Arthur Chambers, St.

Da es die Absicht dieses Werks ist, sowohl zu belehren als zu vergnügen, so wollen wir unsern Lesern bald lächerliche und sonderbare Ereignisse, bald Auftritte von Blut und Mord mittheilen, damit sie vor dem Laster einen gerechten Abscheu bekommen.

Arthur Chambers war von niedriger Geburt und es fehlte ihm an jeder liebenswürdigen Eigenschaft. Von seiner frühesten Kindheit an war er ans Mausen gewöhnt. und da die erbärmlichen Umstände seiner Eltern seine Ausschweifungen nicht unterstützen konnten, so nahm er zu ehrlosen Mitteln seine Zuflucht. Man erzählt sogar, er habe noch im Knabenrocke mehrere Diebereien verübt.


Das Erste, was er versuchte, bestand darin, daß er von einem erfahrnen Meister alle unter den Taschendieben gangbare Wörter und Redensarten lernte, wodurch sie sich von einander unterscheiden. Chambers war in dieser neuen Sprache bald ein Eingeweiheter. Da er gut gekleidet ging, so kam er in die bessere Art von Gesellschaft und benutzte solche Gelegenheiten, um seine Gesellschaft zu bestehlen.

In kurzem kam er ins Gefängniß nach Bridewell und mußte wegen einiger kleinen Vergehungen harte Arbeiten verrichten. Als er seine Freiheit wieder erhielt, verließ er London, wo er anfing von neuem verdächtig zu werden und ging nach Cornwall. Sein Witz und seine Lustigkeit verschafften ihm eine gute Aufnahme in gebildeten Gesellschaften und er wurde eine ausgezeichnete Person an diesem Orte. Ehe er London verließ versorgte er sich mit einer großen Menge falscher Kronen und halber Kronen, die er verwechselte und ausgab, wo er hinkam. Nachdem Mehrere betrogen worden waren, stellte man eine genaue Untersuchung an und Chambers wurde entdeckt. Wegen dieses Verbrechens kam er ins Gefängniß, wo er anderthalb Jahre blieb.

Da er in Cornwall nicht länger bleiben konnte, so kehrte er nach London zurück. Bei seiner Ankunft ging er in ein Bierhaus, forderte einen Krug Bier und ein Stückchen Brod und Käse. Nachdem er sich erfrischt hatte, ließ er sich mit einigen Leuten an einem benachbarten Tische in ein Gespräch ein. Dir Unterredung betraf die großen Vortheile des Landlebens, sie sprang aber plötzlich auf das Rauben über. C hambers benutzte die Gelegenheit und bedauerte, daß man keine bessern Maßregeln zur Unterdrückung solcher Bübereien ergreife; denn, setzte er hinzu, der Tod war keine große Strafe für den, welcher sogar die ganze Welt ausplünderte. Aber warum führe ich solche Reden? fuhr er fort. Wenn große Verbrecher geduldet werden, so kann mit Recht der Arme und Notleidende sagen, wir müssen leben und was ist es denn für ein Unrecht, denen etliche Guineen abzunehmen, die sie entbehren können oder sie vielleicht andern geraubt haben? Ich für meine Person sehe einen geschickten Taschendieb für eine sehr nützliche Person an, weil er die Beutel derer leert, die ihr Geld verspielt oder noch schlechter angewandt haben würden. Ich kann, meine Herrn! aus einer Tasche so geschickt stehlen, als irgend jemand in England und ob ich dies gleich sage, so bin ich doch ein eben so ehrlicher Mann als der beste Engländer. Sehen Sie einmal den Herrn vom Lande, der hier vor dem Fenster vorbei geht, ich mache mich verbindlich, ihm seine Uhr zu stehlen, ob es gleich kaum fünf Uhr ist.

Man wettete augenblicklich fünf Shillinge und Chambers eilte dem Herrn nach. Er redete ihn am Ende von Long Lane an, zog seinen Hut ab und fragte ihn, ob er ihm nicht den nächsten Weg nach Knave's Acere zeigen könnte. Derselbe erwiderte, er wünsche selbst den Weg nach Moorfields zu wissen, den ihm Chambers mit seiner gewöhnlichen Beredsamkeit zeigte. Während der Herr nach der Gegend hinsah, die er ihm wieß, ergriff Chambers die Gelegenheit, ihm die Uhr zu stehlen. Hierauf eilte er nach dem Bierhause zurück, legte sie auf den Tisch und verlangte die Wette; aber in kurzen suchte er den Herrn wieder auf und gab ihm die Uhr zurück; derselbe dankte dafür und schenkte ihm eine halbem Krone.

