Von Hamburg nach Flottbeck

Wir fuhren am 5ten Julius von Hamburg nach Flottbeck. Hier hat der Herr Etats-Rat Voght (der seitdem, wegen seiner Verdienste um das Armen-Wesen in Wien vom Kaiser in den Reichsfreiherrn-Stand erhoben worden) durch den allmählichen Ankauf verschiedener beträchtlicher Höfe von kleinen und großen Flottbeck, einen Landhaushalt angelegt, dessen Flächen-Inhalt zwar nur etwa 900 Calenberger Morgen oder 100.000 Quadrat-Ruten beträgt, welcher aber mit einer außerordentlichen Energie betrieben wird.

Der Zufall führte uns zuerst in den, Stall, worin etwa 40 Stück schwere Kühe aufgestallt standen. Dies war gegen meine Erwartung, da ich in Hamburg gehört hatte, dass man hier nichts als englische Methoden anträfe, und dass alles, was nicht englisch sei, unbedingt verworfen würde. Sommer-Stallfütterung aber ist nicht englisch, man hat davon in England kaum einen Begriff. Noch mehr erstaunte ich, als man mir sagte, dass beständig frischmilchende Kühe, so wie sie eben zu haben wären, angekauft, nicht wieder zugelassen, sondern abgemolken und dann fett an Schlächter verkauft würden. So vorteilhaft diese Methode ohne allen Zweifel nahe bei einer großen Stadt ist, und allenthalben, wo man frische Milch zu gutem Preise absetzen und dadurch das Land hoher als durch güstes Vieh benutzen kann; so passt sie sich doch gar nicht, wenn man ein ökonomisches Schauspiel geben will. Da muss man schön gestaltete Kühe von allen Rassen, seltenen Farben, oder doch mannigfaltig gescheckt, Kälber, Jährlinge, Fersen von jedem Alter haben, die in bunten Gruppen sich durch einander bewegen. Als ein bloßes ökonomisches Schauspiel war uns aber diese Wirtschaft von verschiedenen angegeben worden.


Wir sahen zwar nachher einen anderen kleinen Stapel von auserlesenen schönen Kühen, die auch beibehalten und fortgepflanzt werden, und auf den Rasen-Plätzen, im Park weideten. Diese haben dann freilich noch die Schönheit dieses, mit reinem Geschmack sparsam verzierten, Natur-Gartens. Allein dieses ist nur Nebensache bei der Wirtschaft.

Vor allem zog die neue Dreschmaschine, die eben im Gange war, unsere Aufmerksamkeit auf sich. Sie ist von der in Schottland und England jetzt ziemlich allgemein eingeführten Art, welche vor 40 Jahren in Schottland zuerst erfunden und allmählich mehr vervollkommnet ward.

Das aufgelegte Getreide wird von zwei cannelierten Walzen aufgefasst und in eine Trommel gebracht, wo es durch ein mit Schlägern besetztes Rad ausgeschlagen wird. Dieses Rad läuft mit der Geschwindigkeit von 64 Umläufen in einer Minute um. Weil ich bei meinem kurzen Aufenthalt die Konstruktion der Maschine, die in fortdauernder Bewegung war, nicht untersuchen, sondern nur über ihre Wirkung Nachricht einziehen konnte, auch damals von den englischen Dreschmaschinen, noch keinen klaren Begriff hatte; so hielt ich für abweichend sie von denen, die M. Rastricks im südlichen England erbaut hat. Es ist aber im Ganzen dieselbe. Wenn diese Maschinen gut konstruiert sind und im guten Stande erhalten werden, so hat es keinen Zweifel, dass sie reiner ausdreschen als es mit der Hand möglich ist. Auch machen sie das Korn völlig rein und schneiden das vollkommnere von dem leichten. Ein Wispel Weizen kann damit in 2 Stunden, ein Wispel Hafer in 1 1/2 Stunde, wenn die Maschine von gehöriger Größe ist, ausgedroschen und zum Verkauf völlig bereitet werden. Es werden dann aber sechs Pferde zu ihrer Bewegung und sechs bis sieben Menschen zu ihrer Bedienung erfordert, und jene werden stark angegriffen. Hat man die glückliche Lage, dass eine solche Maschine durch einen Bach getrieben werden kann, so ist ihr Vorteil sehr groß. Zum Dachdecken wird freilich das Stroh verdorben, aber nicht zur Fütterung und Einstreuung. Auch schadet langes Stroh, wie ich damals hörte, der Wirkung der Maschine nicht. Sie sind nun auch außerhalb England in manchen Gegenden bekannt geworden.

