Abtrittdünger und Schleusenwasser

Die menschlichen Exkremente, sowohl die festen als flüssigen, welche in den großen Städten in so bedeutender Menge abfallen, werden fast sämtlich durch den Wasserstrahl, welcher in England die allgemein üblichen geruchlosen Abtritte (waterclosets) reinigt, unmittelbar in die Schleusen gespült. Nach einem mäßigen Überschlage kann der Düngewert, welcher in London allein auf diese Weise verloren geht, auf 6 Mill, Thlr. veranschlagt werden, also nahezu so hoch als der Wert des im Jahre 1850 nach Großbritannien eingeführten Guano's betrug. Abgesehen von diesem enormen Verluste führt dieses Schleusenwasser noch den großen Übelstand herbei, daß es durch die darin enthaltenen, bald in Fäulnis übergehenden Stoffe die Lust der Straßen, durch die es flieht, leicht verpestet.

So ekelhafter Natur dieses Thema auch ist, so hat es doch Prinz Albert nicht unter seiner Würde erachtet, demselben seine Aufmerksamkeit zu schenken, indem er Versuche veranlasste und zum Teil selbst anstellte, um eine Desinfektion dieser Flüssigkeiten und eine Nutzbarmachung derselben für die Landwirtschaft zu ermöglichen.


Von der Idee ausgehend, daß es praktisch unausführbar sei, eine so große Menge von Flüssigkeit, wie sie in den Schleusen Londons zirkuliert, in flüssiger Form, als Bewässerungsmittel, in den Umgebungen dieser Stadt zu konsumieren, ließ derselbe Filtrierbassins errichten, die abwechselnd mit Lagen von Holzkohle, Gips und Thon, sowohl in rohem als gebranntem Zustande, angefüllt waren, um durch diese Substanzen, die an und für sich schon düngend wirken, dem durchpassierenden Wasser alle mechanisch darin schwimmenden Stoffe, sowie einen Teil der darin gelösten zu entziehen und festzuhalten. Die Bassins sind so eingerichtet, daß die Flüssigkeit unten eintritt und durch den Druck der nachfolgenden Massen emporgedrängt wird, eine Filtration von unten nach oben. Das nach der Filtration oben abfließende Wasser ist vollkommen hell und geruchlos und kann sonach bei seinem weiteren Laufe der Luft keine schädlichen Gasarten und Dünste mitteilen.

Nach einer früher angestellten Untersuchung enthält das Schleusenwasser Londons in 25 Teilen einen Teil feste Substanzen; rechnet man nur auf 30 Teile einen Teil feste Substanz, so würde man aus den 2 ½ Mill. Zentnern Schleusenwasser, welche der Themse in London täglich zugehen, pr. Tag 76.000 Zentner feste Düngemasse gewinnen können, die hinreichen, um 100.000 Acker Land nachhaltig damit zu düngen.

Eine Vorrichtung dieser Art hat Prinz Albert auf seinem auf der Insel Wight neu angelegten Farm in der Weise angebracht, dass die Filtrierbassins sich in der Mitte eines Abhanges befinden und alle flüssigen Abfälle des Schlosses und der Wirtschaft (Spülicht, Waschwasser, Urin etc.) aufnehmen. In dem ersten Bassin setzen sich die gröberen und schweren Unreinlichkeiten des Wassers ab, während ihm in dem Filtrierbassin die feineren Beimengungen und zum Teil auch die aufgelösten Stoffe durch Kohle, Thon und Gips entzogen werden. Die hiervon ablaufende Flüssigkeit hatte fast alle Farbe und allen Geruch verloren; sie wird durch Gräben über den untern Teil des Abhanges verbreitet und dient mit großem Vorteil zu dessen Bewässerung. Der Schlamm des ersten Behälters wird, ebenso wie die tonige Erde des zweiten, von Zeit zu Zeit herausgenommen, und liefert, nachdem er an der Luft trocken geworben, eine Komposterde, welche vorzugsweise zur Düngung von Grasland angewendet wird.

Nach einer Mitteilung von Johnson hat sich bei längerer Anwendung dieser Filtriermethode der Übelstand ergeben, daß die fettigen und schlammigen Teile des Schleusenwassers sich unten ablagern und das Emporsteigen der Flüssigkeit erschweren; er hält es daher für praktischer, das Filtrieren von oben noch unten vor sich gehen zu lassen, da man dann den obenauf abgesetzten Schlamm leichter entfernen kann. Derselbe fand auch, dass schon Sand allein in den meisten Fällen hinreicht, um den flüssigen Abfällen ihre festen Teile zu entziehen und sie so zu reinigen, daß sie keinen erheblichen Geruch mehr verbreiten. Eine mit Sand ausgefüllte Grube, von deren Boden aus Thonröhren in den Garten führen, könnte in jeder ländlichen Wirtschaft leicht angelegt werden und nebst der Beseitigung des üblen Geruchs zu einer reichlichen Vermehrung des Graswuchses führen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Landwirtschaftliche Miscellen aus dem Jahr 1852