Den nächsten Streich verübte Chambers an einem einfältigen Landmanne, der erst vor kurzem nach London gekommen war. Dieser Bauer war in eine Gesellschaft von Schlauköpfen gerathen, stand an einem Marmortische und staunte. Unser Abentheurer trat zu ihm, schlug ihm auf die Schulter, fragte ihn, aus welchem Theile des Landes er sey und ob er eine Stelle als Herrnbedienter zu haben wünsche. Robin erwiderte, daß er deshalb nach der Stadt gekommen sey, um eine solche Stelle zu suchen. Chambers versetzte dann, er könne ihn gerade brauchen: „Ich glaube, ich kann euch jährlich vier Pf. St. (24 Thaler) Lohn und sechs Shillinge wöchentlich Kostgeld und alle abgelegten Kleider geben, welche nicht die schlechtesten sind.“ Dies war genug, um Robin große Lust zu machen, der noch nie ein solches Anerbieten erhalten hatte. Nachdem alles seinem Wunsche gemäß verabredet war, trat Robin seinen neuen Dienst an. Er bekam Chambers Mantel und nahm ihn auf den Arm und folgte seinem Herrn nach. Chambers bestahl eine Kutsche, Robin stellte sich hinten darauf, man fuhr nach einem Wirthshause. Man verlangte etwas zu essen, Robin setzte sich mit seinem Herrn zu Tische und beide hielten eine gute Mahlzeit; unterdessen unterrichtete er ihn von allen Streichen, die man in der Stadt spiele und ermahnte ihn, immer auf seiner Hut zu seyn. Auch sagte er ihm, die Bedienten im Wirthshause würden ihn zum Kartenspiel zu verleiten suchen und er liefe Gefahr, von ihnen betrogen zu werden; wenn er daher Geld bei sich habe, so thäte er wohl, wenn er es ihm gäbe, indem er es immer wieder bekommen könne, sobald er es brauche. Er zog seinen Beutel heraus und gab Chambers alles, was er hatte, welcher damit seine Mahlzeit bezahlte, fortging und Robin verließ, um für sich selbst zu sorgen und den Verlust seines Geldes und seines neuen Herrn zu beklagen.

Das nächste Opfer von Chambers Habgier war ein ältlicher Herr, der ein junges Frauenzimmer geheirathet hatte und mit ihm auf einem Landhause bei Huntingdon lebte. Oft hatte Chambers seine Augen auf dies Haus geworfen, aber seine Entwürfe waren immer vereitelt worden. Wahrscheinlich hatte man seine Absichten errathen, da der Herr immer Feuergewehr in seinem Hause hatte, beim Mondlichte stets hinter den Fenstervorhängen saß und sich bereithielt, denjenigen anzugreifen, der so unbesonnen seyn sollte, einzusteigen. Daher sammelt er so viel Kleidungsstücke, um einen Mann daraus zumachen, setzt eine Leiter ans Fenster des Herrn, steigt hinauf und richtet es so ein, daß der gemachte Mann mit dem Kopfe ans Fenster stößt. Der alte Herr geräth durch den Lerm in Unruhe, schießt sogleich sein Pistol los und der Mann fällt hinab.



Unterdessen eilt Chambers die Leiter hinab und begiebt sich wieder zu seinen Gefährten, die hinter dem Hause warteten. Der Herr weckte seine Frau auf, um ihr zu erzählen, was vorgefallen sey und sich mit ihm zu freuen, daß er nunmehro gänzlich von dem erlöset sey, der sie beständig in Schrecken versetzt habe: „Um aber in Hinsicht seiner alle Kosten zu ersparen und aller Mühe auszuweichen,“ fuhr er fort, „will ich jetzt aufstehen, ein Loch machen und ihn in einem Winkel des daran stoßenden Grundstückes begraben.“ Er ging daher fort, nahm einen Strick, band ihn dem Manne um den Hals, schleppte ihn nach der bestimmten Stelle und verscharrte ihn. Chambers sah dies, lehnte die Leiter wieder ans Fenster, stieg hinein und ging zur Frau ins Bett. Er ahmte die Stimme des Mannes nach, bediente sich der Vorrechte desselben und äußerte große Besorgnisse, der Geist des erschossenen Mannes möchte noch immer im Hause umher schleichen und die Juwelen stehlen; er gab ihr daher den Rath, sie in dem benachbarten Zimmer zu verstecken. Die leichtgläubige Frau glaubte, es wäre ihr Mann, reichte ihm das Kästchen, Chambers entwischte damit die Treppe hinab und eilte mit seiner Beute zu seinen Gefährten zurück.

