Katharina, Zarin

Das Waisenmädchen *), welches vor neun Jahren bei der Zerstörung des Städtchens Marienburg den Russen in die Hände fiel, hatte im Feldmarschall Scheremetew einen Beschützer gefunden. Menschikow entriss sie dem Feldmarschall. Ihm gefiel des Mädchens natürliche Fähigkeit und die Geschmeidigkeit, womit sie sich in die Launen der Menschen zu schicken wusste. Eben diese Eigenschaften empfahlen denn auch das sechzehnjährige Mädchen bald dem Zaren, dessen auffahrende Hitze gerade diese Nachgiebigkeit erheischte.

*) Die Nachrichten über Katharina sind in (Schmidt Phiseldeks) Materialien zur Russischen Geschichte I. S. 198 f. gesammelt und beurteilt. Siehe auch Büschings Magazin III. S. 190 f. XI. S. 481 f. Hupel I. St. 2. S. 219. Weber III. S. 7 f.


Menschikow förderte gern diese neue Verbindung, da er durch Katharina die ihm feindselige Jungfer Mons, welche Peter bis dahin gefesselt hielt, zu verdrängen hoffte. Diese Absicht erreichte er um so leichter, da der Preußische Gesandte, Keyserling, Peter den Besitz der Jungfer Mons streitig machte, und diese endlich selbst des Zaren Erlaubnis erhielt, ihren neuen Liebhaber ehelichen zu dürfen. Katharina ward seitdem Peter noch unentbehrlicher. Sie übersah seine häufigen Liebeshändel. Ihre Unterwürfigkeit, ihr unnachlässiges Bestreben, sich ihm gefällig zu machen, ihre äußerste Sorgfalt für seine Gesundheit machten sie zur einzigen Beherrscherin seines Herzens; und niemand missgönnte ihr das Glück, das sie genoss; denn nie mischte sie sich in Geschäfte, und nur zum Wohltun nutzte sie die große Gewalt, die sie sich über des Zaren Gemüt zu erwerben wusste. Besonders lohnte sie dankbar ihrem Pflegevater Glück und dessen Kindern die Sorgfalt, welche jener für sie getragen hatte. Schon früh hatte Peter sie mit dem Namen Ossudara *) beehrt. Sie wusste sich trefflich in den neuen Stand zu finden. Schnell lernte sie die Russische Sprache, und ihre Muttersprachen, die Deutsche und Esthnische, schien sie fast ganz vergessen zu haben. Lesen und Schreiben aber lernte sie nie. Im Jahre 1703 trat sie zur Griechischen Kirche über. Der Zarewitsch Alexei vertrat Patenstelle, und dies veranlasste, dass ihrem Taufnamen der Name Aleriewna beigefügt ward, Katharina gebar ihrem Liebhaber mehrere Töchter, und die herzliche Liebe zu diesen knüpfte ihn noch fester an deren Mutter. Heimlich ließ er sie schon im Jahre 1707 sich antrauen. Er würde sie längst öffentlich als seine Gemahlin anerkannt haben, hätte nicht die Besorgnis ihn abgehalten, dass der Schritt, während des Lebens seiner verstoßenen Gemahlin zu einer zweiten Ehe zu schreiten und ein Frauenzimmer von so niedriger Herkunft auf den Thron zu erheben, allgemeinen Anstoß geben würde. Endlich überwog die Betrachtung, dass die Erbfolge auf dem Leben eines einzigen kränklichen Sohnes beruhe, und dass gerade für diesen Sohn, der bei allen Gelegenheiten sein Missfallen an des Vaters Neuerungen zu erkennen gab, dessen zweite Heirat eine ernste Warnung werden und ihm die Möglichkeit zeigen könne, die Erbfolge zu verwirken, diese Betrachtung überwog jede Bedenklichkeit. Am 6. März 1711 wurde öffentlich bekannt gemacht, dass Katharina Alexiewna des Zaren wahre und rechtmäßige Gemahlin sei **); und noch am nämlichen Tage reiste er mit ihr von Moskau zur Armee ab, die unter Scheremetew durch Polen gegen den Dniester zog, um in die Moldau zu brechen.

*) Ossudara: gnädigste Frau.
**) Tagebuch I. S. 371.


Schon auf der Reise musste ihm Katharinas Gegenwart lieb sein; denn in Luzk wurde er von einer gefährlichen skorbutischen Krankheit ergriffen, die ihn mehrere Tage weilte *) Dennoch wünschte er, dass die Zarin ihn nicht über den Dniester zur Armee begleiten, sondern mit dem übrigen Frauenzimmer in Polen zurück bleiben möge. Aber Katharina, stärker als ihr Geschlecht, drang so unablässig in ihren Gemahl, ihr die Begleitung zu gestatten, dass er endlich darein willigte **).

*) Tagebuch S. 372.
**) Ebendaselbst S. 378.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2