Ende des Türkenkrieges

Die Russen zogen, zwar mit Hinterlassung vieles Gepäcks, das die matten Pferde fortzuziehen nicht vermochten, aber mit Lebensmitteln versorgt, unter Bedeckung von fünftausend Spahis die sie gegen die Anfälle der Tataren schützten zurück an die Polnische Grenze, wo auch der General Rönne, der immittelst an der Donau mit Glück gegen die Türken gefochten und die Stadt Brailo erobert hatte, wieder zu der geschwächten *) Hauptarmee stieß.

*) S. Anmerkung 20.


Das war der unglückliche Ausgang eines Feldzuges, der bei seinem Beginn gar andere Erfolge erwarten ließ. Als der Zar von dem unglücklichen Zuge zurück nach Polen kam, wünschte ihm der österreichische Gesandte Namens seines Herrn Glück, dass er sich durch seine Klugheit mit göttlichem Beistand aus so großer Gefahr gerettet hätte. Peter, der tätige Hilfe von dem kaiserlichen Hofe erwartet hatte, hörte die schönen Worte mit Gelassenheit an. Dann fragte er den Gesandten: ob er Lateinisch verstehe? Als dieser es bejahte, ergriff Peter Aesops Fabeln, die er zur Hand hatte, und schlug die Fabel auf, wo der Bock und der Fuchs zusammen in einen Brunnen gefallen waren. Er reichte dem Gesandten das Buch, deutete auf das Blatt, und ließ ihn allein *).[*]

[*] Der Fuchs und der Bock.
Ein Fuchs und ein Bock fliegen vor Durst in einen Brunnen. Als sie getrunken hatten, sann der Bock nach, wie sie wieder herauskämen. Da sprach der Fuchs: „Nur getrost! ich habe ein gutes Mittel ausgedacht, das uns beide rettet. Du darfst dich nur aufrecht stellen, die Vorderbeine gegen die Mauer anstemmen, und deine Hörner gleich vorwärts beugen; so kann ich leicht über deinen Rücken und deine Hörner laufen, von da, aus dem Brunnen springen, und dich darauf nachziehen.“
Der Bock dazu bereitwillig, leistet seine Dienste: der Fuchs springt auf die Art aus dem Brunnen, und hüpft lustig um den Rand herum. Der Bock macht ihm Vorwürfe, das er gegen den Vertrag sündige. Allein der Fuchs versetzt ihm: „Währe dein Verstand so groß, als dein Bart; du würdest nicht eher hinabgestiegen sein, als bis du den Rückweg überlegt hättest.
Der Kluge muss erst den Ausgang der Sache erwägen, bevor er sie unternimmt.


Dem Russischen Adler, der nach dem Münz-Embleme vier Meere in seinen Klauen hielt, war deren eines entsunken. In aller Stille ließ Peter die Münze einziehen. Sie ward außer Gebrauch gesetzt, bis ein glücklicher Zeitwechsel ihr wieder Geltung gebe **).

Zu den Getäuschten gehörten vor allen die Moldauer. Die schöne Hoffnung, ihren Zustand verbessert zu sehen, verschwand auf lange Zeit***), und Fürst Kantemir, der mit mehreren Moldauischen Edelleuten dem Zaren nach Polen folgte, beschloss, zwar fürstlich belohnt, doch nicht entschädigt, sein Leben in dessen Dienste ****).

Der Unterkanzler Schafirow und der Generalmajor Scheremetew blieben, als Russische Bevollmächtigte, und als Geißel für die Erfüllung der Friedensbedingungen, im Türkischen Lager zurück *****.

*) Weber II. S. 23.
**) Weber II. S. 97.
***) S. Anmerkung 21.
****) S. Anmerkung 22.
*****) Remarques p.. 92-133. Tagebuch I. S. 391.


Karl hatte dem Vezier, welcher seinen Vorteil vernachlässigt halte, den Fall geschworen. Wirklich klagte er ihn beim Sultan an, dass er den Ruhm und das Beste des Osmanischen Reiches seinem Geize aufgeopfert habe. Mehemet fiel ungehört *), noch ehe er Konstantinopel erreichte.

Wieder begannen nun Poniatowskys Ränke, gegen welche die Russischen Gevollmächtigten mit abwechselndem Glücke kämpften. Der Russen Zögerung in Schleifung der Festungswerke von Taganrogh **), in Trennung des Alt Türkischen und Neu-Russischen Geschützes zu Asow, und in Räumung Polens gaben scheinbare Vorwände. Zweimal wurde den Russen von neuem der Krieg erklärt, und zweimal (20 April 1712 und April 1713) hinderte die Vermittlung von England und Holland den vollen Ausbruch. Der Hufhier Frieden ward bestätigt. Die Russischen Truppen räumten endlich Polen, und die Bedingungen des Friedens am Prut gingen in Erfüllung ***). Karls Hoffnungen auf Türkischen Schutz erstarben. Aber auch Peter sah zu seinem innigen Schmerz Asow, seine erste Eroberung, wieder in die Hände der Türken übergehen. Die schönen Festungswerke des trefflichen Hafens von Taiganrok, welche vielen tausend Russen das Leben gekostet hatten, wurden geschleift, und der Gegenstand von Peters langjähriger Beschäftigung, der Schiffbau von Woronesch, verfiel ****).

*) Theyle I. c. p. 21.
**) Anmerkung 23.
***) Die weiteren Friedensschlüsse, die den ersten erneuerten, siehe bei Theyls I. c. und Lamberty.
****) Weber I. S. 419.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2