Von Glückstadt über Breitenburg nach Itzehoe

Den siebten Julius. Wir wünschten nun, nachdem wir die Marsch zum Teil gesehen hatten, von dieser Seite auch das Innere von Holstein zu besuchen. Mit diesem Wunsche vereinigte sich bei mir ein anderer, nämlich den G. C. zu R., dessen Bekanntschaft ich in N. gemacht hatte, wieder zu sehen. Wir fuhren also über Krempen, auch diesen Strich durch die Marsch. Der Boden schien uns nicht so stark zu sein, wie der, den wir gestern sahen. Auch war das Getreide im Durchschnitt schlechter. Besonders aber fanden wir hier, das Verhältnis des Weide-Landes zum Acker-Lande größer, sahen ungleich mehr weidendes Vieh, und unter demselben viele junge Pferde.

Die Pferde-Zucht hält man hier für einen sehr beträchtlichen und vorteilhaften Erwerbszweig. Wie groß aber der Vorteil dabei sei, habe ich nicht erfahren können, weil — man es selbst nicht weiß. Die Pferde werden auf die Ochsen- und Kuh-Weiden, bald hier, bald dorthin getrieben, und man scheint zu glaubest, dass sie nichts anderes abfräßen, als was dem Rindvieh doch nicht zu gut käme, Gailstellen und Disteln; ja dass sie das Land von diesem schädlichen Unkraut reinigten.
Man rechnet geringe, und wohl weit unter ihrem eigentlichen Werth, an. Allenthalben doch, mag man sich mit diesen schönen Tieren gar zu gern selbst betrügen.


Was das Reinhalten von Disteln anbetrifft, so kann ich wenig davon rühmen; denn ich habe sie nirgends häufiger gefunden als hier auf der Weide und unter dem Getreide.

Die Pferde fressen dies Gewächs — Seiratula arvensis — nur so lange gern, als es ganz jung ist, nachher lassen sie es unangerührt stehen. Es hilft nichts dagegen als häufiges tiefes Ausstechen, besonders in der Brache, eine Arbeit welche sich sehr reichlich bezahlt. Die Distel gehört zu den Gewächsen, die sich durch Wurzeln und durch den Samen zugleich fortpflanzen, und daher den guten Boden so leicht ganz überziehen.

Der Übergang aus einer reichen Marsch in eine dürre Sandige Geest, macht immer einen unangenehmen Eindruck, besonders wenn man auf Landwirtschaft reist. Wenn man jedoch, wie es hier der Fall war, in der Geest gute Kultur, schöne Verkoppelungen und Wohlstand der Einwohner, aus reinlichen und gut erhaltenen Häusern hervorleuchten sieht, so verliert er sich bald wieder, und macht dem angenehmeren Gefühl, welches Fleiß und Ordnung erwecken, Platz.

Da weder mein Freund der Herr G. C. z. R., noch dessen Vater Herr G. z. R. Exzellenz, auf dem Schloss zu Breitenburg waren, sondern sich auf einem Jagdhause zu Rostorf, zwei Meilen tiefer im Lande aufhielten, so setzten wir unsern Weg dahin fort.

Bei Breitenburg passierten wir einige schön bestandene ansehnliche junge Holzungen, kamen aber bald darauf in eine höchst sterile Gegend. Dennoch war sie, nach ihrer Art, ziemlich gut kultiviert, und durch den Buchweizen in diesem Jahre vermutlich nicht uneinträglich. Das meiste war verkoppelt, doch nicht, allenthalben mit Hagen — im Holsteinischen Knicke genannt — sondern häufig nur mit Gräben und Aufwürfen eingefasst. Zuweilen, trafen wir aber auch Land an, welches schon unter dem Pfluge gewesen, jetzt indes mit Heide wieder bewachsen war, und völlig verlassen zu sein schien. Man hatte es vermutlich zu sehr erschöpft, und nun zu keinem weiteren Ertrage bringen können.

