Einnahme von Derbent

Die Hälfte des Weges von der Russischen Grenze bis Derbent, dem ersten Ziele des Heerzuges, war zurück gelegt. Indess hatte die Kunde von der Annäherung des Russischen Heeres sich längst bis Derbent verbreitet. Diese nicht unbedeutende Seestadt, der Schlüssel zu Persien, (von den Türken Temir Kapi, oder das eiserne Thor genannt, *) liegt zwischen dem Kaukasus und dem Kaspischen Meere, zu welchem nur der Weg durch die Stadt führt. Alexander der Große **) so meinen die Einwohner, habe ihre Stadt gegründet, und er sei es auch, der sie durch den Bau der nördlichen Mauer, die bis an die See reicht, gegen die Szythen geschützet habe. So wundernswürdig diese Mauer, besonders die südliche mit ihren Türmen sein mag, ***) so unbedeutend ist doch der Widerstand, den solche Befestigung einem Neu - Europäischen Angriff zu leisten vermag. Dies erkannten die Häupter, welche der Provinz Namens des Schachs vorstanden.

Derbent ward von einem Ober- und Unter-Statthalter regiert. Der erste, der sich Sultan nannte, wurde vom Schach gesetzet, der Bluter Statthalter oder Naip, aber aus den Vornehmsten Einwohnern erwählt und von dem Schach bestätigt. Der Naip, Imam Kuli-Beg, allein befand sich jetzt in Derbent. Denn der Sultan war wegen der großen Gefahr vor den Aufrührern (dem Daud-Beg und dem Surchai der Kasi-Kumyken) die im verflossenen Jahre 1721 aufs neue die Stadt Schamakhi ausgeplündert hatten, ****) nach Ispahan geflohen, um Hilfe wider die Empörer zu erflehen. Aber die Persische Regierung war gerade im Frühling dieses 1722 Jahres durch den Rebellen Mir-Machmud, des Mir- Weis Sohn, dergestalt entkräftet, dass von dort durchaus keine Hilfe zu erwarten war. Willkommen musste also beiden Statthaltern von Derbent die Ankunft des Russischen Heeres sein, das ihnen Schutz gegen die Aufrührer versprach. Der Naip säumte sonach nicht, durch Abgeordnete Petern als den Beschützer von Derbent zu begrüßen. Im Lager zu Tarku empfing der Kaiser die Abgeordneten; ihn freuten die guten Gesinnungen des Naip, und sofort sandte er den Obersten Naumow mit einem Lieutenant und zwölf Donischen Kosaken nach Derbent, um ihn in solchen Gesinnungen zu erhalten, und wegen seines Empfangs das Nötige zu verabreden. Naumow ward mit dem Naip dahin einig, dass zwei Tore der Stadt, das nördliche und das an der Seeseite, mit Russischer Wache sollten besetzt werden, damit die Einwohner, vor welchen der Naip selbst nicht ganz sicher war, dem Einzuge des Kaisers kein Hindernis in den Weg legen könnten. Da sich aber jetzt der Kapitan von Verden mit der Transport-Flotte vor der Stadt zeigte, so eilte auf Nanmow's Ruf zu Verstärkung seiner wenigen Mannschaft ein Korps Dragoner von den Schiffen herbei. Sie kamen ohne Schwierigkeit in die Stadt, und besetzten die Tore. Derbent war in Russischen Hünden.


Langsam rückte indeß das Russische Heer von Tarku heran. Denn es mußte sich mit dem Schwerte durch die Gebiete des Sultans Machmud von Utämisch und des Fürsten (Usmei) der Chaitacken den Weg bahnen. Der Sultan hatte zwar gegen den Russischen Gesandten Wolynskoi die besten Gesinnungen geäußert. Aber jetzt, da der Augenblick erschien, sie zu betätigen, zeigte er einen sehr verschiedenen Sinn. Ein Adjutant (Iessaul) der Kosaken, der mit drei Mann nach Utämisch gesandt war, um ihn selbst, oder einen Bevollmächtigten in das Russische Lager einzuladen, wurden ermordet, und statt des Sultans sah man einen Schwarm von sechszehn tausend Mann, die er in seinem und des Usmei Gebiet aufgebracht hatte, zum feindlichen Angriff herannahen. Sie hatten gehofft, das Russische Heer unvorbereitet zu überfallen und zu vertilgen.

