Vergeblicher türkischer Angriff auf die Russen

Die Russen hatten bei ihrem Rückzuge ein durch spanische Reiter gedecktes Viereck gebildet, das jetzt um so größer sein konnte, da der Fluss, an den es sich lehnte, die Füllung der einen Seite überflüssig machte; doch auch von der Flussseite beunruhigte sie ein feindlicher Heerhaufe, der, jenseits des Pruts gestellt, mit dem kleinen Gewehr unaufhörlich auf sie feuerte. Das Wasser, also das einzige, was sie in Überfluss zu haben schienen, sahn die Tantaliden vorüber fließen, ohne es berühren zu dürfen.

So war die Lage der Rastenden, als sie noch am nämlichen Abend, drei Stunden vor Sonnenuntergang, durch ein schreckliches Allah- Geschrei aufgestört wurden. Mit ihrem gewohnten Ungestüm, aber auch mit Türkischer Unordnung, taten die Janitscharen, den Säbel in der Faust, den Angriff, ohne vom groben Geschütz, das noch nicht beim Heer angelangt war, unterstützt zu sein. Die Spitze des Heerkeils betrug nicht über drei bis vier hundert Mann. Die hintern Glieder erstreckten sich ohne Ordnung wohl eine Meile *) in die Länge. Der Keil traf auf die Abteilung des Generals Allart, indes die Türkische Reiterei, gleich den Heuschrecken, rings zerstreut, das Viereck von allen (Zeiten bestürmte. Doch die Russen wichen nicht. Der Abgang an Volk wurde leicht an dem einen Fleck durch frische Truppen ersetzt, und das gut gerichtete Russische Geschütz wirkte gewaltig unter den dicht gedrängten Türkischen Haufen. Sie flohen. Der Kihaja und der Janitscharen Aga säbelten die Fliehenden nieder, und trieben die Haufen von neuem gegen die Russen. Dreimal erneuerte der Feind den Angriff, und dreimal ward er zurück getrieben. Über sieben tausend Türken fielen an dieser Stelle. Schrecken und Verwirrung verbreitete sich sichtbar über das Türkische Heer. „Mein Freund! wir werden geschlagen!“ sagte der Kihaja zu dem Grafen Poniatowsky.


*) Anmerkung 9. b.

Und wohl wären sie geschlagen, hätte der Russen Anführer des Genius entscheidenden Wink verstanden, den Augenblick ergriffen und die siegenden Heersäulen mit ihrem Donner in die verwirrten Haufen gesandt. Das unbehilfliche, geschützlose Türkische Heer, so groß es war, würd geflohen sein wie es floh, als kaum nach drei Jahrzehnten Münnich bei Stawutschani das Häuflein Russen zum Siege führte. Größer war freilich am Prut das Wagnis, da der Zar selbst in Feindes-Hand zu fallen, Gefahr lief. Aber hier, wie dort, war Schlacht, oder Schande! Sieg, oder Tod! die Losung.

Peter verstand nicht den Wink. „Genug, dass wir den Angreifenden wehrten: genug, dass wir ihnen unsern Mut, unsre Überlegenheit im Kampf zeigten. Verließen wir unsre sichre Stellung, dann würde, während wir das Fußvolk verfolgen, die zahllose Reiterei in das unbefestigte Lager dringen, und uns vollends den wenigen Unterhalt rauben, der uns noch übrig ist“ **). So flüsterte die Bedachtsamkeit, und unverfolgt wälzten sich die Geschlagenen auf die geschreckten Haufen zurück.

Poniatowsky sah es. „Ich wünsche Euch Glück,“ sprach er zu dem zitternden Kihaja. „Gebt Ihr nicht, dass sie auch siegend sich nur verteidigen. Die Geschlagenen sind sie.“***)

*) Anmerkung 10.
**) Tagebuch I. S. 386.
***) Remarques etc. p. 154. Betrachtungen über die Kriegskunst III. S. 24. Note

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2