Der Einfall in Schonen vereitelt

Immittelst waren endlich die Dänischen Transportschiffe aus Seeland abgegangen, um die zur Landung bestimmten Russischen Truppen aus Deutschland nach Kopenhagen zu führen. In der Erwartung, die Truppen schon am Orte ihrer Bestimmung zu finden, verließ Peter nach einem zehntägigen Kreuzzug auf der Ostsee, in der Mitte Augusts (Aug. 15.) die Flotte bei Bornholm, um sich nach Kopenhagen zu begeben. Aber widrige Winde nötigten ihn *) bei der Insel Rügen zu landen, und da er hier hörte, dass seine Truppen noch nicht nach Dänemark übergeführt waren, ging er nach Stralsund, und betrieb dort die Ausrüstung einiger Transportschiffe, welche auf Dänische Rechnung daselbst in Stand gesetzt wurden. Nach wenigen Tagen verfolgte er seine Reise nach Kopenhagen, wo er noch vor Ende Augusts (21.) ankam. Aber schon war es Mitte September, als endlich die Russischen Landtruppen, unter dem Feldmarschall Scheremetew und den Generalen Weide und Repnin, 33 Bataillone Fußvolks und drei Reiter-Regimenter stark, bei Kopenhagen versammelt waren. Indes lief die Nachricht ein, König Karl habe, von dem in Schonen ihm drohenden feindlichen Angriff unterrichtet, Norwegen verlassen, und halte sich gefasst, die vereinten Russen und Dänen in Schonen mit zwanzig tausend Mann zu empfangen. Der Zar selbst hatte die Beschaffenheit der Küste von Schonen untersucht, und gefunden, dass sie allenthalben, wo eine Landung möglich war, mit Batterien Wohl versehen sei. Jetzt versammelte er einen allgemeinen Kriegsrat, und legte ihm die Frage vor: ob bei dieser späten Jahreszeit eine Landung in Schonen noch mit Hoffnung des Erfolges unternommen werden könne? Alle Minister und Generale fanden das Wagnis bedenklich. „Bei der ansehnlichen feindlichen Macht, die jetzt in Schonen versammelt sei, würde man mit großem Widerstande kämpfen, vielleicht an mehreren Orten eine Landung versuchen, und erst durch eine Schlacht festen Fuß gewinnen müssen. Und wäre auch dies gelungen, so würde man ohne den Besitz der festen Städte, Landskrona und Malmö, sich dennoch auf feindlichem Boden zu erhalten nie im Stande sein. Solche Belagerungen aber in dieser späten Jahreszeit vorzunehmen, sei äußerst misslich. Der schlechte Erfolg der Dänischen Landung von 1710 mahne zur Vorsicht, und man müsse es daher in aller Hinsicht für ratsamer halten, die Landung bis zum nächsten Frühling auszusetzen.“ Der Dänische Hof erinnerte zwar dagegen, „einer solchen überlegenen Macht, als jetzt in Seeland versammelt sei, würde die Landung in Schonen nicht streitig gemacht werden können, und die dortige reiche Ernte gebe die beste Aussicht, dass es nicht an Unterhalt fehlen werde, zumal da auch die Verbindung mit den nahen Dänischen Inseln offen bleibe, die den etwanigen Mangel zu ersetzen im Stande wären.“ Dieselbe Sprache führten der Englische Minister und der Admiral Norris. Allein Peter hielt noch immer die Gründe seines Kriegsrats für überwiegend, und beharrte bei einem Entschlusse, den er nachher selber bereute *).

*) Anmerkung 60.


Der König von Dänemark, welcher ungern von einem Unternehmen abstand, das so mühsam vorbereitet war, und namentlich ihm so große Vorteile versprach, entschloss sich jetzt, den Zug nach Schonen dennoch zu wagen, wenn Peter ihm nur acht und zwanzig Bataillone als Hilfstruppen überließe. Peter war bereit, dem Könige diejenige Hilfe zu bewilligen, die er ihm im Jahre 1715 zugesagt hatte. Mit fünfzehn Bataillonen erbot er sich das Dänische Heer zu verstärken. Aber da der König diese Verstärkung nicht zureichend fand, so gab er endlich das Unternehmen auf.

Seine Unzufriedenheit mit Peters Weigerung ging bald in Misstrauen über, ein Misstrauen, das besonders durch die Eingebungen eines Hannoverischen Ministers genährt wurde. Der Zar war, als er einst spät von seiner Flotte zurück kam, die Nacht vor dem Kopenhagener Tore zu bleiben genötigt gewesen. Er hatte daher den Schlüssel zum Ostertore und die Erlaubnis verlangt, auch bei Nacht mit einiger Mannschaft in die Stadt eingehen zu dürfen. Dies stellte man mit andern, weniger bedeutenden, Anzeigen künstlich zusammen, und legte darnach dem Zaren die verräterische Absicht unter, sich der Stadt Kopenhagen, des Schlosses Kronenburg, ja! des königlichen Hauses zu bemächtigen, und dann auf Kosten Dänemarks mit Schweden Frieden zu schließen.

Bewiese nicht schon der Charakter Peters die Unwahrheit einer solchen hinterlistigen Absicht, so musste auch ein Blick auf die Umstände jeden überzeugen, dass dieses Unternehmen in Gegenwart der Dänischen Armee und dreier Flotten, welche das Vorhaben zu befördern so wenig geneigt waren, unmöglich gelingen, und also schon dem bloßen Politiker nicht in den Sinn kommen könne. Eine Folge dieses Misstrauens war, dass man sich Dänischer Seits bewogen fand, die Wachen zu verdoppeln, alle Wachthäuser und Wälle mit scharfgeladenen Kanonen zu besetzen, und den Bürgern zu verbieten, Nachts Russen zu beherbergen. Ja, Adiniral Norris entsah sich nicht, im geheimen Kriegsrate darauf anzutragen, dass man sich der Russischen Kriegsschiffe und Galeeren bemächtigen müsse; und der Staatsrat Christian Friedrich von Holstein erbot sich, die Russische Macht innerhalb zwei Stunden in Dänische Gewalt zu bringen. Der König, minder rasch, ging nicht in diese gefährlichen Maßregeln ein. Doch schrieb er jetzt dem Zaren seinen Entschluss, die Unternehmung gegen Schonen aufzugeben, und bat, dass bei der Schwierigkeit, die Lebensmittel herbei zu schaffen, und die Fracht der Schiffe weiter zu zahlen, dem Zaren gefällig sein möchte, sein Heer aufs schleunigste zurück zu führen. Der Zar konnte über die Äußerung, dass seine Truppen dem Könige beschwerlich würden, sein Missvergnügen nicht unterdrücken. Er schlug vor, etwa zwanzig Bataillonen Fußvolks und tausend Reitern den Aufenthalt in Seeland zu gestatten, und seine Flotte in Kopenhagen überwintern zu lassen, damit sie im nächsten Frühlinge zur Landung in Bereitschaft wären. Doch, da der König auch dies ablehnte, so entschloss sich Peter, Dänemark zu verlassen. Noch vor Ende Oktobers begab er sich mit seiner Gemahlin auf die Reise nach Mecklenburg, wohin auch der größte Teil der Russischen Truppen wieder verlegt ward *).

*) Tagebuch II. S. So—68. Gebhardis Dänische Geschichte II. S. 738 f. Nordberg II. S. 657 f. Declaration du Roi de Dannemarc touchant les raisons qui l’onz empeché de faire une descente en Scanie.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2