Ausbruch des Türkenkrieges

Drohend nahte sich zugleich von Süden ein nicht erwarteter Krieg. Noch lebte der Held der Schweden. Er glich, nach dem Emblem einer Denkmünze der Zeit, er glich dem Löwen, der beim Scheine des Mondes mit offnem Auge ruhend, der wiederkehrenden Sonne harrte *). „Wann willst du endlich meinem Löwen beistehen, dass er den Zaren verschlinge?“ so fragte Walide den Sultan der Osmanen, ihren Sohn. Schon lange hatte sich Achmet geschmeichelt gefunden, dass der weit gepriesene Held in seinem Schreiben ihn Freund und Bruder nannte, und seine Hilfsleistung forderte. Diese Hilfe nicht zu versagen, dazu riet schon die Politik. Karls Freund, Graf Poniatowsky, und der Tatar-Chan in Verbindung mit dem französischen Minister, malten dem Divan mit grellen Farben Russlands wachsende Größe, hier das unterworfene Polen, dort die drohende Flotte am Don. Die Unterwerfung der Ukraine, die Einnahme der Krimm, die Eroberung Mingreliens und Georgiens, alles dies liege in dem Plane des stolzen Moskowiters. Schon maße Peter sich den Kaisertitel an, und nicht leer sei dieser Titel; denn er deute auf seine Ansprüche an die Besitzungen des ehemaligen Griechischen Kaisertums: — Konstantinopel werde bedroht. Jetzt, oder nie sei es Zeit, diesen reißenden Strom in seine Ufer zurück zu drängen.

*) Nordberg IV. p. XI. der Französ. Ausgabe.


Die Einwendung, dass der Karlowitzer Frieden noch vor wenigen Monaten bestätigt und die Weise, wie König Karl von Bender sicher durch Polen zu führen bestimmt sei*), diese Einwendung hob leicht die Europäische Kabinetts-Politik, welche schnell bei der Pforte die Oberhand gewann. Peters wiederholte friedliche Schreiben an den Sultan blieben unbeantwortet**). Zwei Großveziere, die den Krieg widerraten hatten, fielen in kurzer Zeit. Baltadzi Mehemet, ein Emporkömmling, wie die meisten Veziere, erhielt jetzt diese Würde, und Achmets erster Befehl an ihn war: „Führe das Heer gegen die Russen!“ Der Krieg ward (Nov. 21.) erklärt. Mehemet hatte nie einen Feind gesehen; aber vertrauensvoll sagte er zu Poniatowsky: „Mein Schwert in der einen, und deinen König an der andern Hand will ich ihn an der Spitze von zweimal hunderttausend Mann nach Moskau führen“ ***).

*) Tagebuch I. S. 292.
**) Die drei Schreiben siehe in der Sammlung Russischer Geschichte II. S. 263. und in Lünig litterae procer. Europae. III. p. 1038.
***) Remarques de Poniatowsky sur l’histoire de Charles XII. p. 68.


Lange hatte Peter durch seinen Minister Tolstoi zu Konstantinopel gegen die Ränke seiner Feinde glücklich gekämpft. Nur einmal erhielt er die Nachricht, der Friede sei gebrochen und Tolstoi in die sieben Türme gesetzt. Die Politik forderte es, die Gerechtigkeit, welche jetzt auf Russischer Seite war, vor dem Volke geltend zu machen und so dem Kriege Nationalität zu geben. In der Hauptkirche zu Moskau ließ Peter in seiner Gegenwart (8/19 März) den Türkischen Friedensbruch öffentlich verkünden, und vom Höchsten Sieg erflehen gegen die Feinde des christlichen Namens *). Vor der Kirche standen die beiden Garderegimenter, im Begriff zu Scheremetews Armee nach Polen zu ziehen. Statt der gewöhnlichen weißen, führten ste rote Fahnen mit dem Kreuz und der Unterschrift: In diesem Zeichen wirst du siegen **).

*) Das Manifest steht bei Lamberty VI. S. 427.
**) Tagebuch I. S. 368.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2