Kapitel 11 - Nach Axum über Hausen und Adua.

In Abessinien gewesen sein ohne Axum gesehen zu haben hiesse, um sich eines alten Sprichwortes zu bedienen, nach Rom gehen und den Papst nicht sehen. Und so, obgleich ermüdet von der ganzen englischen Expedition, die der Anstrengungen und Entbehrungen nicht wenige hatte, noch wie gerädert von der eben vollendeten Tour nach Lalibala, beschloss ich von Antalo aus, auf welchen Punkt ich von Lalibala und Sókoto herausgekommen war, nach Axum zu gehen.

Merkwürdigerweise hatte die englische Expedition bis jetzt gar keine Veranlassung gegeben zu weiteren geographischen Forschungsreisen, obgleich das Land und Volk namentlich zu kleineren Reisen gerade jetzt den günstigsten Augenblick bot. Man hätte von Magdala über den Dembea-See, über Chartum und über andere Punkte Partien schicken können, aber von alle dem geschah nichts, und nur dem Zufall verdankte ich es, von Talanta aus von Sir Robert die Erlaubniss zur Abreise von der Armee zu bekommen; spätere Gesuche um derartige kleinere Ausflüge zu machen wurden vom englischen Oberkommando abschlägig beschieden. Möglich auch, dass sich wenige Leute gemeldet haben würden, von denen man derartiges gerade hätte erwarten dürfen: Markham war, sobald der letzte Schuss von Magdala gefallen war, wieder zurückgeeilt, Grant ebenfalls, Blanford der Geologe hatte nach Gondar zu gehen die Absicht, doch ihm wurde eine Escorte (die er aber gar nicht nöthig gehabt hätte) vom General en chef verweigert, ebenso dem Oberst Phayre, der die schönen Wegeaufnahmen für die englische Arme gemacht hatte, kurz die Armee mit allem was mitgezogen war, eilte so rasch, wie sie gekommen war, wieder ans Meer.


In Antalo angekommen traf ich einer der ersten ein, von denen, die bei dem Sturm von Magdala gewesen waren; erst am folgenden Tage kam Oberst Phayre, Herr Lieutenant Stumm und Abtheilungen von Soldaten, welche die ehemaligen Gefangenen escotirten. Der General en chef war erst in Attala, also noch drei bis vier Tagemärsche zurück. Herr Stumm entschloss sich nun schnell sich mir anzuschliessen, indess wurde ausgemacht, um von Antalo oder vielmehr Boye, denn hier war das englische Lager, nach Axum zu gehen, dass wir erst in Gesellschaft von Oberst Phayre noch einige Etappen weit die Militärstrasse benutzen wollten. Indem wir die Etappen verdoppelten waren wir am 12. Mai in Agóla und traten von hier aus unseren Tour nach Axum an.

Frühzeitig wie Phayre, dieser unermüdliche Fussgänger, welcher immer um 3 Uhr Morgens seine Märsche antrat, machten auch wir uns um 4 Uhr Morgens auf den Weg. Im Anfange folgten wir noch dem Militärwege, der uns in die Dóngolo-Ebene führte, gingen also in N. z. O. R., aber etwa eine Meile, ehe wir den von Dóngolo kommenden Gonfel-Fluss benutzten, bogen wir ab und hielten dann N. N. W. R. Die grosse Dóngolo Ebene ist äusserst fruchtbar und hat herrliche Wiesen, deren Kräuter und Gräser der letzt gefallene Regen jetzt hervorspriessen machte. Wir liessen gleich links auf einer kleinen Anhöhe eine halbe Meile[13] vom Wege entfernt das Dorf Adekau liegen, und von hier an kamen wir in buschiges Terrain, belebt von einer grossen Anzahl bunter Vögel, Tauben, Perlhühner, Hasen und von grösserem Wilde, welche hier einen ungestörten Aufenthalt fanden; aber eine Unmasse kleiner Fliegen, die Begleiterinnen des weidenden Rindviehs, begannen uns und unsere Pferde auf eine schreckliche Weise zu quälen, und je heisser es wurde, desto schlimmer wurden diese Qualen.