Die Herrschaft Breitenburg ist wohl die größte Privat-Besitzung in Holstein, denn sie enthält fast drei Quadrat-Meilen. Sie ist zu 180 Pflügen angeschlagen, und kontribuiret jährlich über 7.000 Rthlr. Alle Leibeigenschaft und alle Dienstbarkeit ist schon seit geraumer Zeit daselbst aufgehoben. Der größere Teil des Landes ist auf Erbpacht ausgetan, in größeren und kleineren Parzellen. Letztere sind ungefähr 28 bis 30 Tonnen groß. (die Tonne wird zu 240 Quadrat-Ruten gerechnet). Im Durchschnitt geben diese jährlich 70 Rthlr. — von 120 Quadrat-Ruten also 1 Rthlr. 6 Mgr. — sind übrigens aber von allem frei. Den älteren Höfen ist daneben Außen-Weide, Plaggen-Hieb, einige Holz-Nützung, sogar Holz-Weide vormals zugegeben worden. Da diese jetzt manchen Verbesserungen im Wege steht, so sucht man sich mit diesen Erbpächtern zu vergleichen, und tauscht mit mehrerem Acker- und Wiesenland diese Berechtigungen ein. Hierbei gewinnen beide Teile beträchtlich, sowohl die Herrschaft als die Bauern.

Die Höfe haben ihr Land mehrenteils um sich herum, und liegen also in einiger Entfernung von einander. Die Gebäude unterscheiden sich, im Ganzen, von den Niedersächsischen Bauer-Häusern wenig. Der Viehstand auf beiden Seiten der Dresch-Diele ist inter demselben Dache; aber doch durch eine Wand vom Vorplatze des Wohnhauses abgesondert.

Die Reinlichkeit aber die in diesen Häusern herrscht, hatte ich bei gewöhnlichen Geest-Bauern bisher nicht angetroffen. Die Leute hatten ein so starkes Gefühl dafür, dass sie wegen jedes Stroh-Halmes, der auf der Diele lag, mit der bevorstehenden Ernte-Zeit sich entschuldigten. Die Fenster im Hause waren so rein geputzt, Tische und Bänke, Zinnen-Zeug, selbst der Fußboden so gescheuert, dass ich vermutete, es solle eine Hochzeit oder ein anderes Fest gehalten werden. Man versicherte mich aber, dass dies immer so sei, und wirklich traf ich es auch so in allen den Häusern, die ich der Reihe nach besuchte. In jedem Hause war aber überdem, ein Besuch-Zimmer nebst Kammer für Fremde, welches nicht bloß sehr reinlich sondern auch elegant war. Ein weißer porcellainener Ofen, weiße Fenster-Vorhänge im Modernem Geschmack, ein hübscher Spiegel und darunter ein Tisch mit einem recht artigen Kaffee-Service, etliche Kommoden und ziemlich moderne Stühle; in der Kammer ein Paar schöne neue Bettstellen, mit leinenen Vorhängen — Alles etwa, wie man es bei uns in der Wohnung eines rechtlichen Landpredigers, anzutreffen nur Wünschen kann. Molken-Kammer, Speise-Kammer und Küche, welche hier nicht auf der Haus-Diele, sondern abgesondert ist, waren sehr reinlich und luftig.

Die Leute sind sehr zufrieden und froh. Über die Abgaben an die Gutsherrschaft beklagen sie sich gar nicht, und finden es sehr billig, dass sie solche bezahlen müssen. Sie sollen sogar eine Ehre darin setzen ihre Abgaben recht pünktlich, auf Tag und Stunde zu bezahlen. Einige, die Zins-Korn zu geben haben, wählen dazu ihr bestes Korn aus, und bringen reichliche Maße. Ihre einzige Beschwerde lief einstimmig auf die Stellung der Nazionalen oder der Miliz hinaus.

