Verfehlte Anschläge auf Stettin, Rügen und Stralsund

„Führt,“ so war Peters erster Befehl an Sehestedt, „führt ohne Anstand das Belagerungsgeschütz vor Stettin!“ Sehestedt, dem Befehle gehorchend, war schon im Begriff, mit der Dänischen Artillerie in die Oder einzulaufen, als er von seinem König beordert ward, das Geschütz nicht vor Stettin zu liefern.

Sogleich erging des Zaren Befehl an den Fürsten Menschikow, dass er nur vier tausend Mann vor Stettin zurück lassen, die übrigen Truppen aber mit der Sächsischen Artillerie nach Wolgast führen solle. Ein Kriegsrat, welcher in Gegenwart des Zaren und des Königs von Polen zu Wolgast gehalten ward, nahm den Beschluss, sich jetzt der Insel Rügen zu bemächtigen, und dadurch die Einnahme von Stralsund, dem nach Rügens Besetzung keine Hilfe aus Schweden zukommen könne, zu befördern.


Aber die unerwartete Ankunft einer Schwedischen Flotte zerstörte schnell den Plan. Die Bestimmung dieser Flotte war, eine Menge von Frachtschiffen zu decken, welche neun tausend Schweden, unter Befehl des Grafen Steenbock, und viele Lebensmittel zum Schutz von Rügen und Stralsund überbrachten. Diese Absicht ward zwar erfüllt; denn die schwächere Dänische Flotte wich der Schwedischen aus, und die Schwedische Mannschaft ward wirklich ausgeschifft. Aber die schnell verstärkte Dänische Flotte kam, noch während die Schweden mit der Ausschiffung beschäftigt waren, zurück, und zerstreute, eroberte, oder zerstörte über hundert Schwedische Frachtschiffe (Sept. 24). Beinahe der ganze Vorrat von Lebensmitteln, die man in Schweden für das Pommersche Heer gesammelt hatte, war vernichtet, und Graf Steenbock sah sich bald dahin gebracht, dass er Rügen und Pommern verlassen musste.

Aber wohin sich wenden? Der geheime Befehl seines Königs, welcher ihn nach Polen und weiter nach Bender rief, war beim Mangel aller Bedürfnisse unausführbar. Die entfernten, durch die Elbe getrennten Schwedischen Provinzen, Bremen und Verden, waren jüngst durch die Einnahme von Stade (Sept. 6.) in der Dänen Hände gefallen. Es blieb Steenbock nichts übrig, als sich durch Meyenburg den Weg ins Herzogtum Holstein zu bahnen, wo er eine gute Aufnahme erwarten zu können hoffte.

Wirklich brach er im späten Herbst mit einem Heer von achtzehn tausend Mann aus Stralsund auf, besetzte Rostock, und suchte, um seinen Marsch zu sichern, das Dänisch - Sächsische Heer auf, um es anzureifen und zu schlagen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2