Nach einer Weile überschritten wir dann die Grenze von Tará um den District Eiba zu betreten, hier deutlich gekennzeichnet durch eine tief von S.O. nach N.W. laufende Schlucht, welche auf den von N. kommenden Sulloh oder Surohfluss mündet. Dieses stark rieselnde, von buschigen Ufern eingefasste Wasser verfolgten wir eine Meile nördlich und lagerten dann unter einem schattigen Oelbaum, um unseren Thieren etwas Ruhe zu gönnen. Von hier aus biegt der Fluss dann von N. O. kommend ab, wir selbst aber gingen in N.W. Richtung weiter. Ansteigend kamen wir dann auf einen Hochkessel von sonderbar geformten Sandsteinfelsen eingeschlossen; im Westen bilden die Wand hauptsächlich die Berge Adamesso und Adeitesfei mit Dörfern gleichen Namens. Nach O. zu sind die Berge weiter entfernt. In der Mitte liegen zahlreiche Dörfer, doch auch die bevölkerteste Gegend Abessiniens ist arm an Menschen in Vergleich zu Ländern, die wir gut bevölkert nennen. Wir campirten Abends in Eiba, der Hauptstadt des Districtes gleichen Namens. Es ist dies ein weitläufiger Ort aus grossen Gehöften, die oft mehrere Familien einschliessen, bestehend, die Hälfte, oft zwei Drittel der Häuser sind immer in Ruinen. Und obgleich hier in Tigre die Häuser jetzt ausschliesslich aus Stein gebaut sind, so ist doch der Vorrath an Ungeziefer in demselben eben so gross wie in den südlichen Provinzen. Es unterliegt keinem Zweifel, die Abessinier sind das schmutzigste Volk von ganz Afrika. Sobald man Tigre betreten hat, bemerkt man indess eine auffallende Verschiedenheit in der Construktion der Gebäude, nicht nur dass die Wände alle von Stein gebaut sind (dies findet man auch auf den hohen südlichen Hochebenen von Uadela und Talanta), wird die runde Hüttenform mehr und mehr verlassen und an ihre Stelle tritt das viereckige Haus mit plattem Dache. Meist nur aus einem Zimmer bestehend, deren innere Möblirung sich in Nichts von denen der Hütten unterscheidet, sind die Dächer von Balken gebildet, die ausserdem noch mit Reisern, auf welche man Thon gelegt hat, überdeckt sind.

In Eiba fanden wir übrigens noch einigermassen gute Aufnahmen, d.h. wir konnten für Geld etwas haben, und zwar keineswegs billiger als in Europa.

Die herrlichste Aussicht hat man von hier auf die wunderbar geformten Felsen Abergale's, welche im W. den Horizont wie ein Wald gothischer Kirchthürme oder sonstiger eigenthümlicher Gebilde verschliessen. Diese zackigen Felsen, von denen Gemer-Amba, Dar-Mariam, Korar, Debrar-Abraham die hervorragendsten sind, tragen sämmtlich, wie das schon der Name andeutet, Kirchen auf ihren Gipfeln. Nach den Aussagen der Leute von Eiba sollen dieselben an Pracht und Kunst selbst die in ganz Abessinien berühmten Kirchen von Lalibala übertreffen. Da unsere Zeit sehr gemessen war um rechtzeitig bei der Einschiffung der englischen Truppen in Zula einzutreffen, bedauerten wir beide sehr, diese interessanten Kirchenberge nicht besuchen zu können, obschon wohl nicht anzunehmen ist, dass sie auch nur im Entferntesten den Gebäuden Lalibala's gleich kommen. Die Bewohner in diesem Theile von Abergale sollen ebenfalls noch heute Troglodyten sein.

Am folgenden Tage hatten wir nur einen kleinen Marsch nach dem 4 Meilen entfernten Hausen, welches auf einer von O. nach W. streichenden Sandsteinrippe liegt. Wir mussten dahin zwei kleine Bäche passiren, den Mai-Gundi und den Abega, die hier von NO. nach SW. laufen. Die zu passirende Gegend ist gewellt und noch einigermassen der Cultur zugängig, während nach W. sich bis zu den Bergen Dama Galla ein unabsehbares Gewirr von steinigen Hügeln erstreckt.

