Die Nacht am Prut vor dem Frieden

Die Nacht senkte sich über die Heere, und gewährte kurze Waffenruhe den Streitern. Aber die sorgenden Führer der Heere sannen über die Erscheinungen des verflossenen Tages, und deuteten sich die Zukunft.

Die beiden Türkischen Feldherren, der Kihaja und der Janitscharen Aga, missmutig über den schlechten Erfolg der Angriffe des vorigen Tages, hielten Rat mit Poniatowsky. „Habe ich Euch nicht,“ sagte der Pole, „habe ich Euch nicht, seit wir Konstantinopel verließen, gepredigt, wie man eine Schlachtordnung bilden und den Feind angreifen müsse? Aber der gestrige Tag hat mich gelehrt, dass meine Worte in den Wind geredet sind.“ — „Du magst Recht haben,“ antwortete der Kihaja, „aber auch wir hatten Recht, dir nicht zu folgen. Würden wir bei der neuen Kriegsart, die du lehrst, geschlagen, so würde es uns beiden die Köpfe kosten, dir, weil du rietest, mir, weil ich folgte. Folgen wir aber der Schlachtweise, durch die wir so viele Reiche eroberten, dann ist es das Verhängnis, was jeden Unfall verantwortet. — Der gestrige Tag war nicht glücklich: Rate, was zu tun ist!“


Poniatowsky riet, den Feind durch einen Graben, an welchem man die ganze Nacht arbeiten müsste, einzuschließen; und dann die Ankunft des Geschützes zu erwarten, das mit Anbruch des Morgens zur Stelle sein könnte. Ihre fünfhundert Kanonen würden, so meinte er, allein hinreichen, die Russen zu vernichten.

Der Kihaja versprach, dem Rate zu folgen; beide gingen zum Großvezier; und wirklich warfen die Janitscharen während der Nacht an der Stelle, wo sie den Angriff getan hatten, Schanzen auf.

Indes so die Türken mit hoher Achtung auf die Krieger sahen, die Karl besiegten, und sie selbst; indes sie ihrem Glücke, das den stolzen Feind jetzt in ihre Hände gab, misstrauten, ward Peters Seele von den schrecklichsten Vorstellungen gequält. Einsam in sein Zelt zurück gezogen, fühlte er ganz das Fürchterliche der Lage, in die seine eigne Verwegenheit, sein zu großes Vertrauen auf Menschenwort ihn gestürzt hatte. Der gestrige Augenblick, der ihm Sieg verhieß, war entschlüpft. Nur ein verzweifelter Angriff konnte ihn retten; und wie viel misslicher war der jetzt! jetzt, da der Feind sich wieder gefasst, da er auf dem gestrigen Schlachtfeld sich verschanzt, da er sein Geschütz erhalten hatte. Nah vor Augen schwebte ihm die Gefahr, in dieser Wüste umzukommen mir dem Kern des Heers, das er selber sich schuf. Ein Augenblick konnte die Anstrengungen so vieler Jahre vereiteln und sein Reich der Willkühr eines unversöhnlichen Feindes Preis geben. Ein weiterer Rückzug war unmöglich, und gleich unmöglich war's, bei dem Mangel an Lebensmitteln und Pferdefütterung, an diesem Fleck zu verweilen. Nichts blieb übrig, als das Wagnis einer Schlacht, oder ein Friede.

Die Zarin Katharina war's, bei welcher der Gedanke, es könne vielleicht ein erträglicher Friede eingeleitet werden, mächtig ward. Sie fühlte es, dass es ihr, einem Weibe, und Peters Gattin, wohl zieme, ihren Gedanken geltend zu machen. Die vornehmsten Generale, dass wusste sie, hielten in der Nacht im Beisein des Unterkanzlers Schaffirow Kriegsrat. Sie trat in die Versammlung und sprach Worte des Friedens. Man billigte ihren Vorschlag, und Katharina übernahm es, ihren Gemahl zu dem Friedens-Versuche zu vermögen.

Sie wagte es, trat in sein Zelt, und fand ihn schlaflos. Er hörte das Gutachten des Kriegsrats, machte Schwierigkeiten, zweifelte an dem Erfolg, und ließ den Versuch sich gefallen. Sogleich wurde ein Unter-Offizier von der Garde, Schepelew sein Name, mit einem Schreiben des Feldmarschalls Scheremetew an den Vezier geschickt. Der Feldmarschall erinnerte denselben an die Friedens-Anträge, welche der Sultan selbst durch England und Holland, und jüngst der Vezier durch den Wallachischen Gesandten Kastriot dem Zaren eröffnet habe. „Die Russische Armee,“ so schrieb er, „sei nicht, um Eroberungen zu machen, sondern zu ihrer Verteidigung, in das Türkische Gebiet gerückt. Die Türken, nicht die Russen, hatten den Krieg angefangen. Wie sehr der Zar die Fortdauer des Friedens wünsche, habe er in seinen wiederholten (Schreiben an den Sultan genug zu erkennen gegeben. Auch jetzt würde der Feldmarschall, sobald der Großvezier zum Frieden geneigt sei, sich nicht weigern, über die Bedingungen in Unterhandlungen zu treten“ *).

Nach orientalischer Sitte, die ähnliche Botschaften mit Geschenken begleitet, gab Katharina, so geht die Sage, dem Boten ein Kästchen mit Kleinodien für den Großvezier und eine bedeutende Summe Geldes für den Kihaja mit **) Auch wurden, auf den Fall, da ein Friede zu Stande käme, noch größere Summen verheißen.

*) Scheremetews Leben. S. 98.
**) Anmerkung II.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2