Veränderte Organisation der Tribunale. General Proküreur Jaghuschinski

Längst hatte der Kaiser die Unzuträglichkeit bemerkt, dass die Senatoren den verschiedenen Tribunälen als Präsidenten vorstanden. Jeder dieser Gewalthaber vermochte nun in seinem Departement die Gerechtigkeit nach seinen Absichten zu lenken. Vergeblich war der Widerstand der Subalternen, vergeblich jede Berufung der unterdrückten auf höhere Instanzen. Denn die gegenseitige Schonung, welche die Mitglieder des Senats unter sich übten, raubte der Berufung an diese letzte Instanz alle Wirkung.

Dies bewog den Kaiser zu der Verfügung, (12 Jan. 1722) dass, da die Senatoren bloß das allgemeine Wohl des Staates zum Augenmerk haben müßten, künftig kein wirklicher Senator einen Sitz in den vermiedenen Dikasterien einnehmen, und die Präsidenten der Tribunale, wenige bestimmte Fälle aufgenommen, nicht im Senat erscheinen sollten.


Zugleich gab er dem Senat, wie in Frankreich üblich war, einen General-Proküreur, der den Sitzungen beiwohne, auf alles, was in dem Senate abgemacht ward, ein wachsames Auge habe, und zusehe, dass alles nach den Reichsverordnungen geschehe, dabei für die schleunige Vollstreckung der Senatsbefehle sorge, und was ihr hinderlich sei, aufzeichne. Auch ward er bevollmächtiget, darauf zu achten, dass alle Mitglieder des Senats überhaupt, und jedes insbesondere ihre Pflicht erfüllten. Die Pflichtvergessenen sollte er dem Senate, allenfalls dem Kaiser selbst anzeigen. Auch ward die ganze Kanzlei, mit allen Bedienten bei derselben, seiner Oberaufsicht untergeben.

Weil aber dieser Geschäftskreis für Einen Mann zu ausgedehnt war, so setzte ihm der Kaiser einen Ober-Proküreur an die Seite, der in allem sein Gehilfe sei, und den Abwesenden vertrete. Beiden wurde noch besonders anbefohlen, die noch zweifelhaften Gesetze zu erklären, und die Entscheidung dem Monarchen vorzutragen, von dem allein sie in Gegenständen, die ihr Amt betrafen, abhängig sein sollten.

So wie in den Senat, so setzte der Kaiser auch in jedes Kollegium einen Proküreur mit gleichen Pflichten und mit dem Auftrage, alles, was wider die Gesetze geschehe, dem General-Proküreur zu melden, durch welchen es dann an den Senat gelangen solle. *)

Der erste General-Proküreur ward der Generalmajor und Kammerherr Jaghushinski. Er, ein Pole von Geburt, der sich vom Denshtshik auf zu den höchsten Ämtern geschwunden hatte, erhielt durch diese wichtige Stelle das höchste Zeichen der Kaiserlichen Gunst. So geehrt er sich dadurch fand, so ließ doch sowohl er, als der Generalmajor Gregorius Pisarew, welcher der erste Ober-Proküreur ward, sich nur mit Mühe zur Annehmung eines Amtes vermögen, das seiner Natur nach den getreuen Verwalter mit Feinden umringen mußte. Viele der nach Moskau, Geladenen fanden bei der Besetzung so mancher andern Stellen eine Versorgung. Der Senat mußte eine Anzahl würdiger Kandidaten vorschlagen, ans welcher der Kaiser wählte. Nur in Ansehung der Personen die in den Justizhöfen angestellt werden sollten, begab er sich der Wahl. ,,Damit,“ wie er sich in der Bekanntmachung an den Senat ausdrückte, ,,bei der Besetzung dieser, dem Wohl der Privatpersonen so wichtigen Center, jeder Verdacht einer Begünstigung entfernet werde,“ ließ er unter den zur Rechtspflege würdig erfundenen Kandidaten das Loos entscheiden.**)

*) Die Instruktion für den General-Proküreur steht in der Anmerkung 7. Vergl. Haigolds Beilagen zum neuveränderten Russland S. 3gt. f.

**) Bassewitz I. c. p. 346. Reichardt a. a. O. S. 447.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 3