Bei Hausen selbst fliesst ein kleiner Bach, der gleich nördlich am Orte entspringt, und an seinen Ufern unter schattigen Akazien schlugen wir unser Lager auf. Der Platz war wirklich reizend, der Rasen fing eben an auszuschlagen, die Mimosen entwickelten ihre jungen fein ausgezackten Blätter, im Rücken das Dorf, oder die Stadt wenn man will, auf hohen Sandsteinblöcken gelegen, welche halb durch einen Wald dichten Rohres versteckt waren, vor uns das klar rieselnde Wasser und dann die herrliche Aussicht auf Eiba und die wunderlichen Felsen Abergale's. In Hausen giebt es freilich nichts Bemerkenswerthes; dazu kam, dass der Dedjat oder Statthalter abwesend, da er zu Kassai gerufen war, und die Leute zeigten sich so ungastlich und frech, wie man sie nur in Tigre finden kann. In der That fanden wir hier die Preise des Korns für uns so unverschämt hoch, dass wir für unser Vieh, wir hatten zusammen 11 Stück, an Einem Tage 14 Marien-Theresien-Thaler verausgabten. Hausen war in früheren Zeiten mehrfach Hauptstadt[14] von Tigre gewesen, jetzt ist es ein elendes Nest. Auch die Kirche hat nichts Bemerkenswerthes, höchstens dass der hinterste Theil derselben aus dem Fels ausgehauen ist. Ursprünglich scheint die ganze Kirche auf diese Art erbaut gewesen zu sein; später zerstört, hat man dann ein Gebäude abessinischer Art daraus gemacht, welches sich durch nichts als Geschmacklosigkeit auszeichnet.

Froh diesen ungastlichen Ort verlassen zu können, brachen wir am anderen Tage früh morgens auf; aber kaum hatten wir einige Schritte gemacht, als ein Unfall andeutete, dass wir keinen angenehmen Tag haben sollten: mein bestes Maulthier, welches die beiden schwersten Kisten trug, überstürzte sich beim Ueberspringen eines Grabens, und ich weiss noch nicht wie es kam, dass weder Maulthier noch Kisten Schaden litten. Dann ging es weiter; aber wie trostlos, echt abessinisch war die Gegend, Zum besseren Verständniss führe ich hier an, dass von Adigrat auslaufend die hohen Berge in Debra-Zion weit nach S. zu vorbiegen, dann sich wiederzurückziehend, kommen sie mit der Angoba Amba wieder nach S. Von diesem Zuge aus laufen nach S. zahlreiche kleine Rippen, aber bald ist das Ganze ein Gewirr von niedrigen Bergen, von Oben und Weitem gesehen wie eine Ebene, in der That aber durchschnitten genug, um bei den schlechten Wegen die Geduld des Reisenden auf eine harte Probe zu setzen.

Unsere Richtung war, die vielen kleineren Biegungen ausgenommen, fast durchaus WNW. Und so fort kletternd über die unwirtlichen Felsen, ohne auch für den ganzen Tag auf ein einziges Dorf zu stossen, oder auch nur von Ferne eines zu sehen, war das einzige Schöne die wunderbaren Formen der Felsen im Norden. Wer in der That Berge sehen will, muss nach Abessinien gehen, es giebt keine denkbare Form, die hier nicht zu finden wäre. Das Gestein, welches wir an diesem Tage erblickten, bestand fast durchweg aus verschiedenen Schiefern, von denen Thonschiefer und Glimmerschiefer die vorherrschenden waren, oft marschirten wir indess über Hügel, die mit kleinen weissen Quarzstücken wie bestreut waren. Die Vegetation war äusserst spärlich und bestand meist aus verkrüppelten Mimosen und dem unvermeidlichen Kolkol-Baum. Wir passirten den Felagelasi, der in den Woreb geht, und hielten dann längere Zeit am Mai-Metjelorat, der ebenfalls dem Woreb tributär ist Sodann hatten wir noch den Orei zu passiren, der von dem Tjametfluss durch den Adergebeto-Berg getrennt ist. Wir hatten den Angeba-Berg endlich erreicht, aber obschon unser Führer uns gesagt hatte, wir würden ein Dorf hier finden, sowie Wasser, so erwies sich das als irrig: das Dorf war hoch am Berge hinauf gelegen, das Wasser eine Stunde weit zurück. Heftig eintretender Regen nöthigte uns indess unsere Zelte aufzuschlagen, und in der Nähe fanden wir Hirten, welche aber nichts zu verkaufen hatten. Das Vieh musste Abends l Stunde weit zum Wasser zurück geführt werden, und ebendaher mussten wir auch unser Trinkwasser holen; für uns selbst hatten wir Vorräthe, und ein grossen Haufen Stroh musste als Viehfutter dienen.

