Welche Tiere müssen mehr geschohnt werden?

damit die Schädlinge nicht Überhand nehmen.

Die Klagen über die starke Vermehrung des Ungeziefers in Garten, Feld und Holz mehren sich mit jedem Tage. Und in der Tat, sehen wir z. B. die ungeheure Anzahl der Mäuse an, durch die augenblicklich unsere Felder heimgesucht werden, so dürfen wir wohl ernstliche Besorgnisse für die Zukunft hegen. Jeder wird es daher natürlich finden, wenn man die verschiedensten Mittel anwendet, um so viel wie tunlich ihre Zahl zu vermindern. Die wenigsten Mittel erreichen aber ihren Zweck in dem Maße, wie sie es sollten. Die Hilfe liegt jedoch viel näher, als man gewöhnlich glaubt, wenn andere Tiere geschont und geschützt würden, statt dass man sie durch Fangen und Schießen zu vertilgen sucht; da sie es eben sind, welche mit den schädlichen Tieren viel besser und leichter fertig werden, als dies alle menschliche Kraft vermag, auch dann, wenn diese gar Nichts weiter tun wollte, als das ärgerliche Geschäft, sich unablässig nur mit dem Verfolgen des Ungeziefers zu befassen.


Zunächst wollen wir nun die Tiere nennen, welche durch das Vertilgen von Ungeziefer dem Menschen nützlich werden, dann aber einige Belege dazu geben. Geschont sollten werden: Fledermäuse, Spitzmäuse, Maulwürfe, Igel, Wiesel, Iltisse — Bussarde, Turmfalken, Eulen, Saatkrähen, Dohlen, Raken, Spechte, Wiedehopfe, Kukuk, Lerchen, Ammern, Finken, Sperlinge, Drosseln, Bachstelzen, Pieper, Stein- und Wiesen-Schmätzer, Nachtigallen, Rot- und Blaukehlchen, Grasmücken, Rohrsänger, Zaunkönige, Fliegenschnäpper, alle Schwalben-Arten, Meisen, Goldhähnchen, Baumläufer, Stare, Repphühner, Wachteln, Kiebitze und alle schnepfenartigen Vögel. — Ringelnattern, Blindschleichen, Kröten, Eidechsen, Salamander und Frösche. — Ameisen, Hummeln und Bienen.

Der ärgste Feind der Mäuse und Ratten, von letzteren besonders der jungen, ist das Wiesel, zumal da es mit Leichtigkeit bis in die engsten und verborgensten Schlupfwinkel kommen kann, um hier ganze Gehecke zu töten. Um dies zu ermöglichen, bedarf es nämlich einer so außerordentlichen Schlankheit des Leibes und so kurzer Beine, wie es eben nur diese kleinste Gattung von Raubtieren besitzt. Vermöge seiner ganzen Bauart kann es durch jede Öffnung hinein- und zurückkommen, wo es seinen kleinen Kopf hindurch zwängen kann. Daher kann das Wiesel in die dichtesten Buschwerke, in Dornhecken, zwischen Steine dringen und besonders im Winter unter dem Schnee Mäuse aufsuchen, wohin sonst kein anderes Raubtier und kein anderer Raubvogel kommt. Rechnen wir nun noch dazu, dass Blutdurst und Mordgier ihn unablässig antreiben, Mäuse aufzusuchen, um sich mit deren Blut zu sättigen, so erhellt schon daraus, dass er eine weit größere Niederlage unter den Mäusen anrichtet, als jedes andere Tier. Ja, in Jahren, wo die Mäuse zu stark auftreten, mordet er nicht bloß zur Stillung seines Hungers, sondern aus reiner Lust und vertilgt dadurch eine beträchtliche Anzahl.

