Einleitung; allgemeine Verhältnisse.

In alter Zeit waren Schulen nur in unseren Städten; noch die Kirchenordnung von 1552, Thl. 4. kennt nur solche. Erst die revidierte Kirchenordnung von 1650, Thl. 4, a. E. bestimmt:

„Auf den Dörfern soll der Pastor oder Küster samt ihren Frauen Schule halten und etliche Knaben und Mägdlein im Katechismus, Gebet, Lesen, Schreiben, Rechnen1) unterweisen, damit die jungen Leute nicht aufwachsen wie das unvernünftige Vieh“.


Hiernach gab es auf dem platten Lande Schulen zuerst nur in den Pfarrdörfern, auf den Pfarren und Küstereien, vorwiegend auf letzteren, weil die Prediger außer den Katechisationen sich wesentlich bald auf Ausübung der ihnen obliegenden Schulaufsicht beschränkten. Da die Küstereien als solche ohnehin auf geistlichem Gut dotiert waren und für das Schulhalten höchstens nur der s. g. Schulschilling hinzukam, so war der Grundherrschaft und Schulgemeinde, welchen bei Gründung separater Schulen größere Opfer auferlegt wären, nur mit diesen Zuständen gedient.

Spezielle und eingehende Gesetze wegen Einrichtung der Schulen, Qualifikation und Remuneration der Lehrer im Domanium fehlten noch für die folgenden Dezennien vollständig. Aber hier, wo die Landesherren freie Hand hatten und an den Konsens von Landständen nicht gebunden waren, wurde nach endlicher Rückkehr geordneter innerer und äußerer Verhältnisse seit Mitte vorigen Iahrhunderts eine reiche, bis auf den heutigen Tag fließende Quelle größerer organischer Schulgesetze und singulärer Entscheidungen eröffnet, deren Inhalt den Gegenstand der folgenden Abhandlung bildet. Auch die Vermehrung der Schulen selbst, die Ausbildung und angemessene Dotation der Lehrer ging und geht noch hiermit Hand in Hand.

Nicht so auf den Ritter- und Stadtgütern, deren Eigentümer in ihrem beschränkteren Berufskreise den höheren Standpunkt der Landesheeren nicht zu erreichen vermochten und obendrein durch die mit Aufbesserung ihrer Schulen verbundenen größeren Ausgaben höchst unmittelbar betroffen wurden. In dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich vom 18. April 1755, §§ 495 und 496, sind denn auch hauptsächlich nur die geistliche Schulinspektion und das gutsheerliche Kündigungsrecht gegenüber den Lehrern vorgesehen. Durch Gesetz vom 31. Dezember 1773 wurde dann das damals im Domanium normierende Schulreglement vom 20. August 1771 auch auf die ritter- und landschaftlichen Schulen ausgedehnt, nicht aber die Gehalts-Instruktion der Domaniallehrer vom 18. Oktober 1770 nur wegen Prüfung der ständischen Lehrer ergingen demnächst im vorigen Jahrhundert noch einige Verordnungen Anders freilich, als nach Aufhebung der Leibeigenschaft 1820 gesteigerte Anforderungen für die Volksbildung an die Stände herantraten, welche nach längeren Verhandlungen endlich zur Schulordnung vom 21. Juli 1821 führten. Aber manche Wünsche der Regierung, besonders wegen größerer Sicherung und besserer Dotation der Lehrer, waren damals noch ganz oder teilweise unerfüllt geblieben, manche neue, hauptsächlich betreffs Vorbildung der Lehrer und intensiveren Unterrichts der Schulkinder, mit der fortgeschrittenen Zeit von selbst hervorgetreten. Dieselben gelangten freilich bei ihrer Äußerung auf dem Landtage des Jahres 1854 noch nicht zum Ziele, wurden aber auf Anregung aus dem eignen Schooße der Ritterichaft auf den Landtagen von 1866 bis 1868 von Neuem erhoben2), und haben endlich eine Revision jener Schul-Ordnung und ihre Ergänzung vom 5. Fedruar 1869 im Rgbl. Nr. 13 und jetzt vom 3. April 1879 im Rgbl. Nr. 8, nicht minder im Zusammenhange damit das Statut der neuen Bildungsanstalt zu Lübtheen vom 8. Mai 1869 im Rgbl. Nr. 38 veranlaßt. Der spezielle Inhalt auch dieser älteren und neuen, für ritter- und landschaftlichen Schulen normierenden Gesetze ist im Laufe dieser Abhandlung an betreffender Stelle wiedergegeben.

Während sonach die domaniale Schul-Legislatur unverhältnismäßig reicher und mannigfaltiger ist, als die ständische, hat sie doch auch wieder den Übelstand größerer Zersplitterung und geringerer Übersichtlichkeit, wogegen letztere sich wesentlich auf wenig größere und umfassende Konstitutionen beschränkt. Nur für die domanialen Flecken und diesen gleichgestellten Gebiete sind jetzt nach Einführung der GemeindesVerfassung einzelne, fast alle Verhältnisse erschöpfende Schulordnungen erlassen: für Poel vom 10. Juli 1873, für Lübtheen vom 31. März 1875, für Neukloster vom 30. Juni 1875, für Zaerentin vom gleichen Datum, für Dargun vom 24. Mai 1876, woneben die anderen domanialen Schulgesetze nur noch subsidiäre Geltung haben. Möglichst eine einzige und vollständige Schulordnung auch für alle Schulen des platten Landes im Domanium wäre ein großer Gewinn.

1) In den verschiedenen Gesetzessammlungen steht bald Rechen = Rechnen, bald Nehen = Nähen, doch richtiger wohl ersteres, weil Nähschulen erst neuere Einrichtungen sind.
2) Pal. Archiv für Landeskunde 1865 S. 642, 1867 S. 44. 61 ff.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Landschulwesen in Mecklenburg-Schwerin