Die Leute waren gegen den G. C. z. N. welcher mich begleitete, äußerst zuvorkommend und gefällig, aber nichts weniger als furchtsam oder kriechend Sie empfingen ihn als einen Freund vom Hause, dem man Achtung schuldig ist, aber nicht wie einen Herrn, von dem man abhängt. Der Charakter freier und freigeborner, aber natürlicher, noch nicht sehr verfeinerter Menschen, leuchtete aus allen hervor. Sie boten uns Pfeifen, Tabak und Milch nacheinander an, und freuten sich als wir doch letztere annahmen. Vor allem gefiel mir aber die Offenherzigkeit, womit sie meine Fragen in des Grafen Gegenwart beantworteten, da sie sich doch Häufig auf den Ertrag ihrer Ländereien und ihres Viehs bezogen.

Es werden auf einem solchen Hof gewöhnlich 5 Pferde gehalten, wobei sie sehr auf die Zucht rechnen. Sie ziehen zuweilen 3 Füllen in einem Jahr auf, und können damit, wie sie sagen ihre Gefülle bezahlen. Sie haben 8 – 10 Kühe von mittlerer Größe, die sich aber in einem schönen Zustande befinden. Dicht am Hofe haben sie gewöhnlich ein kleines aber schönes Kleefeld. Den Klee im Großen zu bauen, und in die ordentliche Fruchtfolge zu bringen, hielten sie indes nicht für ratsam, weil er zu viel Dünger wegnehme, den man doch ratsamer auf das Korn verwenden könne. Wir suchten ihnen begreiflich zu machen, dass der Klee keinen Dünger wegnehme, dass er vielmehr Dünger gebe; aber das lag außer ihrem Horizont, welcher bei dem Bauer gewöhnlich hinter dem nächsten Jahr zu Ende geht. Die Umstände erlaubten es nicht gut, einen der größeren Meyerhöfe in dieser Herrschaft zu besehen. Es tut mir jetzt Leid, dass ich dies verfehlen musste. Zum Teil sind auch sie auf Erbpacht, zum Teil auf Zeitpacht oder auf Lebenszeit ausgetan.

Da wir von hierab auf Itzehoe gehen wollten, so nahmen wir unter der Führung des G. C. z. R. einen Umweg über Kelling-Hausen. Dieser ganze Weg geht durch eine sehr fruchtbare, marschartige Gegend in der Nähe der Stör, also durch einen ungleich schöneren Teil der Herrschaft Breitenburg, als der ist, durch welchen wir gekommen, waren.

Eine eigentliche Wirtschaft wird zu Breitenburg nicht geführt. Allein die Administration der ganzen Herrschaft erfordert doch große Aufmerksamkeit. Der gegenwärtige Herr Besitzer hat den Wert derselben vorzüglich durch die vielen vortrefflich bestandenen neuen, und durch die bessere Bewirtschaftung der alten, berühmten und großen Holzungen sehr gehoben. Auch hat er angefangen sehr schöne Torf-Moore, welche im Überfluss vorhanden waren, abzugraben und zu bearbeiten. Beides, Holz und Torf, findet durch die, ansehnliche Schiffe tragende, Stör, reichlichen Absatz, und wird ungemein teuer, viel teurer, als die so beschwögeten Holz-Preise bei uns stehen, verkauft.

Die Kenntnisse, die Neigungen und der Charakter des jüngeren Grafen, verbürgen dieser Gegend nicht bloß einen fortdauernden, sondern auch einen immer höher steigenden Wohlstand, und dem Pfluge noch mehrere Tätigkeit.

Von Breitenburg bis Itzehoe fährt man einen sehr angenehmen Weg, durch ein, an einer Anhöhe liegendes, malerisch schönes und reichhaltiges Buchen- und Eichen-Holz. An dem Wege sind verschiedene Plätze zur Bequemlichkeit der Spaziergänger aus Itzehoe eingerichtet und einfach verziert.