Vollkommene Stallfütterung

Den schleunigen Übergang zu dieser habe ich schon manchen antretenden, passionierten jungen Landwirten, die sich bei mir Rat erholten, abgeraten, und tue es hierdurch nochmals aufs ernstlichste, bevor sie nicht alle ihre Verhältnisse genau kennen gelernt und geprüft, und sich praktisch hinlängliche Kenntnisse und Fertigkeit in Beurteilung jedes Einzelnen Falles erworben hahen. Der Vorschuss sowohl, als der Widerstand, den man zu überwinden haben würde, ist zu abschreckend und zu hartnäckig, als dass ein jeder Anfänger nicht den Mut dabei velieren sollte. Übrigens aber bin ich jetzt mehr, wie jemals, überzeugt, dass alle Einwendungen, welche selbst von einsichtsvollen und vorurteilsfreien Männern gegen die Einführung der vollkommenen Stallfütterung aus den Mecklenburgschen Lokalverhältnissen hergenommen worden, hypothetisch von keiner Erheblichkeit sind.

Der erste Einwurf ist: es fehle dazu in Mecklenburg an Menschen! - Es ist wahr, dass die Population in einem so gesegneten, so durchaus angebaueten Lande äußerst gering ist, da man nicht mehr als 1.600 Menschen auf einer geographischen Quadrat-Meile zählt. Aber woher rührt diese schwache Bevölkerung anders, als vom Mangel der Erwerbsmittel, auf dem Lande sowol, wie in den Städten? Mecklenburg wird weder durch Krieg und stehende Armee, noch durch Neigung zur Auswanderung, entvölkert. Das Klima ist gesund; die Lebensart des gemeinen Mannes frugal, ordentlich und kraftgebend. Sterblichkeit ist geringe, und wird es nach Einführung der Kuhpocken noch mehr werden. Die einzige Ursach also, dass die Menschen sich nicht stärker vermehren, ist der Mangel an Verdienst und an Obdach. Wo man für beides sorgt, ihnen beides gibt, wird sich die Bevölkerung mit schnellen Schritten vermehren! — Man macht sich aber einen übertriebenen Begriff von der Menschenzahl, welche Stallfütterung erfordert. Höchstens braucht man auf 100 Stück Vieh im Sommer fünf Menschen mehr wie jetzt, wenn die Stallfütterung einigermaßen gut organisiert ist; d. h. zum Mähen, Einfahren und Vorwerfen des Futters. Wegen dieser fünf Menschen wird doch wohl niemand so sehr in Verlegenheit kommen, zumal in Mecklenburg, wo jeder die Gerichtsbarkeit auf seinem Gute hat, und sein Gesinde leicht in Ordnung halten kann. Aber mit der Stallfütterung ist freilich eine größere Beackerung verbunden, weil weniger Land im Dreesch liegen bleibt; es gibt mehr Mist auszufahren und mehr einzuernten. Alle Feldarbeiten würden sich um ein Viertel oder um ein Drittel vermehren, und folglich würde so vielmehr Zugvieh und Gesinde nötig sein. Nun frage ich aber alle betriebsame Mecklenburgsche Landwirte, ob sie in so große Verlegenheit kommen würden, wenn man ihnen ein Viertel oder ein Drittel ihres Flächen-Inhalts an gutem kultivierten und nahe belegenen Boden zuschenkte, und ob sie dieses Geschenk, aus Besorgnis, ihre Wirtschaft nicht betreiben zu können, ausschlagen würden? — Nun, wenn das nicht ist, warum wollen sie es denn mittelst der Stallfütterung nicht annehmen?


Der zweite Einwurf ist der: die Mecklenburgschen Güter sind mehrenteils zu groß. — Ich müsste hier meine Frage wiederholen, ob die Besitzer solcher großen Güter nichts zugeschenkt haben möchten? Dies geschieht durch die Stallfütterung wirklich nur, indem sich der Ackerbau dadurch vermehrt. Die meisten sind doch sehr bereit, wenn es Gelegenheit gibt, beim Verkauft benachbarter Güter gut gelegene Pertinenzien zu akquirieren. Und wer kauft nicht gern ein neues Gut in seiner Nachbarschaft an, wenn er es zu sehr wohlfeilem Preise erhalten könnte? - Bei Einführung der Stallfütterung kostet dieses neue Gut weiter nichts, als, die Erbauung und Einrichtung einer neuen Meierei, die freilich in den meisten Fällen bei Einführung der Stallfütterung auf großen Gütern nötig wäre. Übrigens gibt es an manchen Orten, z. B. im Mecklenburgschen, im Saalkreise, Pachtungen, die größere Ackerflächen, und 300 bis 400 Stück großes Vieh auf dem Stalle, aber freilich in mehreren Meiereien verteilt, haben.

