Kapitel 12 - Damiette.

Welcher von den vielen Reisenden und Besuchern, die jetzt jedes Jahr sich über Aegypten ergiessen, und das Land des Nils zu einem Modeland, wie die Ufer des Rheins, gemacht haben, denkt daran nach Damiette zu gehen? Fast niemand. Und warum? Weil die Stadt eben ausserhalb der grossen Verkehrsstrassen liegt, welche in Aegypten sowohl wie auch anderwärts seit Einführung der Eisenbahn ganz andere Wege eingeschlagen haben. Während früher die Abendländer in Damiette ans Land stiegen, ist jetzt Alexandria Hauptausschiffungsort geworden, und auch diese Stadt wird dem schnell emporblühenden Port Said weichen, wenn der Kanal fertig sein und die Eisenbahn direct von dort bis Suez führen wird.

Nach einem Aufenthalt von einigen Tagen in Port Said, einer der jüngsten und doch schon bedeutendsten Städte in Aegypten, ein Aufenthalt, der um so angenehmer war, als ich im lukullischen Hause unseres norddeutschen Consuls; des Herrn Bronn, die Strapazen der abessinischen Expedition und die gluthglühende Sonne des rothen Meeres vergessen konnte, machte ich mich auf, Damiette zu besuchen. Von Port Said aus kann man mittelst des mittelländischen Meeres dahin kommen, oder direct durch den See Menzale fahren, welcher vom mittelländischen Meere nur durch eine schmale Landzunge, die manchmal nur einen Kilometer breit ist, öfters auch Durchgänge hat, zum Binnen-See abgetrennt ist.


Eine Art von Dahabie war schnell gemiethet, wenn ich nicht irre für den Preis von 40 Francs, und wenn der Wind günstig blies, so konnte ich hoffen in 12 Stunden von Port Said aus das Täamiatis zu erreichen. Da aber manchmal widriger Wind eintritt, und so die Fahrt um das doppelte und dreifache verzögert, so versorgte mich Herr Consul Bronn noch reichlich aus seiner Küche und seinem Keller. Da gab es Büchsen mit eingemachten Fleischen, Fischen, Ragouts, Gemüsen, Früchten, die nie fehlenden Sardinenschachteln, endlich Orangen, Malaga-Trauben, Mandeln und Käse; von Weinen, welche bekanntlich das grosse Haus Bazaine aus Marseille nach dem Canal liefert, hatte Herr Bronn Claret und Sparkling Hock eingepackt, und damit nichts fehlte, lagen oben auf dem Korbe, welcher ausserdem ein completes Reisenecessaire enthielt, zwei frische Brode; ein grosser Krug Süsswasser completirte das Ganze. In der That, es war Essen und Trinken genug für 10 Mann auf zwei Tage.

Das Consulatsboot, eine schlanke Gig, fuhr im Consulat vor, ein kleiner Dock direct vom Canal aus mündet zum Güterausladen in den grossen Hof des Consulates selbst ein. Die norddeutsche Flagge wurde gehisst und mit einer steifen Nordwestbriese ging es canalaufwärts, wo etwa eine halbe Stunde entfernt die Schiffe lagen, welche nach Damiette clarirt waren. Alles war rasch an Bord des ägyptischen Schiffes gebracht, und nach einem herzlichen Lebewohl wurde ich hineingetragen, das Wasser war nämlich so seicht, dass das plumpe Araberschiff nicht dicht an den Damm des Canals, der den Menzale-See durchschneidet, heran kommen konnte. Dasselbe hatte blos zwei Mann Besatzung, war etwa 20 Fuss lang auf 8 Fuss Breite, ganz flach und ging vielleicht 1-1/2 Fuss tief, nach hinten befand sich eine Art von Cajüte, worin die Mannschaft des Schiffes ihre Vorräthe hatte. Grosse Segel hingen nach allen Seiten von einem schwindelhohen Mastbaum herab, so dass man staunte, dass das Schiff davon nicht kopfschwer wurde, freilich war es sehr breit. Die Mannschaft bestand, wie gesagt, aus dem Reis oder Capitän, welcher zugleich die Person eines Ober- und Untersteuermanns in sich vereinigte, und aus einem Behari oder Matrosen, der alle andern Persönlichkeiten bis zum Schiffsjungen, den die Araber Mudju nennen, repräsentirte. Vom Consul selbst hergeführt, kann man sich denken, dass ich von der gesammten Mannschaft mit gehörigem Respect aufgenommen wurde, denn im Orient gilt ein Consul mehr als ein Bascha, theils weil er nicht nur Strafen verhängen kann wie jener, sondern auch manchmal wirksamer Schutz gegen die Willkür der mohammedanischen Behörden selbst den Arabern angedeihen lässt.