Den Smallschen Pflug, den ich nachmals fast allein gebraucht, und in meinen Abbildungen von neuen Ackerwerkzeugen ausführlich beschrieben habe, sah ich hier zuerst und lernte seine Vorteile kennen. Ich habe nun seit einem Jahre eine abgeänderte Art desselben erhalten, die ich bei gewöhnlichem, flachem Pflügen noch vorziehe. Aber wenn man über sechs Zoll tief pflügen will, so behält der Smallsche den Vorzug.

Auch machte ich hier die erste Bekanntschaft mit, manchen anderen englischen Werkzeugen, deren Gebrauch ich in der Folge mehr studiert und zum Teil schon beschrieben habe.

Das ganze Fuhrwerk wird in Flottbeck mit einspännigen Karren von Schottischer Art betrieben und Wagens werden überall nicht gebraucht. Diese Karren sind so konstruiert, dass der größere Teil der Last vor der Achse ruht und vom Pferde getragen wird, wozu denn auch das Geschirr eingerichtet ist. Wenn sie zum Getreide- Heu- und Stroh-Fahren gebraucht werden, so wird ein Gestell auf den Kasten gesetzt, worauf man eine große Masse laden kann, unter welcher das Pferd bis an den Kopf bedeckt geht. Die Achse ist von Eisen und die Räder haben metallene Büchsen, womit sie auf dem eisernen Stabe umlaufen. Ein Pferd von mittelmäßiger Stärke kann auf einem solchen Karren 2.000 Pfund ziehen, ohne stark angegriffen zu werden. Sobald die Räder nur einmal im Umlaufe sind, wird die Last sehr erleichtert. Aber es wird ein sehr ebener Weg oder ein sehr guter Führer erfordert, der das Pferd so leitet, dass die Räder nicht in Schlaglöcher kommen, weshalb man das Pferd auf solchen Wegen dicht am Kopfe anfassen muss. Ohne diese Vorsicht bekommt das Tier gewaltige Stöße und wird von einer Seite zur anders geworfen, zumal da es so sehr eingespannt ist, dass es sich nicht helfen kann. Bei unvorsichtigen Führern, auf unebenen Wegen, werden die Pferde daher bald buglahm darin. Auf guten Chausseen dagegen und auf ebenem Ackerlande, lässt man die Pferde in mehreren Karren nur mit einem Führer gehen, der sie alle mit den Worten dirigiert. Beim Erde- oder Modderfahren, oder dem Auseinanderfahren eines Düngerhaufens auf dem Felde, gehen 5 bis 6 Pferde ohne Führer. Die beladenen Karren gehen den einen Weg, die leeren kehren auf dem anderen zurück.

Denn Einspänner-Pferde werden ungleich gelehriger als zusammengehende und können durch Zurufen leicht geleitet werden. In diesem Falle fällt also der Einwurf, dass man um so mehr Menschen bei diesem Fuhrwerke gebrauche, ganz weg. Zum Umstürzen schicken sich diese Karren, obgleich sie dazu eingerichtet sind, nicht gut. Denn weil die Last größtenteils vor der Achse liegen muss, so sind sie schwer nach hinten herumzuschlagen. Man darf ja nicht zugeben, dass die Last mehr nach hinten geladen werde um das Umstürzen zu erleichtern; denn teils wird es dadurch dem Pferde sehr erschwert, teils kann die ganze Karre dadurch hinten überschlagen, und das strenge gespannte Pferd ersticken. Man hält es übrigens in England für ausgemacht durch Versuche, dass auf ebenen Wegen 3 Pferde vor solchen Karren eben so viel ziehen, als 5 Pferde vor einem Wagen.

