Von Flottbeck durch die Marsch nach Glückstadt

Den sechsten Julius. Wir nahmen unseren Weg über Rellingen; ein, aus vielen gut gebauten Land-Häusern bestehendes, Dorf; dann über Pinneberg, wo man noch allenthalben den Ausfluss des Hamburger Reichtums sieht. Von da bis Elmshorn fährt man durch eine sehr verkoppelte Gegend, und zwar sind die Koppeln mehrenteils nur klein, so dass jeder Landmann seine Koppeln für sich zu haben scheint. Die einzelnen, zwischen den Koppeln liegenden Höfe sind so bebaut, dass sie einen mittelmäßigen Wohlstand der Landleute anzeigen. Wir sahen am Wege fast lauter Buchweizen, wenigstens drei damit bestellte Koppeln, ehe wir eine mit Rocken antrafen. Der Buchweizen stand hier, so wie in diesem Jahre allenthalben, vortrefflich, der Rocken hingegen schlecht. Es war gewiss eine glückliche Ahnung, wodurch die Leute in diesem Jahre bewogen wurden, Buchweizen zu bestellen, als sie vermutlich sonst zu tun pflegen. Vielleicht hatten sie, auch als fleißige Wirte, manche ausgewinterte Roggenfelder wieder umgepflügt und mit Buchweizen besät.

Elmshorn ist ein niedlichere reinlicher Ort. Die älteren Häuser sind nur klein und niedrig, die neueren größer, und verschiedenes die jetzt gebaut wurden, waren nach einem ziemlich großen Plane angelegt. Dies verrät die steigende Wohlhabenheit des Orts. Es wohnen 17 Gold- und Silber-Arbeiter darin, welche für die Marsch Arbeit und Absatz genug haben. Die meisten Hauser werden von Schustern bewohnt.


Wir fanden auf unserer Reise durch die Krempermarsch nach Glückstadt, des häufigen Regens ungeachtet, recht guten Weg. Er ist größtenteils schon gepflastert und die Abgrabungen sind so eingerichtet, dass er nicht leicht unbefahrbar werben kann. Es ist in der Tat ein reizender Anblick, auf beiden Seiten die herrlichen Kornfelder, und das mit schönem Mast-Vieh besetzte Weide-Land, dann oben die vielen einzelnen schön gebauten Wohnungen zu sehen.

Wir fanden auf diesem Wege weit mehr Land unter dem Pfluge, als zur Weide liegend. Winter-Gerste, das einträglichste Korn der starken Marschen, war in diesem Jahre nicht sonderlich geraten. Man erwartet sonst davon in der Regel das 22ste oft das 26ste Korn. Sommer-Gerste und Hafer standen bewundernswürdig schön; der Weizen war, für diesen Boden, nur mittelmäßig; der Roggen, der jedoch nur selten vorkam, stand verhältnismäßig schlecht; Rapp-Saat sahen wir ziemlich viel, nur schon geschnitten. Man hatte die Stoppel sehr hoch stehen lassen, über welche die Saat ausgebreitet war, und dadurch bei dem vielen Regen luftig lag. Allem Anscheine nach musste sie hohen Ertrag geben.

Eine regelmäßige Fruchtfolge halten sie hier, wie überhaupt in den Marschen, nicht. Jeder richtet sie nach seiner Konvenienz und seiner vermeintlichen oder wahren Erfahrung ein. Wäre der Erfolg der verschiedenen Fruchtfolgen von ihnen genau beobachtet worden, so mussten sie jetzt ziemlich bestimmt wissen, welche die vorzüglichste davon sei, und sie würden solche mit mehrerer Übereinstimmung wählen. Einige Regeln sind jedoch ziemlich allgemein bei ihnen als vollgültig anerkannt. Hiernach brechen sie ihr Gras-Land, nachdem es 5, 6 bis 10 Jahre, — — in andern Holsteinischen Marschen wohl 20 Jahre — zur Weide gelegen hat oder als Wiese benutzt würde, um; pflügen es etliche male und säen Raps-Saat hinein. Einige bringen schon hierzu den Modder aus den Gräben auf den Acker, welches sie Klayen nennen; Andere versparen dies. Auf die Raps-Saat folgt nie Weizen, weil dieser sich lagern würde; sondern allemal Winter-Gerste. Dann kommt Weizen, hierauf Sommergerste, Roggen und etliche male Hafer in verschiedener Ordnung. Wenn in diesen Fruchtwechsel Bohnen kommen, so geht die ganze Folge mit Winter-Gerste von vorne wieder an, besonders wenn man dazu hat klayen können. Unter die letzte Saat wird dann Klee, roter und weißer, gesät. Um diesen zu überdüngen, wird alter Mist aufgespart, und höchst selten wird welcher untergepflügt. Indessen weiß man ihn sehr gut zu schätzen, und wirft ihn nicht, wie ich einmal hörte, ins Wasser. Vielmehr fanden wir die Dünger-Haufen sehr gut gemischt, und verrottet.