*) Lateinisch portae Caucasiae, pilae Iberiae.

**) Iskander ist der Name, den die Morgenländer Alexandern geben.

***) Anmerkung 11.

****) Hanways Reisen II. S. 75.


Unerwartet fanden sie Widerstand. Nach dreistündigem Gefecht ergriffen alle die Flucht, verfolgt von den Siegern, die bis in des treulosen Sultans Residenz vordrangen. Utämisch und die Dörfer umher wurden ein Raub der Flamme. Von den neun und dreißig Gefangenen mußten, um den Mord der Kosaken zu rächen, mehrere sterben, und ein Verstümmelter ward an den Sultan mit einem Schreiben gesandt, welches bittre Vorwürfe wegen seiner Treulosigkeit enthielt.

Einer der Gefangenen, ein Priester, wurde von seinen Genossen, als derjenige angegeben, welcher den Sultan zum Mord der Kosaken angereitzet habe. Der Priester, darüber befragt, läugnete es nicht, und trotzete, dass die Russen dies wegen ihres Verfahrens bei Andreewa verschuldet hätten.

,,Auch sind wir,“ fügte er hinzu, eine freie Nation, und keinem Fürsten auf der Welt wollen wir uns unterwerfen.“ - ,,Aber wie konntet ihr’s wagen, eine so überlegene Armee anzugreifen?“ fragte ihn der Admiral Apraxin. ,,Vor euern Fußvölkern fürchten wir uns nicht,“ war dieAntwort, ,,die können uns nicht in die Gebirge folgen. Eure Kosaken haben wir schon sonst gechlagen. Wären eure Blauröcke nicht, die sich zu Pferde so eng zusammen schließen (die Dragoner), ihr würdet uns nicht furchtbar sein.“ Ein andrer Gefangener wollte, als er vor des Admirals Zelt gebracht war, auf keine Frage Antwort geben. Als ihn ein Peitschenhieb dazu zwingen sollte, riss er wütend einem Offizier den Degen von der Seite und lief damit auf den Admiral zu. Er würde ihn getötet haben, hätten nicht zwei vor dem Zelte stehende Schildwachen den Rasenden mit ihren Bajonetten niedergestoßen. Der Gefallne riss noch der einen Schildwache die Flinte aus der Hand und biss ihn in den Arm. ,,Bin ich denn in dies Land gekommen, um von tollen Hunden gefressen zu werden?“ fagte der erschrockene Admiral zum Kaiser, der in diesem Augenblick ins Zelt trat. Peter lächelte. ,,Wäre“ sagte er, „dies Volk in der Kriegskunst erfahren, gewiss keine Nation würde gegen sie bestehen können.“*)

Ungestört nahete sich jetzt Peter der Hauptstadt von Daghestan. Eine Werste vor der Stadt kam der Naip mit einem ansehnlichen Gefolge der vornehmsten Einwohner dem Heere entgegen, und überlieferte knieend dem Kaiser zwei silberne Schlüssel**) von den Stadttoren. ,,Derbent,“ sagte er, „verdankt seinen Ursprung dem großen Alexander. Dem großen Peter wird es seine Erhaltung danken.“

Der Einzug geschah unter der Einwohner freudigem Willkommen. Das geregelte Russische Fußvolk marschierte durch die Stadt, und lagerte sich auf einer Ebene, zunächst an der See. Die Dragoner und Kosaken aber, welche besseres Futter für ihre Pferde in der Gegend des Flusses Milukenti fanden, schlugen an diesem Flusse, drei Werste von seiner Mündung, ihr Lager auf. Auch der Kapitain von Verden erhielt Befehl, mit den Schiffen nach der Mündung jenes Flusses zu gehend und sich dort vor Anker zu legen. Der Lieutenant Lunin aber,wurde mit einer Schnaue nach Baku, der nächsten wichtigen Stadt in der Provinz Schirwan gesandt, um die Gesinnungen der Einwohner zu erforschen, und ihnen in einem Persisch verfassten Manifeste des Kaisers Absicht, sie gegen die Aufrührer in Schutz zu nehmen, bekannt zu machen.

*) Bruce a. a. O. S. 329. f.

**) Anmerkung 12.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 3