Peters Rückzug. Gründung von Swiätoi-Krest

Nicht nur die Besetzung von Baku lag in des Kaisers Plan. Wahrscheinlich hegte er die Absicht, diese Stadt vorbei, nach dem Flusse Kur vorzudringen, den Strom bis Tiflis aufwärts zu fahren, und von dort endlich, um die Gegenden zu erkunden, den geraden Weg nach Terki zu nehmen. In Georgien wollte er das Christentum erneuern, an der Mündung des Flusses Kur aber eine große Handelsstadt anlegen, wo die Handlung von Georgien, Armenien nnd Persien wie in einem Mittelpunkte sich vereinigen und von da auf Astrakan fortgesetzt werden sollte.*)

Das waren die erstaunlichen Plane des großen Mannes. Ein Zusammenfluss kleiner Ereignisse machte Derbent zur Grenze des Feldzuges und zerstörte das weitgreifende Vorhaben.


So geneigt sich manche Einwohner Bakus zum Empfange der Russen bezeigten, so waren doch die Häupter der Stadt nicht wie die von Derbent gestimmt. Zwar nahmen sie das ihnen gesandte Manifest an. Aber den Abgeordneten, der es brachte, ließen sie nicht in die Stadt, und sehr bestimmt erklärten sie, dass sie, so wie bisher, sich auch künftig der Aufrührer zu erwehren hofften, und sich nicht entschließen könnten, Russische Hilfe, es sei an Proviant, oder Besatzung, anzunehmen. **)

*) Müller S. R. G. VII. S. 266.

**) Anmerkung 13.


Die Russischen Fortschritte, auf welche die Türken ohnehin mit Eifersucht blickten, wurden nach dieser Erklärung sehr erschweret, und der Erfolg erschien Petern um so zweifelhafter, da einige Unfälle der Proviant -Flotte einen Mangel an Lebensmitteln befürchten ließen. Zwölf vor der Mündung des Baches Milukenti belegene, Mehlbeladene Lastschiffe, mußten, vom Sturm ergriffen und beschädigt, die Anker kappen und sich auf den Sand setzen: ein großer Teil des Mehls war verdorben. Dreißig andere Lastschiffe mit Proviant, die der Kapitän Villebois von Astrakan herbei führte, konnten wegen der schlechten Beschaffenheit der Schiffe nur bis in den Agrachanischen Meerbusen kommen, und sich nicht weiter in die hohe See wagen, um Derbent, oder gar Baku zu erreichen. Nur für einen Monat Lebensmittel war vorrätig. Peter versammelte einen Kriegssrat, und der Beschluss war, für dieses Jahr den Feldzug zu enden und mit Hinterlassung einer Besatzung in Derbent nach Astrakan zurück zu kehren. Der Oberst Junger erhielt das Kommando über die Besatzung, und ungesäumt begann der Rückmarsch.

Petern beschäftigte indess der Gedanke, wie er den Russischen Besitzungen, am Kaspischen Meere größere Sicherheit gewähren könne. Von der unbequemen Lage der Grenzstadt Terki durch eigne Ansicht überzeugt, entschloss er sich, an einem günstigern Orte eine andere Festung zu gründen. Er wühlte dazu eine Gegend, zwanzig Werste von der Mündung .des Flusses Sulak, da wo der Fluss Agrachan sich von demselben trennt. Die Lage zwischen zwei Flüssen trug schon zu der Festigkeit bei, und die Fruchtbarkeit der Gegend versprach den Einwohnern eine Fülle von Lebensmitteln. Dem Beschlusse folgte schnell die Ausführung, und die neue Festung erhielt den Namen Swiätoi-Krest (zum heiligen Kreutz) *). Unter dem Kommando des Oberstlieutenants Leontei Soimonow blieben einige Regimenter Infanterie und Dragoner nebst einem Korps Kosaken hier zurück, und diese waren es, die nach des Kaisers Abzug den Bau der Festung vollführten, die bald stärker ward, als nötig war, um sich gegen einen Asiatischen Feind zu schützen. Tausend Familien Kosaken vom Douflusse mussten auf des Kaisers Befehl sich häuslich dort niederlassen, und so entstand schnell an dem Flusse Agra.

*) Anmerkung 14.

**) Anmerkung 15.


Während Peter sich mit Anlegung der Festung beschäftigte, wurden die Länder des widerspenstigen Usmei und des verräterischen Sultans von Utämisch aufs neue von Kosaken und Kalmücken heimgesucht und große Herden von Hornvieh als Beute zur Armee geführt.

Peter kehrte jetzt in das Agrachansche Retranchement zurück. Er fand hier sein voriges Boot, das ihn schnell nach Astrakan zurück führte, wo er am 4 Oktober ankam. Hier erwartete er die Rückkunft der Flotte, die mit gefährlichen Stürmen zu kämpfen hatte, und nicht ohne Verlust Astrakan erreichte. Auch bei der Armee bemerkte man großen Abgang, da die Beschwerlichkeiten eines so weiten Landmarsches, und die Veränderung der Luft und Nahrung, besonders der Überfluss reizender Früchte, vieles Volk durch Krankheiten hinraffte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 3