Der folgende Tag war besser, was Gegend und Bevölkerung anbetraf. Aber wegen des Regens am Tage vorher konnten wir erst um 7 Uhr aufbrechen; wir umgingen dann den Angeba-Berg und hielten dann im Ganzen NW. z. N.-Richtung. Grosse Feigenbäume, die hier und da die Gegend beschatten, Dörfer an den Abhängen der Berge, Viehheerden, welche von singenden, halbnackten Hirtenburschen durch die Büsche getrieben wurden, lassen die Zeit rasch verstreichen. Wir passiren um 9-1/2 den von NO. kommenden Gebre Rhala-Bach mit gutem Wasser, und um 11 Uhr sind wir am Flusse Fersmai, wo wir in der Nähe eines üppigen Pfefferfeldes einen Halt bis Nachmittag machen. In gerader W.-Richtung sehen wir von hier den Gipfel des mächtigen Semaita-Berges über die niedrigen Hügel, die uns umgeben, hervorragen. Wir gingen denselben Abend noch bis zum Orte Assai, der am nordöstlichsten Ende des Semaita-Berges selbst liegt. Der Ort hat indess wie alle eine grosse Ausdehnung woraus es sich erklärt, dass er auf einigen Karten weit östlich von Semaita verzeichnet ist. Halbwegs zwischen Semaita und Fersmai liegt östlich vom Wege der Berg und Ort Gedera.

Wir hatten jetzt nur noch einen Marsch bis Adua, der jetzigen Residenz von Tigre, wenn von Residenz die Rede sein kann in einem Lande, wo der Fürst fortwährend im Lager lebt, und heute hier, morgen da campirt. Wir umgingen nördlich den Semaita-Berg, eine Schlucht übersteigend, die ihn vom Raya-Berg trennt, und den Gu-Asses, den Gedem-Anharet, endlich den Aba Gerima links lassend, langten wir nach 3 Stunden vor Adua an.

Obgleich wir von einem unserer Armeedolmetscher, der von Adua war, die Erlaubniss bekommen hatten, sein Haus zu beziehen, so zogen wir doch vor, unsere Zelte aufzuschlagen, und fanden auch einen hübschen Platz unter einem Feigenbaume, welcher Schatten für tausend Menschen bietet. Gleich darauf brachen wir aber auf, um die Stadt zu besehen. Adua liegt auf dem linken Ufer eines immer Wasser habenden Rinnsales, der vom Semaita kommt und Assem heisst. Die Stadt Adua ist ganz verschieden von allen anderen abessinischen Orten. Mit einer Mauer umgeben macht sie den Eindruck einer wirklichen Stadt, und die hohen, oft mit einem Stockwerke versehenen Häuser, welche manchmal sogar kleine maurische Fenster haben, tragen nicht wenig dazu bei, den städtischen Eindruck zu erhöhen. Aber selbst die weitläufigen Vorörter mitgerechnet, welche Adua nach Süden und Osten umgeben, glaube ich nicht, dass die Stadt, wie Ferret und Gallinier angeben, 4000 Einwohner hat. Wenigstens jetzt glaube ich nicht zu niedrig zu greifen, wenn ich sie auf circa 2000 Einwohner schätze.