Wie wir die Felder durchwanderten, bemerkten wir, dass ihr Kulturzustand sehr verschieden sei; denn einige derselben hatte der Herr Etats-Rat schon längere, andere kürzere Zeit im Besitz gehabt. Wir sahen ein Feld mit Winterwicken, welche ihrer Reife nahe waren. Auf anderen Feldern waren sie grün abgeerntet und darnach Kohl und Kartoffeln gepflanzt worden. Hierin besteht der Vorzug der Winterwicken vor den Sommerwicken, dass man dann das Feld zu einer zweiten Frucht benutzen kann. Es hat sich aber gezeigt, dass sie etwas strengere Winter bei uns nicht aushalten, und ihr Anbau ist, wie ich glaube, auch zu Flottbeck ganz aufgegeben worden. Sie sind nicht spezifisch von einander verschieden, sondern höchstens, wie Winterrocken vom Sommerrocken.

Die Kartoffeln und andere gepflanzte Früchte, werden mit zweckmäßigen englischen Pferdehacken und leichten Pflügen bearbeitet.

Der Herr Etats-Rat hat viele sehr bequeme und solide Wohnungen für Arbeiter-Familien aufgeführt. Diese Leute haben größtenteils keinen Garten, damit sie ihre Arbeit nicht ihren eigenen Früchten, sondern ganz dem Dienste auf dem herrschaftlichen Hofe widmen. Es wird ihnen aber das ganze Jahr hindurch hinlänglich Arbeit gegeben und zwar fast sämtlich in Verding. Jeder wählt und erhält, womöglich, die Art von Arbeit, worin er die meiste Übung hat; und folglich verdienen diese Leute reichlich, ungeachtet die Arbeiten minder hoch zu stehen kommen, als wenn sie in Tagelohn geschähen. Besonders aber kann man sich auf eine schnellere Vollführung der Arbeit, mit einer gleichen Menschenzahl, verlassen. Da man auch den Kindern, so früh wie möglich, leichte Arbeiten und Verdienst gibt, so werden sie frühzeitig zum Fleiße gewohnt; die Eltern können ihnen für ihr Verdienst kräftigere Nahrung geben und ihr Körper wird also stärker. Schade! dass der Plan zu den Gebäuden nicht auf einmal gemacht werden konnte, und dass das Ganze daher so wenig in Verbindung steht! Aber die Wirtschaft vergrößerte sich allmählich und folglich mussten immer mehr Gebäude angehängt, der Platz konnte nicht zweckmäßig gewählt werden.

Von Kohl sahen wir mancherlei Arten. Der schottische Kohl, der nach den Engländern ein so großes Gewicht erhält, unterscheidet sich von unserem großen Platt-Kopfkohl im Wesentlichen nicht.

Wir sahen Klee, der zwischen Weizen gedrillsät, und mehrmals gepferdehackt war. Er stand ungemein rein, dicht und stark. Anderer Klee war mit englischem Raygrase (Lolium perenne) [Deutsches Weidelgras] gemischt und fast davon verdrängt. Es wird hier viel Samen von diesem Grase aufgenommen und ist bei Herrn Wohlers in Altona zu haben.

Graue Kocherbsen fanden wir von ungemeiner Vegetation, im Durchschnitt 8 Fuß lang. Große Menge Düngerhaufen die wir antrafen, aus Mist, Straßenkot (der aus Altona zu Schiffe herbei geschafft wird) und mergeligter Erde zusammengesetzt, erklären neben der guten Beackerung und neben dem guten Fruchtwechsel den sehr hohen Ertrag, welchem man hier einem mittelmäßigen Boden abgewinnet.

Die beträchtliche Baumschule von Obst- und anderen Pflanzungs-Bäumen, die jetzt eine große Ausbeute gibt, war damals erst seit kurzem angelegt, zeigte aber schon was sie werden würde.

Der Plan und der Zweck dieser Wirtschaft haben mehrmals Abänderungen erlitten. Damals ward auf den Milchverkauf nach Hamburg viel gerechnet. Es hat sich nachher ergeben, dass die vom Vieh konsumierten Früchte ungleich vorteilhafter nach Hamburg abgesetzt als verfüttert werden könnten, und deshalb werden jetzt nur wenige Haushaltungs-Kühe gehalten, der Dünger aber aus Altona herbeigeschafft.

