Die Schwedisch-Deutschen Provinzen werden Preußen in Sequester gegeben

Friedrich Wilhelm I. müde, die abhängige Rolle seines Vaters zu spielen, hatte die hundert Kammerherren, die ihm jener hinterließ, entlassen, und sich eine Armee gebildet, die ihm Ansehn verschaffe *). Es konnte ihm nicht gleichgültig sein, dass, wie nach der Entwaffnung des Steenbockischen Heeres zu erwarten war, der Krieg wieder in die Nähe der Preußischen Staaten gespielt und Pommern aufs neue der Tummelplatz für Russen, Dänen und Sachsen werden würde. Gern also trat er in die Ideen des Herzogs Administrators von Holstein - Gottorp und des vom König Karl bevollmächtigten **), zum Schwedischen General Gouverneur von Pommern ernannten Grafen von Welling ein, die für Schweden und das Gottorpische Haus am besten zu sorgen glaubten, wenn das so schwach verteidigte Schwedisch Pommern bis zu Ende des Krieges sequestriert und der neutralen Preußischen Macht zur Bewahrung übergeben würde.

*) Memoires de Brandeb. Suppl. p. 5.
**) Nordberg II. S. 444.


Das erste, was nach dem desfälligen Berliner Verein (1713 Jun. 13.) *) in Preußische und Gottorpische Hände gegeben werden sollte, war Stettin. Aber Preußens Absicht, durch diese Neutralisierung fremde Truppen entfernt zu halten, wurde durch den Widerstand des Schwedischen Kommandanten von Stettin, Baron Meyerfeld vereitelt. Er weigerte sich standhaft, die Festung ohne ausdrückliche Genehmigung seines Königs zu übergeben. Der König Karl, von dem er sich Verhaltungsbefehl erbat, billigte sein Betragen **), und da auch Zar Peter, so wie die

*) Staats-Kanzlei Th. 27. S. 537. Dumout VIII. I.
**) Nordberg a. a. O. S. 446.


Könige von Dänemark und Polen den Berlinischen Sequestrazions-Vertrag nicht völlig genehmigten, so brach der unterbrochene Pommersche Krieg in neue Flammen aus. Die gefürchteten Russischen Truppen marschierten aus Holstein durch Mecklenburg und bahnten durch die Einnahme der Insel Rügen sich den Weg zur Belagerung von Stralsund. Der Russen Führer, Fürst Menschikow, war es jetzt, der für das Sequestrations-System gewonnen, ja, zu dessen bewaffneter Erzwingung vermocht werden musste. Auch dies gelang den, hier zu gleichen Zwecken vereinten, Grafen Welling und Flemming, so wie den Gottorpischen Ministern Görz und Bassewitz. Menschikow verließ Stralsund, nötigte Stettin durch Bombardierung zur Übergabe, ließ sich 400.000 Rthlr., die Preußen vorschoss, für die Belagerungskosten bezahlen, und gab die Festung in Preußisch-Gottorpische Hände, wogegen sich der König von Preußen in dem zu Schwedt (Okt. 6.) geschlossenen erweiterten Vertrag *) verpflichtete, dass sobald alle Schwedisch-Deutsche Plätze in Preußischen Händen wären, er verhindern wolle, dass die Schweden von Pommern aus keine Feindseligkeiten wider die Nordischen Verbundenen und wider Schleswig-Holstein unternehmen sollten.

*) Staats-Kanzlei Th. 26. S. 608. Nordberg a. a. O. S. 450.

Fürst Menschikow erpresste noch einige hundert tausend Taler von den Städten Hamburg, Lübeck und Danzig, und führte nach diesen Verrichtungen die Russische Armee durch Polen in die Heimat zurück.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2