Fellenberg über landwirtschaftlichen Unterricht

Es ist unmöglich, einem jungen Manne verständlich und nützlich die abstrakte Theorie beizubringen; dieselbe muss einen greifbaren und sichtbaren Stützpunkt haben, der dem Schüler den Umweg der Einbildung erspart. Mit jüngeren Ackerbauschülern ist daher keine andere landwirtschaftliche Unterrichtsmethode geeigneter, als die des Pestalozzi'schen Anschauungsunterrichts, welche wie ein mathematisches Exempel organisch und berechnend verfährt, indem sie Bekanntes zur Grundlage nimmt, aus der sie das Unbekannte allmählich entwickelt. Wenn ich einem Schüler ohne weiteres den Satz aufstellte:

„Asche ist ein vortrefflicher Dünger“,


so ist es die große Frage, ob er mir es auch glaubt, ja wenn er Fähigkeiten besitzt, so darf er mir es nicht einmal eher glauben, als bis ich es ihm bewiesen habe. Fange ich aber meine Lehre mit der Bank an, worauf er sitzt, führe ihn von derselben in den Eichwald, in die Werkstätte des Tischlers, an die Feuerung eines Herdes, an den Kessel des Seifensieders oder der Wäscherin, zeige ihm, welches Prinzip der Herdasche die beiden letzteren verwenden, dass ausgelaugte Holzasche dasselbe nicht mehr enthält und deshalb minder kräftig wirkt, dass jenes Prinzip sich auch in allen Bodenarten und in den Pflanzen findet, — so wird bei richtiger Behandlung der Frage der Schüler die Überzeugung gewinnen, daß sein eigener Scharfsinn den Lehrsatz entwickelt habe, und dadurch gewinnt er erst das rechte Vertrauen zu demselben. Freilich kann ein solcher Unterricht keineswegs in Vorlesungen, Diktaten oder bloßen Redeübungen des Lehrers gegeben werden — dabei ermüdet der Schüler immer, der erstere mag es anfangen, wie er will. Er muss vielmehr die Form einer freien, auf gegenseitigem Interesse beruhenden Unterhaltung zwischen beiden haben; die Schüler müssen fortwährend in Spannung bleiben, ein Wetteifer der Denk- und Auffassungskraft muss unter ihnen stattfinden; nur auf solche Weise erblüht das Heil des Verständnisses und der Liebe zur Sache und zum Lehrer. Die letztere ist überhaupt eine der ersten Bedingungen zum Gedeihen der Saat, welche ausgestreut werden soll. Sobald der Zögling seinen Lehrer nicht liebt, so hilft Talent und Geistreichtum von Seiten des letzteren nur wenig. Da eine Abneigung zwischen Schülern und Lehrern immer wechselseitig und stets die Schuld der letzteren zu sein pflegt, so ist es der größte Nachteil für ein Institut und dessen Erfolge, einen Lehrer auf seinem Posten zu lassen, weil er vielleicht ein tüchtiger Gelehrter ist. Alle Gelehrsamkeit ist keinen Deut Wert, wenn sie nicht für das Leben nutzbar wird, sie gleicht dann dem Samenkorn, welches zwar gut aussieht, aber, in die Erde gelegt, vermodert, weil es keine Keimfähigkeit besitzt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Landwirtschaftliche Miscellen aus dem Jahr 1852