Leben Peters des Großen. Bd 1

1803.

Der Mai des dritten Jahres der neuen Ära vollendet das Jahrhundert, seit Peter der Große den Grund zu der Stadt legte, deren Bau, wie Er mit weiser Voraussicht erkannte, Russlands Verbindung mit Europa befestigen, und es seiner großen Bestimmung zuführen musste. Einen schönern Augenblick, den erhabenen Stifter zu feiern, kann die Muse nicht wählen. Aber nicht Kalliope’s Tuba töne zu seinem Preise! Würdiger feiert Ihn die Muse der Geschichte.

Ihr horchend, schrieb ich kühn dies Werk. Kühner weih’ ich es dem Edeln, in welchem der Große fortlebt, - Alexandern.

---

Vorbericht.

Eine Biographie Peters des Großen ist mehr, als bei irgend einem andern Regenten, die zeitige Geschichte seines Reiches. Denn was in Russland gewirkt ward, geschah durch ihn, den Selbstherrscher in der vollsten Bedeutung des Wortes. Dennoch wäre eine Geschichte Russlands unter Petern dem Großen ein viel weitschichtigeres Werk als ich mir vorsetzte. Der Spur des außerordentlichen Mannes zu folgen, der, die ihn umringenden Vorurteile besiegend, den Gedanken fasste, seine Nation umzugestalten, und seinem Reiche den gebührenden Platz in dem Europäischen Staaten-Vereine zu erkämpfen, das war mein Zweck. Ich wollte beobachten, wie dieser Gedanke in ihm keimte, aufwuchs, und zur Tat ward; wie mit kaum begreiflicher Tätigkeit sein reger Geist mutig in jede Maßnehmung, die zum Ziele führte, eingriff, und das erkannte Gute mit unerschütterlicher Kraft festhielt und lenkte; ich wollte den Menschen und Regenten darstellen, wie er nach den sichersten Quellen der parteilos richtenden Nachwelt erscheint.

Bei diesem Zwecke mußten manche Begebenheiten, die nicht unmittelbar durch ihn geschahen, in den Hintergrund weichen, wohingegen bei minder wichtigen Vorfällen, wo er selber tätig war, der Genius der Biographie eine Ausführlichkeit heischte, welche die Reichs -Geschichte verschmähen würde. Die Privat- Geschichte des Monarchen mußte so in die Geschichte seines öffentlichen Lebens verwebet werden, daß sie, wie ein scharfsichtiger Schriftsteller sich ausdrückt *), als Erkenntnisquelle größerer Begebenheiten, unzertrennlich ward.

Aus diesem Gesichtspunkte wünschte ich eine Arbeit beurteilt zu sehen, bei der ich es an Fleiß, die, dem Nicht -Russen offnen Quellen kritisch zu benutzen, nicht habe fehlen lassen. Die folgende kurze Literatur der Geschichte Peters, kann, so wenig sie auf Vollständigkeit Anspruch macht, doch von der Mannichfaltigkeit dieser Quellen einigen Begriff geben.

*) Aug. Friedrich Schlözer im Neuveränderten Russland; Vorrede.