Zusammenberufung und Sichtung der Adligen

Die befohlene Vereidung der Großen war durch den großen Zusammenfluss von Adligen und Bediensteten, die sich gerade in Moskau fanden, sehr befördert. Ein Kaiserlicher Befehl hatte namentlich die Edelleute dort versammelt, um vor dem Heroldsamte ihren Adel prüfen zu lassen. Denn obgleich die Russischen adligen Geschlechter in den Geschlechts- und Stammbüchern verzeichnet waren, so wollte Peter doch, teils von deren Vollständigkeit versichert sein, teils aus diese Art in Erfahrung bringen, woher eines jeden Adel entstanden sei, wie viel Söhne jeder Edelmann habe, und wo ein jeglicher sich aufhalte. Dadurch meinte er die jüngern Söhne guter Familien, die durch das Recht der Erstgeburt in Armut geraten und dem Dienst entzogen waren, hervorzuziehen und für den Staat zu gewinnen.

Schon im Jahre 1721 waren in alle Provinzen wiederholte Befehle ergangen, dass alle edle Geschlechter, und alle abgedankten, imgleichen die Hälfte der im Dienst stehenden Offiziere, mit Ausnahme der in Sibirien und Astrakan befindlichen, sich im Dezember zu Moskau einfinden, und bei dem Heroldsmeister Kolitzschow sich aufzeichnen lassen sollten. Da jedoch der Kaiser bei seiner Ankunft in Moskau nur einen geringen Teil erst versammelt sah, so waren die Saumseligen sofort (1722 Januar 11.) durch ein geschärftes Mandat geladen, *) und bei der angedrohten Gefahr, nicht nur ihre Vorrechte, sondern auch ihre Güter zu verlieren, und als Landesverräter behandelt zu werden, waren nun schleunig die Geladenen in die Hauptstadt zusammen geströmt. Vielleicht hatte Moskau nie zuvor größeren Glanz gezeigt, als in diesem Augenblick.


Die Fremden, die sich eingefunden hatten, wurden ohne strenge Untersuchung entlassen.**) Strenger waren die Fragen, die den Eingebornen von der bestellten Kommission vorgelegt wurden. Nach ernster Warnung, die Wahrheit zu sagen, wodurch allein sie ihre Fehltritte büßen könnten, ergingen unter andern die Fragen an sie: wer ihnen das Amt, das sie bekleideten, erteilt habe? durch welche Mittel sie dazu gelangt seien? ob sie eine untreue gegen den Kaiser und das Reich begangen? ob sie eine öffentliche Bestrafung, und für welches Vergehen sie solche erlitten hätten?

Das Protokoll dieser Kommission enthüllte eine unsägliche Reihe von Verbrechen aller Art. Dem Kaiser genügte es, davon unterrichtet zu sein; denn keines der Bekenntnisse hatte einen peinlichen Prozess zur Folge. Wohl aber leitete es den Monarchen bei der Wahl der Personen, die er bei der Veränderung der Organisation fast aller Tribunale anzustellen nötig fand.

*) Es stehe in Reichardts Staat von Russland S. 437. f. Siehe Anmerkung 5.

**) Anmerkung 6.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 3