Ähnlich verhält es sich mit dem Iltis. Ein entschiedener Gegner der giftigen Kreuzotter, ist ihm dennoch nichts lieber als Mäuse und Ratten. Besonders stellt er gerne den Wasser- und Wanderratten nach, die fast überall an den Fluss- und Teichufern unseres Landes wohnen. Auf den Feldern aber erwischt er die Hamster, welche freilich in unserm Lande bis jetzt nur sehr vereinzelt auftreten, in diesem Jahre jedoch die Felder um Demmin, also hart an unserer Grenze, heimsuchten. Durch seine längeren und fast geraden Krallen ist er besonders in den Stand gesetzt, allen solchen Nagetieren in ihre unterirdischen Wohnungen nachzugraben, dagegen erschweren sie ihm das Klettern. So, gebunden an die Erde, kann er nur wenigen Vögeln beikommen, und dadurch unterscheidet er sich wesentlich von dem schädlichen Marder. Dem Wilde und Hausgeflügel schadet er aber nur wenig, sollte er auch selbst einmal in den Hühnerstall einbrechen, so wird er sich doch gewöhnlich mit einem Tiere begnügen, das er fortschleppt.

Ein sehr nützliches Tier ist ferner der nordische Bussard, welcher gewöhnlich nur in mäusereichen Herbsten und bis in das Frühjahr hinein zu uns kommt. Wissen wir nun auch nicht, wie viel von diesen Vögeln bei uns in Mecklenburg jährlich geschossen werden, so können wir doch versichern, dass die Zahl derselben keine allzu geringe ist. (In der nächsten Umgebung von Gotha wurden allein im Frühjahr des Jahres 1855 in einem Zeiträume von drei Wochen auf einem Flächenraume von 4 Quadratmeilen fast 400 geschossen). Nehmen wir an, dass ein Bussard jährlich mindestens zu seiner Existenz gegen 6.000 Mäuse verbraucht, so ist daraus schon ersichtlich, wie sehr das Schießen solcher Tiere schadet. Bei dieser Berechnung kommen für alle 2—3 Mahlzeiten des Tieres pr. Tag nur durchschnittlich 16 Mäuse und diese Annahme ist gewiss nicht zu hoch, da man im Kropfe und Magen eines Bussardes schon über 20, und wenn viele kleine und junge darunter, sogar über 30 gefunden hat. Kann er überhaupt der Mäuse recht viele haben, so mästet er sich ordentlich dick und fett damit, um beim hohen Schneefall, der ihm das Fangen erschwert, eine Zeitlang fasten zu können. Ähnlich, wie die Bussarde, machen es die Eulen. Dass beide so viel bedürfen, liegt in dem geringen Nahrungsgehalte ihrer Beute, denn sie verschlucken die Mäuse mit Haut und Haaren, nur die größten stückweise. Aber schon die Haare und die größeren Knöchelchen derselben sind ihnen zur Ernährung durchaus nutzlos. Deshalb würgen sie dieselben, nach Gloger, stets nach einiger Zeit in kleinen, rundlichen Ballen wieder herauf, um sie durch den Schnabel fortzuwerfen. Auch die gesammten Pflanzenstoffe in den Eingeweiden der Mäuse kommen einem Raubvogel, der sie verschlingt, nur sehr wenig zu gut. Sie gehen daher mit seinen Exkrementen gleichfalls unbenutzt wieder fort. Demnach würde er von einer Maus kaum die Hälfte, oft nur 1/3 als wirklich nährende Stoffe behalten. Nehmen wir nun an, dass in unserm Lande jährlich nur 200 Bussarde geschossen werden, so würden diese doch schon 1.200.000 Mäuse vertilgen, über das Doppelte mehr aber würden ihre Jungen verbraucht haben, da jedes Bussardpaar deren mindestens 2—3, bei reichlicher Nahrung sogar 4 Junge erzieht. Kehren wir aber die Sache, in Betrag derjenigen Mäuse um, die so am Leben bleiben, so hätte sich etwa die anfängliche Zahl derselben im Verlauf des nächsten Sommers gewiss verachtfacht.

