Aufnahme der Russischen Seemacht. Peters Rede

Peters ganze Aufmerksamkeit ward jetzt auf Sicherung seiner Eroberungen an der Ostsee und besonders auf lebhafte Verfolgung der in Finnland errungenen Vorteile gerichtet. Schon im Winter 1714 machte er Reisen nach Riga und Reval, in dessen Nähe er einen Hafen anlegen ließ. Zu schneller Vermehrung der Flotte wurden mehrere Schiffe in England und Holland angekauft. Besonders aber ward der Schiffbau in Petersburg gefördert. Nie war Peter froher, als wenn unter seinen Augen ein neues Schiff vorn Stapel lief. Denn jeder Wimpel pries ihn als den Schöpfer der Russischen Schifffahrt. Im Frühlinge des Jahres 1714 hatte er oft diese Freude, und in einem der schönern Augenblicke des hohen Selbstgefühls war es, da sich die Freude in Worte ergoss.

Peter war an Bord des abgelassenen Schiffes. Ihn umringten außer mehreren einheimischen und fremden Ministern *) und Generalen viele alte Russen, die mit Unwillen ihre geräumigen, trocknen Wohnungen zu Moskau verlassen und sich in die Sümpfe an der Neva hatten verpflanzen müssen. Da begann Peter: „Meine Brüder!“ sprach er, „wer von euch hätte sich's vor zwanzig Jahren träumen lassen, dass ihr hier an der Ostsee zimmern würdet mit eurem Zaren? Wer ließ sichs einfallen, dass wir in einem Lande, durch unsre Anstrengung und Tapferkeit gewonnen, unseren Wohnplatz aufschlagen, und, mit so vielen tapferen und kundigen Matrosen und Soldaten, mit so vielen geschickten einheimischen und ausländischen Künstlern und Handwerkern umringt, uns die ausgezeichnete Hochachtung des Auslandes verdienen würden? Zwar vieles, meine Brüder! fehlt uns noch zur Vollkommenheit. Dem Umlaufe des Blutes im menschlichen Körper gleicht der Kreislauf der Künste und Wissenschaften. Aus Griechenland verbreiteten sie sich nach Italien, und von dort über das übrige Europa. Deutschland und Polen, die, Russland gleich, lange in Finsternis lagen, wurden allmählich erleuchtet, und nur die Trägheit und der Unverstand unserer Vorfahren hinderte den Fortschritt des Lichtes über unsere Grenzen. Aber nicht länger soll die Verbreitung seiner Strahlen gehindert werden, sofern Ihr, meine Brüder! mich in meinem ernstlichen Vorhaben unterstützen, und die Prüfung und Erlernung des Wissenswerten mit eurem Gehorsam verbinden, kurz! euch selbst bestreben wollt, das Gute anzunehmen und das Böse abzulegen. Im großen Kreislauf der Künste trifft nun Russland die Reihe. Ahne ich recht, so kehren sie, den Süden verlassend, bei uns ein, um zurück zu kehren nach Griechenland, ihrer Heimat. Aber lasst uns sie haschen und festhalten! Hier, hier sollen sie ihren Wohnort aufschlagen, und Russlands Ruhm zum Gipfel der Höhe erheben.“


*) Unter diesen befand sich der Hannöverische. Resident Weber, der die Szene als Augenzeuge schildert, I. S. 11.

Alle Anwesende, Minister und Generale, fühlten sich von dem schönen Enthusiasmus, der den hochgesinnten Monarchen ergriffen hatte, zur Bewunderung hingerissen. Selbst die alten Bojaren, denen jede Neuerung ein Greuel gewesen war, sie wurden erschüttert, und brachen unwillkührlich in das Zeugnis aus: „Es ist wahrhaftig wahr, was er sagt *). Wir wollen gehorchen.“

*) Jeje prawda.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2