Der dritte Einwurf ist der: Boden und Klima sind den Futterkräutern, insbesondere dem Klee, nicht angemessen. - Was den Boden anbetrifft, so kann ich das von allen in gutem Ruf stehenden Gütern nicht zugeben. Ich wünschte nur so guten Boden zum Kleebau zu haben, wie auf den meisten Gütern, wo man sich beschwerte, dass der Klee nicht fortkomme. Aber wie ist man bisher mit dem Klee in Mecklenburg umgegangen! Einheimisch ist der Klee im nördlichen Deutschland überhaupt nicht; er wächst nicht wie Unkraut, sondern will kultiviert sein. Man bautte ihn in Mecklenburg entweder in den sogenannten Neben-, oder Klee-Koppeln, nachdem mau zuvor etliche Kornernten davon genommen hatte, ließ ihn mehrere Jahre stehen, und verlangte dann, dass er nach etlichen Jahren wieder darin wachsen sollte. Unter diesen Umständen hätte, er eine stärkere Düngung erfordert, wie man in Mecklenburg gibt, und vor allem, frischgebrachtes reines Land. Oder aber man säete, ihn in den ausgetragenen Nachschlag mit der dritten Kornsaat. Eine solche Behandlung lässt sich der Klee nur auf seltenem, ihm vorzüglich geeigneten Boden gefallen. Allein man säe ihn mit der ersten Frucht nach der gut durchdüngten Brache in genugsamer Menge, zu 8 Pfund auf 100 Quadrat-Ruthen, und der Klee wird nicht fehlschlagen.

Aber das Klima! Man hat, seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts drei Jahre erlebt, wo der Klee erfroren und ausgewintert ist. Dies geschah besonders bei spätem auf Nässe folgenden Froste. — Leider ist dieser Fall nicht in Mecklenburg allein eingetreten, sondern man hat ihn im ganzen nördlichen Europa erlebt. Im Jahre 1799 traf er mich und viele Andre. Dieser Fall ist freilich für Stallfütterungs-Wirtschaften, die sich nicht darauf gefasst gemacht haben, sehr übel, und vielleicht ruinierend. Ich habe daher oft gesagt, man dürfe, ohne viel aufs Spiel zu setzen, Stallfütterung im Großen nicht eher einführen, als bis man sich darauf gefasst gemacht und solche Anstalten getroffen habe, mittelst derer man diesem Unglücke die Stirn bieten könne! Einen Vorrat von Klee oder gutem anderen Heu muss der Stallfütterungswirth immer haben. Dann muss er eine Partei Wicken, graue Erbsen u. dgl. im Frühjähre bei der Hand haben, und diese, wo sich ein Missraten des Klees zeigt, nach und nach auf diese missratene Kleefeld säen und unterpflügen. Hierdurch kann er sich immer helfen. Dann aber ist es ausgemacht, dass die Stallfütterung nicht auf dem Klee allein beruhe, sondern dass sie auch durch Besamung künstlicher Wiesen mit Mähegräsern und durch andere Futtergewächse betrieben werden könne. Es ist immer, bei der Möglichkeit jenes Falles, ratsam, einen Teil der Fütterung von dieser Art zu haben.

So gewiss also die ganze Stallfütterung, meiner Überzeugung nach, in Mecklenburg auf großen Gütern möglich ist: so wiederhole ich es nochmals, dass ich die unmittelbare Einführung derselben nur unter seltenen Verhältnissen raten würde. Dagegen finde ich nicht das geringste Bedenken gegen die halbe Stallfütterung, auf die oben beschriebene Weise; und ich bin fest überzeugt, dass sich mittels derselben der Ertrag aus dem Viehstapel nicht nur, sondern auch aus dem Körnerbau beträchtlich vermehren müsse, ohne die Kosten auf eine lästige Weise zu erhöhen, und die ganze Wirtschaftseinrichtung sehr zu verändern; wenn man nicht – was freilich, um des Ertrages völlig zu genießen, geschehen müsste, - die Holländerei selbst übernehmen will.

