ein schönes Kleid mit einem Blumenstrauß auf der Brust angezogen und er schien völlig sorglos. Als man vor einem Wirthshause vorbei zog, verlangte er ein Nösel Wein, trank es aus und sagte zum Wirth, er wolle ihn bezahlen, wenn er wieder zurück komme. Als er auf dem zur Hinrichtung bestimmten Platze anlange, sah er sich aufmerksam um und suchte die Vollziehung des Urtheils hinaus zu schieben; als er aber niemand zu seiner Rettung herbei kommen sah, wurde er leichenblaß und zitterte am ganzen Leibe. Im Augenblicke der Hinrichtung überreichte er dem Landrichter ein Papier, das eine kurze Erzählung seiner Abentheuer und die Ursachen enthielt, die ihn zur Ergreifung einer Lebensart vermocht hatten, die ein so schreckliches Ende nahm.