Als der Mann zurück kam, ging er auch zu Bette; die Frau schalt ihn aus, daß er so kalt sey und fing an, mit ihm von der Sicherheit ihrer Ringe und Uhren zu sprechen, da er sie jetzt versteckt habe. Der alte Mann erwiderte, sie träume sicherlich oder liege im Wahnsinne; er habe weder ihre Ringe, noch ihre Uhren, noch ihre Juwelen gehabt und sie bestand mit gleicher Zuversicht darauf, daß er sie habe, und erinnerte ihn an einen gewissen geheimen Beweis, daß er da gewesen sey. Der alte Mann gerieth in Wuth tobte; rief die Bedienten, untersuchte alles und fand zu seiner großen Kränkung, daß er nicht weniger als 1.500 Pf. St. (9.000 Thaler) eingebüßt hatte. Um der Sache noch mehr auf den Grund zu kommen, grub er den andern Tag den todten Mann aus und fand, daß es bloß einige alte Lappen statt d es bekannten Bösewichts waren, den er so sehr fürchte und verabscheute, den er aber jetzt um so mehr Ursache zu verwünschen hatte, da er nicht bloß Eingriffe in seine ehelichen Rechte gethan, sondern ihm auch eine eben so kostbare Sache gestohlen hatte.

Chambers nächstes Abentheuer war gegen den Wirth von dem Greyhund gerichtet. Seine Frau war ziemlich schön, besonders aber lustig und munter und da Chambers oft da einkehrte, so hatte er Lust, eine solche Rolle wie zu Huntingdon zu spielen. Er nimmt seinen Weg dahin und giebt vor, er sey in der Nähe der Schenke von drei Leu ten angefallen worden; er trat daher mit seinen über und über beschmutzten Kleidern hinein. Die Reisenden, die in der Schenke waren, bedauerten ihn wegen seines Unglücks und gaben ihm andere Kleider, bis die seinen wieder rein gemacht seyn. Um sich den Kummer über sein Mißgeschick zu vertreiben, lud er sechs von seinen Mitreisenden nebst dem Wirthe und seiner Frau zu einem Abendessen ein. Das Glas ging fleißig herum. Die Frau unterhielt die Gesellschaft mit mehreren passenden Gesängen. Chambers sorgte dafür, daß ihr Glas nie lange leer blieb. In kurzem sah er mit innigem Vergnügen alle seine Gesellschafter, mit Ausnahme des Wirths, in die Arme des Schlafs sinken. Er that den Vorschlag, sie zu Bette zu schaffen und es traten zwei bis drei starke Kerle herein, die dies Geschäft vorrichteten. Chambers war so gefällig, ihm beizustehen und sorgte dafür, daß er sich durch ihr Geld und ihre Uhren für seine Mühe bezahlt machte.

Als er mit dem Wirthe allein war, schlug er ihm vor, noch eine Boutille mit einander auszutrinken. Mau leerte noch Eine, ehe der Wirth in dem Zustande war, daß man ihn zu den Andern schaffen konnte. Er half den Leuten den dicken Wirth ebenfalls forttragen und wurde bei dieser Gelegenheit genau mit der Schlafstube bekannt und als er sah, daß die Thür der Seinigen gerade gegenüber war, entfernte er sich, nicht etwa um zu schlafen , sondern um sein Vorhaben auszuführen.

Als er glaubte, der Wein äußere seine volle Kraft auf das getäuschte Ehepaar, schlich er sich in die Schlafstube, wartete eine Zeit lang und suchte alles zusammen, was er bequem fortbringen konnte. Mit Tagesanbruch zog er die besten Kleider an, welche ihm seine Trinkgenossen liefern konnten, verlangte das Pferd der Person, deren Kleider er jetzt trug, ließ dem Aufwärter zwei Guineer zurück, um seine Rechnung zu bezahlen, schenkte dem Stallknechte eine halbe Krone und ritt nach London.

Die erste Unternehmung nach seiner Ankunft in dieser Stadt war ein Angriff auf einen italienischen Kaufmann auf der Börse. Er nahm ihn bei Seite, erkundigte sich sehr angelegentlich, was er zu verkaufen habe und indem er sich so mit ihm in ein Gespräch einließ, nährte sich Einer von Chamberts Spießgesellen und mischte sich in das Gespräch. Unterdessen fand unser Held Mittel, ihm eine große goldene Börse und eine goldene Uhr aus der Tasche zu ziehen, die er seinem Genossen übergab. Mit diesem ersten glücklichen Unternehmen war er noch nicht zufrieden und da er bemerkte, daß er ein seidenes Tuch aus der Tasche hängen habe, so ging er um ihn herum, um es heraus zu ziehen, allein er wurde auf der That ertappt und von dem Kaufmanne festhalten, der ein Dieb! ein Dieb! rief. In dieser Verlegenheit eilt Chambers Spießgeselle zudem Ausrufer und ersucht ihn, öffentlich bekannt zu machen, daß, wenn jemand eine goldene Börse verloren habe, er sie wieder erhalten könne, sobald er die gehörigen Kennzeichen anzugeben vermöge. In der Erwartung, sein Geld wieder zu bekommen, ließ der Kaufmann den Dieb fahren und im Gedränge kamen Chambers und seine Freunde mit ihrer Beute davon.