Ebenso verdient derjenige Jäger, der Eulen schießt, oder derjenige Landwirt, welcher sie wegfängt, harte Vorwürfe, da auch diese unbedingte Schonung verdienen. Sie sind nämlich eben so sehr, wie die Bussarde, auf die Vertilgung der Mäuse angewiesen, indem sie trotz ihrer viel geringeren Größe dennoch viel besser und leichter mit ihnen fertig werden als diese. Dafür sprechen ihre scharfen und spitzen Krallen, ihr höchst feines Gehör, alsdann ihre Fähigkeit zum Sehen bei Nachtzeit und ihr leiser, geräuschloser Flug. Dies alles macht sie weit besser, als jeden andern Vogel, zum Verfolgen dieser kleinen Nagetiere geeignet, wenn dieselben bei nächtlicher Zeit auf Nahrung ausgehen. Ganz besonders bleibt daher ihr Wirken unschätzbar für die Waldungen, die jetzt auch schon stark durch Mäusefraß leiden. Hier, wo die Bussarde, mitunter auch die Turmfalken nisten, aber nur höchst selten etwas fangen können, sind es Eulen, welche hauptsächlich auf Mäuse Jagd machen. Die Schleiereule, welche auf Kirchtürmen wohnt, wirkt besonders in Gärten und auf den Feldern; die Sumpf- oder Wiesen-Ohreule, früher hier selten, fängt ihren Raub gewöhnlich auf Wiesen. Wir sehen also, dass Eulen, wo sie vorkommen, durchaus Schutz verdienen.