Unsere Ankunft hatte natürlich eine ungemein grosse Menge neugieriger und müssiger Menschen versammelt, welche uns lachend und lärmend nachgingen. Die Strassen sind überdies so eng und schmutzig, dass nur Menschen passiren können, zwei Maulthiere oder Pferde würden keinen Platz zum Ausweichen haben. An öffentlichen Gebäuden hat die ummauerte Stadt (die Vorstädte haben auch Kirchen) nur eine grosse Kirche aus neuerer Zeit, also im Rotundenstyl gebaut, und mit Stroh gedeckt. Sie ist der Maria geweiht. Eine grosse Zahl müssiger Priester lagerte im Hofe, welcher von schönen Oelbäumen beschattet ist. Ueberhaupt zeichnet sich Adua dadurch aus, dass in den kleinen Höfen, welche bei den Häusern sich befinden, überall Wein, Granaten, Apfelsinen und Pampelmuse sich befinden. Offenbar muss der Wein von Deutschen eingeführt sein, die Aduenser nennen die Weinrebe "Wein". Auch macht die nahe Küste sich hier bemerkbar, denn Adua ist immer Hauptmittelplatz zwischen dem rothen Meere und Abessinien gewesen. Hier war der Hauptfabrikort für die feinen Filigranarbeiten, bis Theodor auf seinem Zuge nach Tigre alle Arbeiter mit fortführte und dieselben seinem Hofstaate einverleibte. Ein Theil dieser Leute war eben jetzt wieder zurückgekehrt. Aber auch eine Menge anderer Handwerker findet man in Adua, welche man in den anderen Orten Abessinien's vergebens suchen würde. Der Handelsstand und die Handwerker sind hauptsächlich Mohammedaner, viele von ihnen kommen blos zeitweise von Massaua nach Adua. Auch einen Griechen trafen wir hier als Flintenhändler, und ein Araber, der eben erst von Massaua gekommen war, hatte Cigarren und Wermuth zu verkaufen. Leider hatte ein Engländer, ein gewisser Lord Adare, Correspondent des Dayly Telegraph während der Expedition, der gerade einen Tag vor uns nach Adua gekommen war, Alles aufgekauft, so dass wir uns nichts von diesen Genüssen verschaffen konnten. Im Uebrigen waren die Aduenser ebenso ungastlich, geizig, frech und schmutzig wie die übrigen Tigrenser. Es scheint als ob in früheren Zeiten auch Juden in Adua gewesen seien, welche man in Abessinien unter dem Namen "Felascha" kennt, heutzutage giebt es keine mehr hier, nur in einigen Orten in Tembien und in Gondar sollen solche noch vorkommen. Wir besuchten dann das uns vom Dolmetsch angebotene Haus, aber es war so mit Wanzen, dieser allgemeinen Plage aller abessinischen Wohnungen, überfüllt, dass wir gleich jeden Gedanken, uns in Adua selbst einzurichten, aufgaben. Auch das Haus des Dr. Schimper besuchten wir, sahen uns aber sehr getäuscht, etwas besseres vorzufinden. Das einzige, was uns als merkwürdig auffiel, war das Studirzimmer in seiner Hütte, wie ein Observatorium, oben auf dem platten Dache des Hauses errichtet. Hier fanden wir den leeren Schrank einer schwäbischen Kukuksuhr, welche uns der jetzige Inwohner mit vielem Respect als etwas ganz Aussergewöhnliches zeigte. Dieser Schrank aus Bambus und Leder verfertigt sah höchst komisch aus, und anfangs wussten wir gar nicht was wir daraus machen sollten, bis zuletzt der Kopf, worin die Uhr selbst gewesen sein musste, uns zeigte, wozu er gedient haben müsste.

Dr. Schimper wurde in Adua zurück erwartet, einige seiner alten ehemaligen Diener lebten dort noch. Es scheint übrigens, dass Dr. Schimper durch seinen langen Aufenthalt in Abessinien selbst ganz Abessinier geworden ist, und weil er seit Jahren nichts Anderes gesehen hat, ausser Stande ist, Vergleiche anstellen zu können; so schien es mir höchst übertrieben, wenn er behauptete, dass Abessinien über 10,000,000 Einwohner habe; ich mochte dem Lande kaum ein und eine halbe Million zuschätzen, und Adua ein irdisches Paradies zu nennen, einen Ort, dessen Umgegend des Baumschmuckes entbehrt, zeigt deutlich genug, wie einseitig seine Meinung von Abessinien ist.

Zu unseren Zelten zurückgekehrt fanden wir eine ungeheuere Menschenmenge versammelt, theils neugierige Gaffer, theils Leute, welche allerlei Gegenstände natürlich zu den unverschämtesten Preisen zum Verkauf anboten. Auch ein Musikus hatte sich eingestellt, der auf einem Instrumente spielte und arg seinen Körper dabei verdrehte, unter Gesängen; kurz es etablirte sich ein vollkommener Jahrmarkt. Ein Priester, halb angetrunken, brachte uns einige Eier und eine kleine Flasche mit Araki, in Adua selbst destillirt; wir wollten ihm ein Gegengeschenk machen, aber er wollte nichts annehmen. Später kam er noch ein Mal und zwar nüchtern, und wir bekleideten ihn dann mit einem grossen Fliegennetz, in das wir ein Loch hineingeschnitten hatten, um den Kopf hindurch zu stecken. Herr Stumm und ich konnten uns des Lachens kaum enthalten, als wir den Pfaffen so mit einem Bettfliegennetz bekleidet sahen, und wie er sich vergebens abmühte Aermel zu finden, um seine Hände frei zu bekommen. Als wir ihm dann sagten, dass unsere Abuna ähnliche Mäntel trügen, beruhigte er sich und schritt stolz von allen Aduensern bewundert und angestaunt der Stadt zu. Nachher sollte aber das Lachen auf seiner Seite sein, er hatte uns nämlich dringend eingeladen, sein Haus, seinen Garten, seinen Springbrunnen zu besehen, und neugierig gemacht gingen wir, obschon es spät Abends war, mit nach der Stadt zurück. Wir fanden ein Haus schmutzig wie alle anderen und von derselben Einrichtung, einen kleinen Hof, wo in der That Granaten, Orangen und Weinreben waren, statt des Springbrunnens indess einen einfachen Ziehbrunnen, der jedoch als etwas Wunderbares gezeigt wurde. Dann brachte der Priester, und dies war seine Hauptabsicht, ein Löwenfell hervor, um es Herrn Stumm zu verkaufen, und wusste es so einzurichten, dass dieser es wirklich für 45 Thaler kaufte; ich denke der Priester hatte in seinem Leben nie ein so gutes Geschäft gemacht, er war so entzückt, dass er uns am folgenden Morgen noch sechs Eier zum Geschenk brachte.