Allein Chambers war jetzt entschlossen, eine seinem Talente würdige That auszuführen. Er miethete sich in einem Hause das erste Stockwerk und bezahlte dem Wirth wöchentlich dafür 14 Shillinge. Da man ihn sowohl wegen seinem Aeußern als wegen seines Aufwandes für einen Mann von Vermögen hielt, so entspann sich nach und nach eine wechselseitige Vertraulichkeit. Als sein Entwurf reif war, trat er eines Tags mit einer sehr nachdenkenden und traurigen Miene in das Zimmer seines Wirths, der sich ängstlich nach der Ursache seiner Traurigkeit erkundigte. Chambers erzählte ihm mit Thränen in den Augen, daß er so eben von Hampstead komme, wo er Zeuge von dem Tode eines geliebten Bruders gewesen sey, der ihn zu seinem einzigen Erben, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung gemacht habe, seine theuern Ueberreste in der Westminsterabtei beizusetzen; er bitte ihn daher um die Gefälligkeit, seines Bruders Leichnam zu einer gewissen Stunde in ein Haus bringen zu dürfen, von wo er nach seinem Bestimmungsorte geschafft werden sollte. Sein Gesuch wurde ihm sehr gern gewährt.

Chambers ging den Morgen darauf aus und versprach, daß der Leichnam um sechs Uhr Abends da seyn solle.

Zu der bestimmten Stunde langte der Leichenwagen mit sechs Pferden vor der Thüre an. Ein schöner Sarg mit sechs vergoldeten Handhaben wurde die Treppe hinauf getragen und auf den Tisch ins Speisezimmer gesetzt; die Pferde wurden von den Leuten in einen Stall der Nachbarschaft gebracht. Sie sagten dem Wirthe, Chambers werde durch Geschäfte abgehalten und werde wahrscheinlich diese Nacht in dem Strand schlafen.

Dieser schlaue Schurke stak jedoch in dem Sarge, in welchem Öffnungen gemacht waren; die Schraubennägel waren nicht befestigt; er hatte alle seine Kleider an, bloß ein Sterbehemde darüber und sein Gesicht war mit Flor bedeckt. Die ganze Familie ging zu Bette, ausgenommen die Magd. Chambers machte sich aus seinem Gefängnisse heraus, ging die Treppe hinab, ins Sterbehemde gehüllt, setzte sich nieder und sah der Magd ins Gesicht, die voller Schrecken „ein Geist! ein Geist!“ schrie und die Treppen hinauf in ihres Herrn Zimmer rannte. Dieser schalt sie wegen ihrer unsinnigen Furcht aus, und verlangte, sie möchte zu Bette gehen und ruhig seyn, allein sie schlug es ab und blieb in der Schlafstube.

In kurzem kam jedoch der stattliche Geist selbst herein geschritten, setzte sich hin und flößte allen dreien, die zugegen waren, einen tödtlichen Schrecken ein. Als er es für gut hielt, ging er wieder fort, warf mit den Thüren und machte einen großen Lerm im Hause, um seine Absicht zu verbergen. Er ging die Treppe hinab und öffnete seinen Genossen die Thüre, welche ihm das Silbergeschirr und alles, was fortgebracht werden konnte, fortschaffen halfen; sie ließen nicht einmal das Küchengeräthe da. Die Magd war die erste, die sich des Morgens aus der Stube wagte und die ihrem Herrn und ihrer Frau von dem Vorgefallenen Nachricht brachte, allein sie machten ihr noch ärgere Vorwürfe, als in der vergangenen Nacht, über ihre Leichtgläubigkeit, daß sie annehmen könne, ein Geist könne ein Haus bestehlen oder etwas aus demselben fortschaffen. In kurzem stand jedoch der Wirth auf, ging die Treppe hinab und fand zu seinem Erstaunen und zu seiner Betrübniß, daß sein ganzes Silbergeschirr und alle seine Habseligkeiten fort waren und daß er dafür bloß einen leeren Sarg erhalten hatte.

Um die Geduld unserer Leser nicht zu ermüden. wollen wir bloß hinzusetzen, daß Chambers seine Räubereien fortsetzte und endlich nach vielen listigen und niederträchtigen Handlungen entdeckt, gerichtet und verurtheilt wurde und sein sonderbares und lasterhaftes Leben an dem Galgen zu Tyburn endigte.