In wiefern es richtig war, was man damals in der Gegend sagte, dass diese Wirtschaft nicht rentiere, lasse ich dahin gestellt sein. Man vermischte wahrscheinlich die sehr großen Verbesserungs-Kosten mit denen eines gewöhnlichen Ackerbaues. Jetzt aber, nachdem diese Wirtschaft auf die besonderen Verhältnisse, welche aus der Nachbarschaft einer so volkreichen Stadt hervorgehen, berechnet und darnach organisiert ist, rentiert sie sehr stark, wie mir das von den beiden Verwaltern, Herrn Fricke und Herrn Meyer, welche der Herr Baron Voght durch mich erhalten hat, versichert worden ist. Sie kann freilich im Ganzen nicht als eine Musterwirtschaft angesehen werden, da ihre Verhältnisse sehr eigentümlich sind. Aber das Detail derselben ist für jeden Landwirt höchst instruktiv und verdient deshalb sehr gesehen zu werden.

Ein beträchtlicher Teil des Ackers ist gegenwärtig an Herrn Staudinger verpachtet. Es tat uns sehr Leid, diesen interessanten Mann hier zu verfehlen, der aber mit seinen landwirtschaftlichen Zöglingen eine Reise durch Franken und Obersachsen machte. Er hat sich hier auf einem wilden Stücke Landes ein Haus gebaut, und einen Platz, den ihm der Herr Etats-Rat Voght schenkte, nachdem er darauf den Torf ausgestochen, zu einem Garten und Versuchfelde eingerichtet. Er ist es nämlich, der hier eine Ackerbauschule und landwirtschaftliche Erziehungs-Anstalt angelegt hat. Er nimmt darin jedoch nicht mehr als 6 Zöglinge auf. Sein Hauptzweck geht dahin, den jungen Leuten die Grundlage zur möglichsten Ausbildung des Verstandes, des Charakters und des Körpers zu geben, indem er sie in allen Künsten und Wissenschaften, welche Einfluss auf die Landwirtschaft haben, unterrichtet. Hierzu zählt er theoretische und praktische Geometrie, Arithmetik, Mechanik, das Wichtigste der Physik, Chemie, Botanik, Mineralogie und Entomologie. Die jungen Leute haben freien Zutritt zu Herrn Voghts physikalischem Apparate und Bibliothek. Der zu Flottbeck sich aufhaltende geschickte Chemist Herr Schmeißer, hält ihnen auch zu Zeiten chemisch-mineralogische Vorlesungen, und lässt sie in sein Laboratorium kommen. Herr Staudinger aber übt sie ferner in Hand-Anlegung bei allen Wirtschafts-Arbeiten in seinem Garten und Felde, und zeigt ihnen das Größere auf Herrn Voghts Äckern. Eine solche Reise wie er jetzt mit ihnen machte, ist dann wohl ein vorzügliches Mittel, ihre Kenntnisse zu vervollkommnen. Er nimmt die Zöglinge am liebsten von 11 bis 12 Jahren, und verlangt, dass sie vier Jahre bei ihm bleiben. Wenn er aber bemerkt, dass er ihnen im ersten Jahre den Sinn für das Nützliche und Notwendige nicht beibringen kann, so schickt er sie wieder weg. Bei denen ader die er behält, garantiert er die Ausbildung, welche er verspricht.

Da Herr Staudinger ein Mann ist, der sich nach einer armseligen und vernachlässigten Kindheit zu sehr großen Talenten selbst emporgearbeitet hat, so ist um so eher zu erwarten, dass er dem sichersten Gange der Ausbildung des physischen und moralischen Menschen, besonders zum Stande eines aufgeklarten Landwirtes, auf die Spur gekommen sei, und dass er daher junge Leute sicher und richtig leiten werde. Wer diesen munteren, tätigen, anspruchslosen und gefälligen Mann auch nur so kurze Zeit gesehen hat, wie ich ihn hier in Zelle sah, wird an seinem Willen und Lust, glückliche, verständige und gute Menschen zu bilden, nicht zweifeln können.