Die Winde.

Bevor auf die bei uns vorkommenden Winde eingegangen werden soll, sei in kurzem an den großen Kreislauf der Luft im Luftmeer erinnert, der sich über den größten Teil der Erde erstreckt. Die Ursache dieses Kreislaufes wie überhaupt aller Winde ist bekanntlich der verschiedene Luftdruck, der seinerseits hervorgerufen wird durch die verschiedene Erwärmung der Erde durch die Sonne und den verschiedenen Feuchtigkeitsgehalt.

Über dem Äquator, oder vielmehr dort, wo die Sonne am höchsten steht und es am heißesten ist, steigt die erwärmte, leichtere Luft in die Höhe, und zwar ist dies auf dem Meere wegen der Wasserdämpfe in stärkerem Maße der Fall als auf dem Lande. Die erwärmte Luft fließt in den höheren Luftschichten nach den Polen zu ab, wodurch in den unteren Luftschichten eine gewisse Luftleere entsteht, in die die kältere und Die Winde. deshalb schwerere Luft aus kälteren Gegenden hineinströmt. Dieser Luftstrom bildet die Passatwinde, die sich auf dem Meere zu beiden Seiten des Äquators über den ungeheuren Raum von je 20 Breitengraden erstrecken. Ihre Gebiete verschieben sich in den verschiedenen Jahreszeiten je nach dem Stande der Sonne, ihr in ewiger Gefolgschaft nachziehend; sie sind um die Erde gelegten breiten Windgürteln vergleichbar, die in der Richtung Nord-Süd hin und her geschoben werden und durch das Land unterbrochen sind.


Der Grund dafür, dass die Passatwinde nicht eine rein nördliche und südliche, sondern auch östliche Richtung haben, ist, etwas bildlich ausgedrückt, darin zu suchen, dass die Lufthülle, je näher dem Äquator, durch die Drehung der Erde in derselben Zeit einen größeren Weg mit dem Boden unter ihr zurücklegen muss als weiter nach den Polen zu. Die schnellere Bewegung können nun die Passatwinde; die von höheren Breiten dem Äquator zustreben, nicht so schnell aufnehmen und deshalb erscheinen sie nach Osten abgelenkt und zwar umso mehr, je näher sie dem Calmengürtel, der Region der Windstillen und Gewitter zwischen den beiden Passaten, kommen. Aus dem Nordostpassat auf der nördlichen und dem Südostpassat auf der südlichen Halbkugel ist am Ende ihrer Bahn fast Ostwind geworden. All diese Vorgänge sind sofort verständlich, wenn man sich einen in Drehung befindlichen Globus vor Augen hält.

Genau die umgekehrte Ablenkung erfahren in den höheren Luftschichten die vom Äquator nach den Polen hinfließenden Gegenpassatwinde. Ihre Richtung ist auf der nördlichen Halbkugel Südwest, um auf höheren Breiten noch westlicher zu werden. Allmählich erkaltet diese Luft, sie senkt sich und daher kommt es, dass bei uns hauptsächlich südwestliche und westliche Winde wehen. Ein Teil der Luft fließt dann als Passatwind wieder nach Süden, schließt dort also den Kreis, ein anderer nach Norden, wo ebenfalls ein Gebiet niederen Luftdrucks sich befindet und wahrscheinlich auch eine Art Kreislauf stattfindet. Doch nun zu den Luftströmungen bei uns.

Die Richtung der Winde an unseren Küsten ist von der im Binnenlande nicht sehr verschieden, so dass ein näheres Eingehen auf die Abweichungen sich erübrigt. Am häufigsten sind, wie bereits angeführt, überall die westlichen und südwestlichen Winde, am seltensten Ost- und Nordostwinde, welch letztere hauptsächlich im Frühjahr vorkommen und dann die bekannten Kälterückschläge mit sich bringen.

In den Sommermonaten überwiegen die westlichen Winde in noch höherem Maße als zu den anderen Jahreszeiten, nur an der preußischen und pommerschen Küste weht dann auch häufig Seewind aus Nord und Nordost, den ersehnten Wellenschlag mit sich führend. Nachstehende Angaben geben ein anschauliches Bild hierüber; die Angaben beziehen sich aber nur auf die Sommermonate. Es wehen dann an der
Nordseeküste 57% südwestlich — nordwestlich und
18% südöstlich — nordöstliche Winde
Ostseeküste 47% südwestlich — nordwestlich und
33% südöstlich — nordöstliche Winde.

Im Binnenlande verursachen die örtlichen Verhältnisse, ob Gebirge, Ebene usw. bedeutende Verschiedenheiten in Bezug auf Richtung und Stärke der Winde, so dass vergleichende Angaben hier wenig Interesse bieten.

Über die Heftigkeit der Winde im Allgemeinen gelten bestimmte Regeln.

Die erste Regel besagt, dass die häufigsten Winde, also die westlichen, auch durchschnittlich die stärksten sind.

Die zweite, dass abgesehen von den eigentlichen Stürmen auf See und an der Küste die stärkeren Winde im Winter, im Binnenlande dagegen im Sommer wehen. Letztere Erscheinung hängt mit den größeren Unterschieden der Erwärmung der Erde zu den verschiedenen Jahres- und Tageszeiten infolge der Sonnenstrahlen zusammen, wodurch auch die folgende dritte Regel bedingt wird.

Nach dieser ist auf dem Meer die Windstärke von den Tageszeiten unabhängig und ungefähr am Tage und in der Nacht gleich, dahingegen ist die Stärke des Windes an der Küste und im Binnenlande am größten in den wärmsten Stunden des Tages, also mittags, um in den späten Nachmittagsstunden wieder abzuflauen. Von 8 Uhr abends bis 8 Uhr morgens hält sich der Wind ziemlich gleichmäßig und ist verhältnismäßig schwach.

Das Segelhandbuch für die Ostsee, ein von der Seewarte für die Schifffahrt herausgegebenes Werk, erklärt diese Erscheinung am kürzesten mit folgenden Worten: „Die Ursache liegt in der Verzögerung der Luftbewegung der untersten Luftschichten durch die Unebenheiten des Erdbodens, die in der Nacht, wo der Luftaustausch in senkrechter Richtung sehr beschränkt ist, ihre volle Wirkung ausübt. Mit der höher steigenden Sonne werden die untersten Luftschichten durch Erwärmung des Erdbodens mehr als die darüber liegenden und zwar je nach den örtlichen Verhältnissen, ob Wald, Wiesen, Berg, Tal, verschieden erwärmt, wodurch Teile derselben aufsteigen und durch die in rascherer Strömung begriffene obere Luft ersetzt werden.“ Diese mittägliche Verstärkung des Windes tritt vorzugsweise bei heiterem Himmel und starkem Sonnenschein auf, daher sie auch durchschnittlich ausgeprägter bei Ostwind als bei Westwind ist.

Eine vierte Regel sei hier noch angeführt, trotzdem sie eigentlich an Land nicht beobachtet werden kann, nämlich: dass, wenn ein Wind von Land ab nach See zu weht, dieser erheblich stärker wird, je weiter er von Land abkommt. Es gilt dies vor allem für die Ostsee, an deren Strande der sich im schönsten Wetter ergehende Spaziergänger darüber klar sein möge, dass derselbe ihn angenehm umfächelnde Südwind wenige Meilen weiter nach See zu als Sturm wehen und kleineren Schiffen zum Verderben gereichen kann.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und See. Unser Klima und Wetter