Stralsund wird erobert. Peters Wünsche wegen Wismar schlagen fehl. Vermählung der Prinzessin Katharina mit dem Herzog von Mecklenburg

Noch ehe die Russischen Hilfstruppen ankamen, ergab sich Stralsund vor Ende des Jahres (Dez. 23.) den vereinigten Königen von Dänemark und Preußen, nachdem Karl einige Tage vor der Übergabe glücklich nach Schweden entkommen war. Die letzte Stadt, die den Schweden nun noch in Deutschland übrig blieb, war Wismar.

Peters ganzes Augenmerk war auf diese schöne Seestadt gerichtet. Er wünschte, dass sie dem Herzog Karl Leopold von Mecklenburg zu Teil würde, den er zum Gemahl seiner Bruder-. Tochter Katharina erkoren hatte.


Dieser, durch Gestalt und Geist, aber auch durch Sonderbarkeiten sich auszeichnende, Fürst *) hatte, des Zaren Gunst zu gewinnen gewusst. Karl Leopolds Muster war Karl XII, den er auf einigen Feldzügen begleitet hatte. Er ging wie Karl gekleidet, und war starrsinnig, wie Karl. Im Gefühl seiner politischen Schwäche, da er die Durchzüge fremder Truppen ertragen und Rostock den Dänen öffnen müssen, hatte er seinen Kriegs-Staat zu vermehren gewünscht. Aber ihm fehlten die Mittel, weil die Ritterschaft in die Erhöhung der jährlichen Landsteuern **) zu willigen Bedenken getragen hatte ***). Um so willkommener war ihm die Verbindung, mit Peter, durch die er nicht nur die Ritterschaft zu beugen und seinen militärischen Zweck zu erfüllen, sondern auch den Besitz von Wismar zu erhalten hoffen durfte. Peter aber konnte erwarten, dass der Herzog in diesem Falle nicht abgeneigt sein würde, den Russischen Schiffen in diesem Baltischen Hafen auf immer eine Zuflucht zu zusichern.

*) Geb. den 26. Nov. 1679. Seine erste Gemahlin war die Prinzessin Sophia Hedwig von Nassau-Dietz, von welcher er 1710 geschieden ward. Im Jahre 1713 trat er die Regierung an.
**) Die Landsteuer war von 120.000 auf 170.000 Rthlr. gesetzt. Buchholz Geschichte von Mecklenburg S. 604.
***) Geschichte des Holst. Gottorp, Hofes. S. 31 f.


Der Zar beorderte seine Truppen, ihren Marsch zu beschleunigen, um sich dem Belagerungs-Heere anzuschließen. Er selbst auch machte sich in Begleitung seiner Gemahlin und der Prinzessin Katharina im Anfange des Jahres 1716 auf den Weg nach Deutschland, um mehr in der Nähe die mannigfaltig sich kreuzenden Pläne seiner Verbundenen zu beobachten, und darnach seine Maßregeln zu treffen. Denn es entging ihm nicht, dass die gegen Schweden mit ihm verbundenen Mächte jetzt, da jener gemeinschaftlicher Feind genug entkräftet war, mit Eifersucht auf Russlands überwiegende Größe blickten, und seinen Entwurf, die an der Ostsee erworbenen Besitzungen mit einem festen Punkt in Deutschland zu vermehren, wenig begünstigten.

Nur zu bald erfuhr er den Ausbruch dieser Eifersucht. Schon in Danzig, wo (Apr. 8/19) die Vermählung der Prinzessin Katharina mit dem Herzog von Mecklenburg in Gegenwart des Königs August von Polen gefeiert ward, erhielt er Nachricht, dass die vereinten Dänischen, Preußischen und Hannöverischen Truppen, ohne Mithilfe der Russen, Wismar genommen, und die, für Schweden günstige Kapitulation darum beschleunigst hatten, damit die Russen mit einigem Scheine von der Mitbesetzung der Festung ausgeschlossen werden könnten. Ja, als der Russische General, Fürst Repnin, mit den Russen herbei geeilt war, um an dem Besitze Teil zu nehmen, war er, namentlich von den Hannöverischen Völkern, mit Gewalt zurück gedrängt worden.

Peter fand sich durch dies Verfahren äußerst beleidigt. Ja, es fehlte nicht viel, dass er mit seinen bisherigen Verbündeten nicht rasch gebrochen und sich mit Karl, den er zu schätzen nicht aufhörte, verbunden hätte. Aber seine Getreuen, Ostermann und Schafirow, wandten ihre ganze Beredsamkeit an, um ihn von der Gefahr eines solchen Schrittes zu überzeugen. Karls Starrsinn, und die Misslichkeit der Görzischen weitgreifenden Anschläge boten ihnen Gründe genug dazu an die Hand. Peter ließ sich endlich bereden, nichts zu übereilen, Görzens Projekte im Stillen reisen zu lassen, und immittelst die Verbindung mit seinen Alliierten im wesentlichen zu unterhalten *). Immer aber behielt der Vorfall bei Wismar entscheidenden Einfluss auf die weitern kriegerischen Maßregeln.

*) Bassewitz I. c. p. 311.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2