Gleichfalls ist es eine gar mutwillige Weise, dass jährlich hunderte von Saatkrähen geschossen werden, obgleich nur wenige Leute sie essen mögen. Solches Schießen wiederholte sich früher alljährlich zu Rohlstorf bei Wismar und in der Gegend von Grevismühlen, wo viele hunderte von Paaren in den Tannen ihre Nist-Kolonien haben. Gewiss aber wird auch noch in andern Teilen unseres Landes solcher Unfug getrieben. Und das ist wahrlich zu bedauern, da die Saatkrähe es ist, die, wie kein anderer Vogel, eine große Unmasse von Engerlingen und Maikäfern verzehrt. Sie übertrifft in dieser Beziehung die ebenfalls durchaus nützliche Dohle. Was letztere aber leistet, ersieht man am besten, wenn man in Maikäfer-Jahren die Türme besteigt. Da staunt man über die dicken Schichten von den beim Fressen weggeworfenen Flügeln und Flügeldecken der Maikäfer, welche sie ihren Jungen zugetragen haben. Der Saatkrähe, wie auch der Dohle, wird nämlich das Fangen der Maikäfer durch ihr beiderseits geselliges Leben und Nisten vorzugsweise leicht, da sie hierdurch, auch durch ihre Größe, mehr als jeder andere Vogel in den Stand gesetzt sind, sich dabei eines sehr eigentümlichen Kunstgriffes zu bedienen. Sie fliegen in der Maikäferzeit nämlich scharenweise auf die Bäume. Einige von ihnen lassen sich auf die Äste nieder, um durch Flügelschlag und sonstige Bewegungen die Käfer herabzuschütteln. Der andere Teil befindet sich auf der Erde, um die gefallenen Käfer aufzulesen, beide Parteien aber wechseln darin mit einander gewissenhaft ab. Überdies versteht es noch die Saatkrähe allerhand Ungeziefer, besonders Maikäferlarven, auf Wiesen und Feldern aus der Erde hervorzuholen, wozu ihr der angeborene feine Geruch wesentlich das Auffinden erleichtert. Andere Vögel, die Dohle mitbegriffen, können es nur, wenn die Larven nahe unter der Oberfläche liegen, wo sie selbige dann durch öfteres Hacken mit dem Schnabel erreichen. Die Saatkrähe aber bohrt sie aus größerer Tiefe heraus, indem sie ihren Schnabel mit großer Kraft, bis über die Nasenlöcher, oft sogar bis an die Stirne und Kehle, in den Boden hineinstößt. Den Beweis dafür liefert ihr schäbiges, kahles und federloses Gesicht, wodurch sie sich schon vom ersten Herbste an von ihren sämtlichen Verwandten unterscheidet. Durch das Bohren in die Erde reiben sich nämlich die Nasen-, Stirn- und Kehlfedern auch bei den jungen bald ab und bei den älteren wachsen sie überhaupt nicht wieder nach, da sie durch jenes Bohren schon bei ihrem Hervorkeimen vollständig aufs Neue zerstört werden. Die Saatkrähe und der Maulwurf sind es daher vorzugsweise, welche ein Verfolgungswerk gegen die unterirdischen Beschädiger des Pflanzenwuchses ausrichten. Noch ein Beispiel wollen wir anführen, um zu zeigen, wie Unrecht es ist, wenn man Meisen und andere kleine Vögel wegfängt oder tötet.
Ältere Ornithologen führen an, daß eine Meise jährlich wenigstens 2—300.000 Stück Insekten zu ihrer Nahrung bedarf. Diese Annahme ist aber viel zu geringe, eben weil Meisen, Baumläufer etc. den größten Teil des Jahres fast ausschließlich von Insektenbrut, namentlich Schmetterlings-Eiern leben. Von letzteren gehen aber durchschnittlich, wenn wir mittelgroße Arten annehmen, 20.000 Stück auf ein Loth. Eine Meise von mittlerer Größe, z. B. die Blaumeise, wiegt gewöhnlich 3/4 Loth und eben so viel wird sie etwa täglich zur Nahrung bedürfen, doch sollen für die kurzen Herbst- und Wintertage nur 1/2 Loth in Anschlag gebracht werden. Nach dieser Berechnung wären demnach zu ihrer täglichen Speisung 10.000 Stück Schmetterlings-Eier erforderlich, und, sollten sie davon allein leben, so würden 300.000 Stück eben nur 30 Tage ausreichen, mithin also nur den 12. Teil eines Jahres. Oder was dasselbe ausdrückt, nur mit andern Worten, würde bloß der 12. Teil ihrer Nahrung aus Insekten-Eiern bestehen, so wären 300.000 Stück zur jährlichen Ernährung der Blaumeise nöthig. Sie gebraucht indes bereits im Sommer nebenher den 12. Teil, obschon sie dann überhaupt mehr von kleinen Räupchen und Maden lebt. Im Herbst und Winter machen solche Eier der Masse nach durchschnittlich mindestens 1/6, oft 1/4, ja mitunter sogar 1/3 ihrer Gesamt-Nahrung aus. Verhältnismäßig noch mehr bedürfen zu allen Zeiten des Jahres die Baumläufer, welche mehr die Stämme der Bäume absuchen, wo Schmetterlingsweibchen ihre Eier haufenweise ablegen, der sogenannte Kleiber sogar das Doppelte. Gesetzt nun den Fall: auf je 50 Menschen in Mecklenburg würden zwei Meisen weggefangen, so betrüge die Gesamtzahl der gefangenen Meisen — die Bevölkerung zu 1/2 Mill. angenommen — 20.000; rechnen wir nun bloß, daß eine Meise nur 300.000 Insekteneier jährlich zu sich nimmt, so blieben schon 200 Millionen Stück Ungeziefer unvertilgt, eine Zahl, die wahrlich genügt, um auf unsern Fluren und in unsern Wäldern Verheerungen anzurichten.

Möchten diese wenigen Worte das erzielen, was sie sollen, nämlich: Schonung der nützlichen Tiere, dann werden auch die Klagen über das Überhandnehmen der schädlichen Tiere geringer werden. Denn das ist auch eins jener vielen Naturgesetze: wo ein Tier durch sein massenhaftes Vorkommen schadet, da sind auch andere, die diese Verderber verderben. In der Natur ist ja kein Friede, sondern Krieg: ein Tier gegen das andere und über das andere; aber der Mensch ist Schuld, wenn das Gleichgewicht gestört ist. — Wer mehr über die Tiere, die den Menschen nützen, lesen will, den verweisen wir auf die zu diesem Zwecke verfassten Schriften des Dr. Gloger, besonders auf sein Werkchen: „Die nützlichsten Freunde der Land- und Forstwirtschaften unter den Tieren, als die von der Natur bestellten Verhüter und Bekämpfer von Ungezieferschäden und Mäusefraß.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Landwirtschaftliche Miscellen aus dem Jahr 1862