Das Weide-Land wird mit Ochsen oder mit Kühen besetzt. Erstere findet man aber häufiger, darauf, weil man die Mästung für vorteilhafter hält, wie die Molkerei. Ein großer Ochse erfordert, einen Marsch-Morgen von 450 Quadrat-Ruten, zum fett werden. Von dänischen Ochsen können aber 1 1/2 bis 1 3/4 darauf gemästet werben. Man lässt sie ein Stück nicht ganz abfressen, sondern bringt sie auf ein anderes, sobald jenes ihren Appetit nicht mehr so stark reizt. Das verlassene Stück wird dann nach etlichen Wochen zu Heu gemäht, worauf, dann späterhin junges oder mageres Vieh hierauf getrieben wird. Kühe hingegen müssen rein abfressen, und von der Kuhweide wird kein Heu gemacht. Daher will man bemerkt haben, dass eine Kuhweide das Land mehr verbessere, als eine Ochsen-Weide, und dass stärkere Früchte darauf wachsen, wenn sie auch längere Zeit gelegen hat. Von dieser wird nämlich nichts abgefahren, sondern alles darauf verzehrt und als Dünger dem Lande wieder gegeben.

Der Bestand der Höfe ist sehr ungleich, da die Ländereien nach Gefallen verkauft und zugekauft werden können. Die Abgaben ruhen auf den Äckern, und betragen auf den Morgen von 450 Quadrat-Ruten, unter mancherlei verschiedenen Benennungen, in allem beinahe 40 Mark. Weiter gibt es aber auch keine Lasten für die Besitzer, sondern sie sind freie und uneingeschränkte Eigentümer ihrer Ländereien und Häuser.

Der Preis der Äcker ist, dieser beträchtlichen Abgaben ungeachtet, sehr hoch und bisher noch immer gestiegen. Besonders werden einzelne Morgen sehr teuer, zu 1.800 bis 2.000 Mark. verkauft. Rechnet man die Zinsen nur zu 3 Prozent, so muss der Morgen, ein Jahr ins andere gerechnet, doch 100 Mark reinen Ertrag geben, ehe Zinsen für das verhältnismäßig starke Inventarium, Deckung des Risiko und Vorteil für den Wirtschafter herauskommen. Wie das aber bei dieser Wirtschafts-Art möglich sei, begreife ich nicht völlig. Wenn auch im Durchschnitt auf einen großen Weide-Ochsen 8 Pistolen gewonnen werden, so scheint mir das noch nicht hinreichend zu sein. Und dennoch nimmt der Wohlstand der Marscher beträchtlich zu, und viele sind reiche Leute. „Nun so muss ihre Wirtschaft besser, oder, was einerlei ist, vorteilhafter sein, wie sie scheint!“ — Das glaube, ich nicht. „Dann so ist es ein Widerspruch!“ — Auch das nicht. Denn wer einen Hof von 20 Morgen schuldenfrei besitzt, braucht durch seine Landwirtschaft nichts zu verdienen, sondern nur die reinen Zinsen davon zu ziehen und damit gut hauszuhalten, um überzusparen und ein reicher Mann zu werden. Eine Wirtschaft, die nichts weiter hinbringt als etwa 3 Prozent Zinsen, ist dessen ungeachtet immer eine elende Wirtschaft. Wird der Eigentümer dabei reich, so wir der es durch sein Kapital und durch seine Sparsamkeit, nicht durch, Industrie. Er könnte eben so, gut seinen Hof verkaufen, das Kapital auf Zinsen geben, und nach seinem Gefallen und Geschmack sich in den Lehnstuhl, setzen, oder sonst etwas vornehmen.

