Mein Weggehen von Lalibala hatte mir indess wenig genützt, die Leute begleiteten mich, ...

Mein Weggehen von Lalibala hatte mir indess wenig genützt, die Leute begleiteten mich, ich hatte einen Schwarm von fünfzig um mich, Lahme, Blinde, Aussätzige, Alles wollte von dem Frengi profitiren. Es war wie in Tafilet, wo man mir eines Tages in Ertib die Kleider zerriss, um Arznei zu bekommen.

So angenehm die Lage von Schegala ist, was Klima und Schönheit der Gegend anbetrifft, eine so unangenehme Nacht brachte ich zu. In der Voraussetzung, in einer der luftigen Hütten, in welcher noch dazu in letzter Zeit Kühe gewesen waren, sicher vor allem Ungeziefer zu sein, hatte ich meine Teppiche auf das abessinische Rohrlager gebreitet, aber nach Mitternacht wachte ich auf und fühlte, dass ich an hundert Stellen gebissen und gestochen wurde; eine Legion Wanzen war aus dem alten Ruhebett hervorgeeilt und hatte sich meines Körpers bemächtigt. Wenn ich nicht meine noch müderen Diener aufwecken wollte, musste ich Geduld haben, und die hatte ich, freilich mit grossem Blutverluste, bis der Morgen graute.


Bis Bilbala-Gorgis zieht sich der 12 engl. Meilen lange Weg durch eine überaus reizende Gegend. Sie ist mit hohem Buschwerk reichlich bewachsen, unter dem üppiges Gras gedeiht, und im Osten hat man immer einen hohen Gebirgszug, von dem die höchsten Spitzen Dogussatsch, Selatit und Aderho heissen, während die zu übersteigenden Hügel relativ nicht mehr als 1000 Fuss haben. Die zahlreichen, dem Takaze tributären Rinnsale führen in Folge des gut bewaldeten Bodens alle Wasser. Sobald man den Wukara-Fluss passirt hat, kommt man auf dessen rechtem Ufer zu der reizenden Ruine einer zerstörten Kirche. Aus Quadersteinen aufgeführt stehen einige Mauern noch ganz und zeigen jene kleinen Fenster mit steinernen Kreuzen wie die Kirchen in Lalibala, überhaupt scheint sie aus derselben Epoche und von denselben Baumeistern herzurühren. Das Innere ist mit Schlingpflanzen bedeckt und wilde Olivenbäume überschatten das Ganze. Das Volk schreibt die Erbauung der Kirche natürlich, wie alles Grossartige, dem König Lalibala zu.

Bilbala-Gorgis ist eine weitläufige Ortschaft und weil zufällig die ersten Gehöfte mohammedanischen Bewohnern zugehören, so wies man mir die Moschee, eine kleine runde Hütte, als Absteigequartier an. Diese Mohammedaner waren von Theodor aus Tigre hierher versetzt worden und seines Todes froh bereiteten sie sich jetzt zur Rückkehr in die Heimath vor. Fleissig wie alle Mohammedaner in Abessinien im Gegensatz zu den faulen Christianos, wie sich die Christen nennen, besass jede Familie einen Webestuhl. Sie waren natürlich äusserst tolerant und hatten nichts dagegen, dass ich rauchte und Tetsch trank, zwei sonst in den Moscheen streng verbotene Dinge. Als ich ihnen aber Abends zum Gebete für einen Augenblick die Hütte räumte, genirte sich einer nicht, mir während seiner Andacht mein Doppelglas zu stehlen, was ich leider erst am anderen Morgen merkte, als wir schon weit vom Orte entfernt waren. Ausser diesen hierher verpflanzten Mohammedanern giebt es keine in Bilbala-Gorgis und es ist bezeichnend für die mohammedanische Religion, dass überall, wo auch nur einige Familien sich finden, sie sich gleich eine Moschee errichten, und selbst ein einzelner Mohammedaner, wenn er fest unter Andersgläubigen wohnt, hat sicher seinen besonderen Betplatz. Sie lebten hier übrigens ganz auf gleichem Fusse mit den Christen und hatten keinerlei Beschränkung oder Unduldsamkeit zu erleiden.

Der folgende Tag war für uns ein recht beschwerlicher. Anfangs behielt die Gegend ihre liebliche Natur bei, vom Terrassa-Pass an wurde sie aber so zerrissen und wild, oft zwar grossartig, dann aber auch wieder traurig, dass man nicht wusste, welchen Gefühlen man Raum geben sollte. Vom Terrassa-Pass war, so weit das Auge blicken konnte, Alles durch Waldbrand zerstört und die trostlose Traurigkeit der Gegend wurde noch erhöht durch das schwarze vulkanische Gestein. Ohne Wasser, wie die Gegend war, musste ich bis an den Mari-Fluss reiten, der indess auch kein fliessendes Wasser hatte, sondern nur Pfuhle. Mit dem Mari-Fluss beginnt die Agau-Sprache, ein von den beiden anderen in Abessinien herrschenden Sprachen, dem Tigre und Amhara, verschiedenes Idiom. Das Volk unterscheidet sich sonst in Nichts von dem übrigen und wenn sie selbst auch unter sich Agauisch sprechen, so verstehen doch Alle die beiden anderen Sprachen. Nordwärts erstreckt sich die Sprache bis an den Distrikt Abergale, im Westen bis Semien, im Osten bis an den Aschangi.

Das Torf Taba, in dem wir übernachteten, ist übrigens ein elender kleiner Ort, die Leute leben hauptsächlich von Viehzucht, da der Boden zu arm ist, um reichliche Ausbeute für Ackerbau zu geben.