Also am anderen Tage sollten wir das berühmte Axum sehen, die alte Capitale des Landes, wo nach den Aussagen der Abessinier die Königin Saba ihren Thron hatte und von wo aus sie die Reise nach Jerusalem unternahm, um Salomon als Beisteuer zum Tempelbau Gold und Ebenholz zu bringen. Der Weg von Adua nach Axum ist verhältnissmässig gut, nur zwei oder drei kurze Strecken sind schlecht. Nachdem man gleich bei Adua den Assem überschritten, kreuzt man noch die kleinen Flüsse Mai-Goga und Mai-Schugurti. Die Gegend ist kahl aber stellenweise gut cultivirt. Rechts hat man nach 3 Meilen auf einem Hügel den Ort Bit Johannes, dann später dicht vor Axum eine einsame Kirche auf einem hohen Berge, Pantalem genannt.

Axum, von Alvares Chaxuma genannt, ist jetzt bedeutend heruntergekommen, obschon es immer noch zu den grösseren Orten Abessiniens gehört. Es liegt einige hundert Fuss höher als Adua, welches selbst nach einer durchschnittlichen Berechnung 5500 Fuss über dem Meere liegt. Alvares erzählt uns, dass hier die Königin Saba, deren wahrer Name Maquerda[15] gewesen sei, regiert und nach ihr ihr Sohn, den sie mit Salomon gezeugt hatte. Auch finden wir in seinem interessanten Buche, dass von hier aus zuerst das Christenthum nach Abessinien verbreitet wurde, und zwar als auch eine Königin regierte, mit Namen Candace[16] oder Judith. Freilich finden wir heutzutage nichts von den Wundern, von denen Alvares uns in seiner Beschreibung von Axum unterhält, und da unmöglich die Gebäude und Steine in einem Zeiträume von 4000 Jahren können spurlos verschwunden sein, so ist wohl anzunehmen, dass er seiner Phantasie grossen Spielraum gelassen hat, ebenso wie er es mit Beschreibung der Kirchen von Lalibala thut[17]. An Merkwürdigkeiten haben wir nur heutzutage in Axum die alten Ruinen aus vorchristlicher Zeit und die Kirche. Letztere ist ein Gebäude ohne alle Kunst, obgleich ganz verschieden von allen anderen Kirchen in Abessinien, weil sie ganz aus Stein aufgeführt ist. Das Material dazu haben die alten Ruinen liefern müssen, wie auch die Substructionen, sowie die steinernen Treppen, welche zur Kirche führen, andeuten, dass hier früher wohl ein heidnischer Tempel gestanden haben mag. Vor der Hauptfaçade ist ein Säulengang, die anderen Seiten der Kirche, welche selbst ein längliches Viereck bildet mit glattem Dache, sind ohne jeglichen Schmuck. Die fanatischen Bewohner wollten uns nicht erlauben das Innere zu betreten; hier war der religiöse Fanatismus noch grösser als die Geldgier. Von den vielen Palästen, dem Löwenhause oder Ambacabete, den Springbrunnen, von denen Alvares schreibt, konnten wir keine Spur finden, ebensowenig Inschriften, eine amharische[18] ohne Bedeutung ausgenommen.