Es war halb 8 Uhr als wir vom Ufer stiessen, im wahren Sinne des Wortes, denn der Wind war gerade conträr, wenn auch nicht heftig, und da die Mannschaft wahrscheinlich die Kunst des Lavirens nicht kannte, das ganze Fahrzeug auch zu ungeschickt dazu war, so konnte sie dasselbe nur mit langen Stangen langsam weiter stossen. Glücklicherweise hatte ich Lectüre bei mir, denn so viel merkte ich gleich, dass wir jedenfalls nicht in einem Tag hinkommen würden. Man richtete es sich indess so bequem wie möglich ein, mit mir war blos noch der kleine Neger Noël, also zu viert waren wir im ganzen. Gegen Mittag wurde der Wind nördlicher, und nun fingen sie doch an ihn selbst aufzufangen und zu benutzen, aber langsam ging es trotzdem.

Und dann wurde manchmal angehalten, wir fanden uns in einer jener Fischerflotillen, und da musste Es ssalamu alikum ausgetauscht werden, wobei dann gewöhnlich ein paar Fische zum Geschenk abfielen. Kein See ist vielleicht so fischhaltig wie der Menzale, fast durchweg nur 2 Fuss tief (wesshalb ich auch nicht für nöthig hielt, wie bei andern Seereisen sonst immer, einen Schwimmgürtel umzubinden) hat er ausgezeichnete Brütestellen für die Fische. Auch mehren sich diese in dem ewig lauwarmen Wasser derart, dass uns mehreremal einige ins Boot sprangen. Der Hauptfisch im Menzale ist nämlich ein gewisser von den Aegyptern Snamura genannter, welcher immer in grossen Sätzen aus dem Wasser herausspringt, und dessen Rogen getrocknet einen Haupthandelsartikel nach Kleinasien und der europäischen Türkei bildet. Der Snamura-Rogen wird von einem türkischen Effendi ebenso hoch geschätzt wie von unseren Feinschmeckern der Caviar. Ueberhaupt zieht der Pascha, Namens Henang Bey, welcher das Privilegium des Fischfanges auf dem Menzale-See geniesst, einen ungeheuren Vortheil daraus, denn Tausende von Centnern trockener Fische werden von hier aus in den ganzen Orient geschickt. Mehr als hunderte von Fischerbooten sind alle Tage mit dem Fischfang beschäftigt, und ein paar tausend Fischer haben hier ihre Arbeit. Um nicht jeden beliebigen fischen zu lassen, hält der Bascha eine eigene kleine Flotille mit Polizisten, welche Tag und Nacht auf der See herum patrouilliren müssen.

Von zahlreichen kleinen flachen Inseln bedeckt, welche kaum einige Fuss aus dem Niveau des Wassers hervorragen, von denen mehrere sogar bewohnt sind, hat der See eine Länge von 10 Meilen auf 3 Meilen Breite.

Abends wurde an solch einer kleinen Insel angelegt, weil die Mannschaft ihre Fische, die sie am Tage zum Geschenk bekommen hatten, backen wollte. Dieses Eiland bestand fast ganz aus kleinen leeren Kalkmuscheln, in der Mitte wuchs indess etwas Grün, und mittelst einiger trockener Sprickeln hatten sie bald ein gutes Feuer, worin sie die Fische, nachdem sie dieselben vorher ausgenommen hatten, hineinwarfen, und so in einigen Minuten auf die primitivste Art brieten. Hernach ging es weiter, und da wir kein Mondlicht hatten, auch keine Kerzen bei uns führten, so legten wir uns zum Schlafe nieder, freilich nicht eben weich, denn das Schiff hatte nichts als die harten Dielen, wenn nicht Schmutz und Staub von 20 Jahren etwas Weiche geschafft hätten. Ob der gelehrsame Reis und der wohlgehorchende Behari eigentlich die ganze Nacht durchgefahren waren, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen; der Reis Abd-Allah behauptete es indess beim Kopfe des Propheten, und so musste man es wohl glauben. Es kam mir indess vor, als die aufgehende Sonne uns weckte, als seien wir gar nicht von der Stelle gekommen. Bis 3 Uhr Nachmittags dauerte es noch ehe wir Damiette erreichten, um 9 Uhr Morgens hatten wir indess aus einem dichten Palmenwalde die hohen feinen Minarets, welche die Araber Smah[21] nennen, herausragen gesehen.