Man sagt: dass viele sich dem Luxus ergeben, nicht bloß gut essen und trinken, sondern auch Aufwand mit Meubeln, Silberzeug und vielen anderen Dingen treiben. Ich habe darüber viel Schwögen (ein. niedersächsischer Ausdruck, der den Begriff des Übertreibens und der Wort-Verschwendung in sich fasst) gehört, als sei es ein großes Unglück und der gerade Weg zum Verderben der Menschen. Geht dieser Aufwand bis zur Verschwendung, so ist es freilich übel. Allein ein Besitz von 30 Morgen in der Marsch, die doch wenigstens 1.800 Mark reinen Ertrag geben müssen, wenn sie zu 2.000 Mark der Morgen verkauft werden, kann nach seiner Art schon etwas Aufwand machen, ohne sich zu ruinieren. Viele aber sollen außerdem ansehnliche Kapitale haben und nicht wissen wie sie ihre Zinsen verzehren sollen. Sie fühlen ihre Stumpfheit für verfeinerten Lebensgenuss so sehr, dass sie allein aus dieser Ursache ihre Söhne wollen studieren lassen. Dann, sagen sie, kann der Junge über die Zeitungen, und über so viele schöne Bücher, die man jetzt haben soll, mit sprechen, und in Hamburg in die französische Komödie gehen, wovon wir nichts verstehen. Dass er mit dem Studieren sein Brot verdienen oder etwas werden soll, dies fällt ihnen dabei nicht ein. Wenn der studierte Junge nun auch ein recht vernünftiger Junge würde, seinen Hof annehme und klüger bewirtschaftet hätte, so hätte ich nichts dagegen; aber ich besorge, er wird Pastor oder Advokat und das sollte mir Leid tun. Wenn der Beste immer aus diesem ehrwürdigen Stande der Landwirtschaft heraustritt, so kann er sich nie heben. Dies beweist indessen, wie groß, das Bedürfnis der Geistes-Kultur für den unverkrüppelten Menschen wird, sobald bei ihm das Physische befriedigt ist. ,,Sollte man ihm jene nicht, verschaffen können, ohne ihn der Gefahr Auszusetzen, statt nützlicher Kenntnisse literarische Possen, statt Weisheit Torheit von Universitäten zu holen? Wie viel weiter wären mir hierin, vielleicht zu Ende des 18ten Jahrhunderts gekommen, wenn nicht jene unselige geleitete Explosion der menschlichen. Kraft, gegen unerträglichen Druck, den Wahn, verbreitet hätte, als sei Aufklärung dieses Standes gefährlich für den Staat! Andere sagen: diese wohlhabenden Marsch-Bewohner würden träge und indolent. — Dies wäre weit schlimmer: aber es kommt darauf an, was man unter träge versteht. Man rechnete, auch dahin, dass sie den Pflug nicht mehr selbst führten. Wäre es weiter nichts, so könnte dies mit vieler Tätigkeit, und Industrie bestehen. Aber man sagte uns auch, dass sie den Acker deswegen 20 und mehrere Jahre zur Viehweide liegen ließen, weil dies weniger Aufmerksamkeit erfordere als Getreidebau. Das tat uns Leid! — Allein es ist nur natürlich. Denn ganz Unrecht hatten jene Philosophen gewiss nicht, welche die Unbehaglichkeit, die Unzufriedenheit mit unserem gegenwärtigem Zustande, zum einzigen Bewegungsgrund unserer Handlungen machten. Wer alle Bedürfnisse die er kennt, befriedigt fühlt, und also keine Gegenstände seines Bestrebens weiter vor sich sieht, bei dem gewinnt die vis inertiae, das heißt die Neigung still zu liegen, allemal die Oberhand über den Erweiterungstrieb, der durch irgend etwas gespannt sein muss, wenn er nicht erschlaffen soll. Daher wäre jene Neigung zum Luxus, jenes Bedürfnis sich feineren Lebensgenuss zu verschaffen, das einzige Mittel gegen diese Trägheit, besonders wenn sie richtig geleitet würde. Ferner disponiert aber auch schon das Physische die Marsch-Bewohner zur Trägheit, wie wir an den Physiognomien wahrnahmen, die uns in den Cariolen Begegneten. Alles hat in der Marsch mehr Fett als Muskeln: Pferde, Ochsen, Schafe, Schweine, Hunde — Menschen. —
Unter solchen Bemerkungen kamen wir, wie es mir schien, schon etwas fetter, als wir aus der Lüneburger Heide ausgefahren, zu Glückstadt, diesem Sitz der Holsteinischen Justiz, glücklich an. Ein bedächtiger, abgemessener Ton, viele Neugierde und große Betriebsamkeit — die Gebühren einzufordern — charakterisierte — das Wirtshaus. Doch was wir hier sahen, taten und dachten, interessiert den landwirtschaftlichen Leser nicht.