Die Ostsee.

Über die Entstehung der Ostsee ist die Wissenschaft zu übereinstimmenden Ansichten noch nicht gekommen: als feststehend wird nur angenommen, dass in der Tertiärzeit die Ostsee Festland gewesen ist. Über die Entwicklung während der Diluvialzeit gehen die Ansichten weit auseinander; für das Wahrscheinlichste hält man, dass die östliche Ostsee mit dem Weißen Meer in Verbindung gestanden hat und von dem westlichen Teil durch eine Landbrücke getrennt war. Durch unregelmäßige Hebungen und Senkungen der Erdrinde ist dann die jetzige Formation entstanden, worüber ein genaues Bild sich zu machen, erst weiteren Forschungen vorbehalten sein dürfte.

Manche Gelehrten sind aber weitergegangen und haben aus der jetzigen Formation der Ostsee und ihrer Küsten verschiedene Hypothesen über ihre einzelnen Entwicklungsphasen aufgestellt, von denen eine aus dem kleinen Werk von Bertouch *) durch ihre Einfachheit und Originalität sich auszeichnet und deshalb hier angeführt werden soll. Danach war von der Ostsee zuerst nur der Bottnische Meerbusen vorhanden und zwar als ein Teil des Weißen Meeres, das nach Süden durch eine Felsbarriere abgeschlossen wurde; der westliche Teil der jetzigen Ostsee gehörte zur Nordsee, die bis zur Linie Rügen — Moen reichte; der mittlere Teil war Land. Von der Kimbrischen Halbinsel, also Schleswig- Holstein und Jütland, war nur eine Reihe von Sandbänken und Dünen vorhanden, die sich von Süden in die Nordsee hinein vorstreckten und an verschiedenen Stellen durch tiefere Durchbrüche durchschnitten wurden. Überbleibsel davon sollen der Limfjord, der durch die Sturmflut 1825 wiederum durchbrochen ist, und der Einschnitt zwischen Husum und Schleswig sein.


*) Die nordischen Fluten und ihre Folgen.

Eine ungeheure Flut, die sogenannte erste baltische Flut, vielleicht auch eine Reihe von Fluten im Laufe von Jahrtausenden, die vom Weißen Meer her gen Süden vordrang, durchbrach die Felsenkette südlich des Bottnischen Meerbusens und riss den Rigaischen Meerbusen aus dem Lande heraus. Überreste der ersteren sind die jetzigen Alandsinseln, des Landes unter dem Rigaischen Meerbusen die Inseln Oesel und Dago. Spätere Fluten haben dann Rügen von der Halbinsel Moen getrennt und hiermit ward Nordsee und Weißes Meer mit einander verbunden, zugleich aber auch wieder der Grundstein gelegt zu ihrer Trennung, da die Sandmassen, die die Wogen der Ostsee infolge von nach Westen gerichteten Strömungen mit sich führten, die zwischen ihnen und dem tieferen Teil der Nordsee gelegenen Sandbänke und Untiefen erhöhten, die Durchgänge verschlossen und so die zimbrische Halbinsel erstehen ließen.

Durch Versandung und vor allem durch Hebung des Bodens ist später auch die Verbindung zwischen Weißem Meer und Ostsee verloren gegangen. Der frühere Meeresboden ist jetzt Sumpf, Überreste der ehemaligen Verbindung sind die beiden größten Binnenlandseen Europas, der Ladoga- und der Onega-See. Weitere Hebungen und Senkungen des Landes haben dann die jetzige Formation der Ostsee hervorgerufen. Als ein Hauptargument für diese Entstehungsgeschichte der Ostsee wird auch angeführt, dass ihre größten Tiefen nicht im westlichen Teil, also nach dem Atlantischen Ozean zu, zu finden sind, sondern im Osten und zwar im Bottnischen Meerbusen, dem angeblich früheren Teil des weißen Meeres. Die Frage, ob oder inwieweit diese Hypothesen richtig sind und wann die großen Umwälzungen vor sich gegangen sind, wird wohl nie beantwortet werden. Aus Funden von Steingeräten bei Ausgrabungen in Schweden hat man den Schluss ziehen wollen, dass zu den Zeiten bereits Menschen die Küsten bewohnt haben, eine Behauptung, die natürlich als ebenso wenig erwiesen angesehen werden kann als wie die obige Hypothese über die Entstehung der Ostsee überhaupt. — Doch nunmehr von der dunklen Vergangenheit zu den gegenwärtigen nicht umstrittenen Verhältnissen, die wir, vor Augen haben und die uns direkt angehen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und See. Unser Klima und Wetter