Ebenso scheinen Alvares Aussagen von den anderen Ruinen entweder sehr übertrieben zu sein, oder der Vandalismus der Bewohner müsste dieselben zerstört haben, denn selbst wenn dieselben auseinander gefallen wären, so müssten die Bruchstücke heutzutage zu finden sein, da der Stein, dessen man sich zu diesen Bauten bedient hat, sehr gut der Witterung wiedersteht. Der Stein, welcher eine Art von Granit ist[19], muss aus einer anderen Gegend hergeholt sein, denn in der Umgegend von Axum findet man nur Sandstein, Kalk und Schiefer[20].—Dicht bei einem ungeheuren Feigenbaum, der in seinem Umfange dem ausserhalb der Stadt Adua stehenden gleichkommt, und in Axum den Namen "Baum des Pharao" führt, findet man den berühmten Obelisk von reinster und schönster Arbeit, als ob er gestern aus der Hand des Meisters hervorgegangen wäre. Aber die Zeit, welche den Obelisk selbst nicht angreifen konnte, so scharf sind noch heute alle Ecken, Umrisse und Zeichnungen, hat eine Senkung des Erdbodens bewirkt, welche ihn in eine merkwürdig geneigte Stellung gebracht hat, vielleicht nur noch einige Regenzeiten und der Mittelpunkt der Lothrechten wird sich ausserhalb der Basis befinden, und dann wird auch der letzte Zeuge der Wunderbauten Axums gleich seinen Brüdern in Stücken auf dem Boden liegen. Ferret und Gallinier erwähnen nichts von dieser geneigten Stellung dieses Obelisken, den sie 80 Fuss hoch schätzen, während Alvares dessen Höhe auf 66 Ellen oder Bracia angiebt. Auch letzterer, der genau das ganze Ruinenfeld beschreibt, erwähnt nichts von einer schiefen Stellung, ebensowenig Th. von Heuglin.

Leider war unsere Zeit zu kurz gemessen, als dass uns genug übrig blieb, um die Königsgräber und die von Salt und v. Heuglin genau beschriebene griechische Inschrift zu besichtigen. Nach Salt sind diese Bauten nicht vor der Zeit der Ptolemäer errichtet und sollen von einem gewissen König Acizane circa 300 Jahre nach Chr. durch nach Abessinien gekommene christliche Arbeiter hergestellt sein. Dapper in seiner Liste der Abessinischen Könige führt ihn nicht auf.

Selbigen Tages kamen wir Abends wohlbehalten in Adua an, und verbrachten den folgenden Tag damit, unsere Einkäufe für die Rückreise zu machen, da wir auf die Vorräthe im Lande gar nicht rechnen konnten. Die Kirche in Adua, die uns an dem Tage geöffnet wurde, bot nichts bemerkenswerthes, es ist ein Gebäude der Neuzeit.

Eine zahlreiche Menschenmenge hatte sich am 20. eingefunden, um Abschied von uns zu nehmen, und vielleicht weggeworfene oder vergessene Sachen sich anzueignen. Wie gross die Armuth ist, kann man überdies daraus sehen, dass den ganzen Tag unter den Pferden und Maulthieren alte Weiber und Kinder herumhockten, um etwa zu Boden fallende Körner aufzusammeln.

Unser Weg führte uns in ONO.-Richtung; den erhabenen Semaita-Berg wieder rechts lassend; aber so zerrissen und wunderbar geformt die Gegend nördlich von Adua auch ist, so war die Strasse doch im Allgemeinen gut. Zudem war sie sehr belebt, da gerade an diesem Tage der wöchentliche Markt in Adua abgehalten wurde, und nun aus der ganzen Umgegend Alt und Jung herbeiströmte um Einkäufe für die Woche zu machen.—Sobald man den Reberen-Pass überstiegen hat, laufen die Gewässer alle nach NW. um dem Mareb tributär zu werden. Bei einer Quelle Mai-Schuha wurde ein kurzer Halt gemacht. Wie wenig sicher indess die Gegend ist, ersahen wir daraus, dass ein einzelner Mann trotz der wegen des Marktes belebten Gegend fast vor unseren Augen ausgeplündert wurde, wahrscheinlich war es ein Wiedervergeltungsact eines fremden Dorfes, weil Niemand sich hineinmischte. Als wir alle anderen Leute theilnahmlos, den Mann von vier anderen ausziehen sahen, hielten wir es auch nicht für geboten uns ins Mittel zu legen, und wie Adam im Naturkleide konnte er dann abziehen.