Dünger ist das, was dem Mecklenburger fehlt, und warum der Körnerertrag, bei der vortrefflichen Bearbeitung des Bodens, doch weit hinter dem zurücksteht, was derselbe Boden, schlechter behandelt, aber stärker gedüngt, an andern Orten gibt.

„Aber sagt mir ein Mecklenburger, warum sollten wir unsere Wirtschaft verbessern oder ändern? Warum vielleicht gar den Engländern nachahmen, die verhungern möchten, wenn wir ihnen nicht unser Korn schickten? Welches Land von gleicher Größe kann sich rühmen, eine solche Kornausfuhr, wie das unsrige, zu haben? Mittelst des Korns decken wir nicht nur alle unsere Ausgaben für Manufaktur, Kolonial- und Luxus-Waren, die wir vom Auslande nehmen und jährlich mehr gebrauchen; sondern unser Handel bleibt bei dem allen noch aktiv, und unser National-Reichtum vermehrt sich augenscheinlich. Wie viele Landwirte, Eigentümer und Pächter sind bei uns nicht reich geworden? Ist dies nicht Beweises genug, dass unser Ackersystem unverbesserlich, sei?“ —

Solche, allgemeine Anführungen können beim Nachtische großen Eindruck machen. Wer die Kunst versteht, verrät da den Meister nicht! denn es ist Taschenspielerei durch Verwechselung der Kausalverbindungen bewirkt. Genauer analysiert, beweisen sie gar nichts.

Dass die Ausdehnung des Ackerbaues vielleicht nirgends größer sei, wie in Mecklenburg, indem der sämtliche Grund und Boden aufgeteilt ist und jeder Fleck benutzt wird ist unbestritten vortrefflich. Diese Ausdehnung des Ackerbaues ersetzt das, was ihm an Kraft und Schnelligkeit der Zirkulation fehlt. Wegen der schwachen Bevölkerung ist die einländische Konsumtion geringe; folglich kann die Ausfuhr groß sein, ohne dass Mangel im Lande entstehe. Wo es fast gar keine Fabriken und wenig städtisches Gewerbe gibt, ist in mittleren Jahren immer Überfluss, selbst wenn ein großer Teil des Grund und Bodens wüst liegt. Welche Ausfuhr hat nicht das Hildesheimsche gehabt! Die Konjunkturen der letzten zwölf Jahre waren dem Kornhandel allgemein so günstig. Mecklenburg konnte, seiner, geographischen Lage und seiner freien Verfassung wegen, am meisten Gebrauch davon machen. Folglich zog der dortige Landwirt allerdings großen Vorteil. Dies war aber in allen, den Gegenden, die des Glücks des Friedens im Lande genossen, und ungehinderte Ausfuhr hatten, der Fall. In Mecklenburg war es auffallender, weil der Gewinn in die Hände Weniger kam; da er sich in andern Ländern mehr allgemein verbreitete. Der Mecklenburgsche Gutsbesitzer und Pächter hatte unter diesen Zeitläuften so große politische und statistische Vorteile, dass, bei mehrerer intensiver Kraft der Wirtschaft, kein fremdes Kapital in Mecklenburgschen Gütern mehr stecken. Mecklenburgsches Geld vielmehr in allen auswärtigen Fonds anzutreffen sein müsste. Und so, ist es doch nicht! - Doch dieses erforderte eine weitläuftige Ausführung, die nicht hierher gehört. Ich wollte nur zeigen, dass mich blendende Vorstellungen von meinem Zwecke, der möglichsten örtlichen Verbesserung der, Landwirtschaft immer nachzuspüren, nicht abhalten können.

Wir waren beim Miste. - Hätte der Mecklenburger ihn verdoppelt gehabt, wahrlich er hätte noch einmal so viel Geld machen können.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Landwirtschaftliche Bemerkungen über Mecklenburg