Peters wirksame Verwendung für den Herzog von Holstein

Wie sehr die Befreundung mit Schweden Peters ernste Absicht sei, das erklärte auch der Russische Minister Bestuscheff in Stockholm. Aber bei dieser Erklärung war es seine Voraussetzung, dass die Schwedische Nation dem unbillig von ihr verlassenen Sprossen des Hauses Wasa werde Gerechtigkeit wiederfahren lassen.

Der Kaiser hatte die dem Herzoge von Holstein getane Zusage nicht vergessen. Des Herzogs Nachfolge auf den Schwedischen Thron zur Bedingung des Nystädter Friedens zu machen, und gleich damals die Rückgabe des von Dännemark eingezogenen Schleswigs für ihn zu bewirken, war politisch untunlich gewesen. Aber mit festem Blicke beobachtete Peter die Vorgänge im Innern Schwedens, um von jeder Veränderung für den Herzog Nutzen zu ziehen. Da sich im Anfange des Jahres 1723 ein Schwedischer Reichstag versammelte, so bewog der Kaiser den Herzog, dass er seinen Geheimenrat von Bassewitz nach Stockholm sandte, um, in Verbindung mit dem Russischen Gesandten, die Holsteinische Angelegenheit wahrzunehmen. Die Ankunft eines Abgeordneten des Herzogs Karl Friedrich war dem Könige und seiner Gemahlin nicht angenehm. Man versagte ihm gleich Anfangs das Gehör und beharrte dabei, obgleich Bassewitz erklärte, dass der Herzog die Thron -Rechte desjenigen erkenne, welchen die Zuneigung seiner königlichen Muhme zum Throne gerufen habe, und dass er willig sich den Verfügungen seines Vaterlandes unterwerfe, eines Vaterlandes, welches seinem Herzen so lieb sei, dass Unruhen darin aufzuregen, nie sein Wille sein könne.


Mehrere Schweden fanden nach dieser Erklärung, dass der König und der Senat mit unbilliger Härte gegen den Sprossen ihres Königsstammes verfahre. Manche mochte auch die gefällige Aufnahme, und die offene Tafel, die sie bei dem Holsteinischen Gesandten fanden, dem Herzoge geneigt machen, manchem die drohende Russische Flotte zu Kronslot gefährlich dünken. Genug der Schwedische Reichstag drang in den König, Bassewitzen das Gehör nicht länger zu versagen. Der Gesandte wiederholte bei der öffentlichen Audienz (April 18) die vorige Versicherung, und so war der Weg zu der weitern Bitte gebahnt, „dass der Herzog durch die Bewilligung des Titels Königliche Hoheit als nächster Blutsverwandter des Königlichen Hauses anerkannt, und ihm die Schwedische Thronfolge, so wie Schwedens Beistand zu Wiedererlangung seines Anteils an dem Herzogtum Schleswig versichert würde.“ Der Russische Gesandte verband damit den Wunsch, dass Schweden ein Angriffs- und Verteidigungs-Bündnis mit Russland einzugehen, und seinem Beherrscher den Kaisertitel zuzugestehen sich bewogen finden möge.

Das letzte war wenig schwierig. Auch bewilligte der Reichstag dem Herzoge bald den begehrten Titel, welchen er sich bei seiner Abreise aus Schweden schon selbst beigelegt hatte. Schwieriger ward die gewünschte Versicherung der Schwedischen Thronfolge. Da Bassewitz glaubte, dass die wirkliche Verlobung einer Tochter Peters mit dem Herzoge dieser Angelegenheit großes Gewicht geben werde, so trug er dem Kaiser seine diesfälligen Wünsche vor. Aber Peter wich dem Antrage unter dem Vorgeben aus, ,,dass nach Schwedischen Gesetzen ein vermutlicher Kronerbe sich nur mit Einwilligung der Stände vermählen dürfe, diese Einwilligung also zuvor zu bewirken sei. Auch habe sich, fügte er hinzu, die Neigung seiner Tochter Anna für den Herzog noch nicht bestimmt genug gezeigt, und die Vater -Zärtlichkeit erlaube ihm um so weniger, Gehorsam zu fordern, da es noch ungewiss sei, ob der Glanz des Thrones seiner Tochter einst das ersetzen werde, was der Entschluss, dem Herzoge die Hand zu geben, vielleicht ihrem Herzen kosten werde.

Man begriff Anfangs diese Äußerung nicht, da der Kaiser den Herzog wegen seines lebhaften gebildeten Geistes zu lieben schien, wiewohl er seinen Mangel an Geschäfts-Tätigkeit und seine natürliche Neigung zur Ruhe und zu Vergnügungen tadelte. Man merkte aber bald, dass Peter dadurch nur den Französischen Minister Campredon zu schonen suche, dessen Vermittlung er in der Persisch-Türkischen Verhandlung noch bedurfte. Frankreich fürchtete die Vereinigung der Russischen und Schwedischen Krone auf Einem Haupte, und so verbot ihm die Politik, die Vermählung des vermutlichen Schwedischen Thronerben mit Peters ältester Tochter zu begünstigen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 3