Der hohe zweigipflige Gendepta-Berg wird nun umgangen, so dass wir ihn westlich liegen lassen, und sodann passiren wir noch mehrere Rinnsale, die alle mittelst des Ungea dem Mareb zu gehen. Eine niedere Kette, welche wir dann mittelst des Damitjel-Passes übersteigen, und auf deren linken oder nördlichen Verlängerung die Michaels-Kirche liegt, führt uns in den District von Antidjo. Hier war es, wo Dr. Schimper zur Zeit, als Ubie König von Tigre war, als Gouverneur die Provinz regierte, und einer meiner Burschen aus einem der Dörfer dieser Provinz gebürtig, erzählte mir, dass damals Weinbau, Feigenzucht und viel Gemüse dort gezogen wäre. Krieg, Zerstörung und Indolenz der Bewohner haben dies kleine Paradies zu Nichts herabgebracht, aber die Lage ist wunderschön, und gewiss würde Alles dort gedeihen. Bei unserer Anwesenheit in Intidjo, wir lagerten am Dagassoni-Bache, fanden wir blos eine gute Zwiebelzucht, sonst war von Gemüsebau nichts zu sehen.

Als Dr. Schimper bei Theodor's Zuge nach Tigre ihm folgen musste, verlor er seine Provinz, welche vom derzeitigen Herrscher Kassa von Tigre einem Verwandten gegeben wurde. Hoffen wir, dass Schimper, welcher mit kräftigen Empfehlungsbriefen des commandirenden englischen Generals an Kassa, die englische Armee bei Adebaga verliess, um in Adua seinen Wohnsitz aufzuschlagen, bald wieder als Statthalter in seine ehemalige Provinz zurückkehren möge.

Wir hatten indess keine angenehme Nacht im Intidjo-Thale, schwarze Wolken hatten sich im Südosten um den colossalen Oger-Berg zusammengezogen und zögerten auch nicht sich über uns zu entladen.

Obgleich wir am folgenden Tage nicht so weit zu marschiren hatten, so war der Weg doch ungleich schwieriger und an Reiten fast gar nicht zu denken. Ueber den Urea-Pass führte uns ein mit grossen Steinen bedeckter Weg in das steil abfallende Sseriro-Thal hinab, und dann die Ntabaras-Schlucht westlich lassend fanden wir uns am Rande des weiten Thales, in welchem Debra-Damo, eines der berühmtesten Klöster Abessiniens, liegt.

Die Stelle, wo wir hinabsteigen mussten, bestand aus glatt abgewaschenem Sandstein, der so weiss war, dass man in der Sonne kaum die Augen offen halten konnte, als ob man auf einem Gletscher gewesen wäre. Der Weg aufwärts machte uns aber noch weit mehr zu schaffen; endlich lagerten wir am Fusse der eigentlichen Bergfeste, die so steil nach allen Seiten abfällt, dass man in einem Korbe hinaufgezogen werden muss, wenn man sie besuchen will. Es leben einige Mönche auf diesem Berge, welche ihre Bedürfnisse meist von unten beziehen, indess auch etwas Ackerbau oben treiben, und einiges Vieh halten. Die Mönche sind sehr schwierig, Fremden die Erlaubnis zum Heraufziehen zu ertheilen, und da unsere Zeit so schon fast abgelaufen war, um noch mit der englischen Armee Abessinien verlassen zu können, standen wir von jedem Besuche ab uns Aufgang zu verschaffen.

Da indess vor Nacht noch viel Zeit war, so benutzte Herr Stumm dieselbe um einige Tauben, die sich in zahlloser Menge in den grossen Sycomoren herumtummelten, zu erlegen, eine willkommene Zuthat zu unserer ohnedies schmalen Küche, da im Lande Alles aufgezehrt zu sein schien.

Der letzte Tag war ohne Interesse, wir kamen in NNO.-Richtung bald auf die englische Heerstrasse, so dass wir noch am selben Abend in Gunna-Gunna inmitten des englischen Lagers campiren konnten. Wie immer fanden wir die gastfreundlichste Aufnahme und da die Armee schon seit einigen Tagen in europäischen Genüssen schwelgte, die wir fast fünf Monate lang entbehrt hatten, kann man sich denken, dass wir bei Claret und Ale, Cigarren und sogar mit glänzender Beleuchtung und auf Stühlen sitzend einen vergnügten Abend zubrachten.