LEIPZIG. K. Sachsen. Kr. Meiningen.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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LEIPZIG. K. Sachsen. Kr. Meiningen.

Nikolai-K. Älteste Pfarr-K. der Stadt; 1017 dem Bischof von Merseburg geschenkt; 1213 den Augustiner-Chorherren von St. Thomas untergeordnet. Etwa aus dieser Zeit der rom. WBau; Ziegelmauern mit Hausteingliederung; 4 breite Lisenen, an den Ecken mit Rundstäben und oben in Sägefries und Hohlkehle schließend; 2 vermauerte frgot. Fenster der alten Glockenstube, etwa M. 13. Jh., sonst alle Fenster aus späteren Umbauten; im 14. Jh. Auflösung des rck. Mauerkörpers in drei 8eckige Türme; 1555 durch Hieronymus Lotter der Mittelturm erhöht und mit einem Helm versehen, die Seitentürme mit Hauben gedeckt. Der 5/8 Chorschluß mit gestrecktem Vorchor vor 1400; aus gleicher Zeit die im NO anschließende Michaels-Kap.; die SOKap. 1467. Die Schiffe Umbau 1513 ff.; Halle von 3 Sch. und 5 Jochen. Die Ssch. durch Emporen erweitert, ähnlich wie in Schneeberg; 1555 Umbau des Turmes; nach dem 30j. Kriege umfassende Reparaturen; von der alten Ausstattung ist vieles beseitigt. [Die Gemälde im Museum, anderes in der Sammlung des Ver. f. Geschichte Leipzigs.] Kanzel spgot., sehr reich ornamentiert; jetzt in der Turmhalle. — 1784-97 eingreifende Umgestaltung des Innern durch Dauthe. Die spgot. Pfll. (8eckig mit konkaven Flächen) als antik kannelierte Sll. verkleidet; kein Kapitell, dafür über dem Astragal ein kühn geschwungener Kranz von Palmenwedeln — offenbar ein durch das got. Netzgwb. eingegebener Gedanke. — Altartisch, Leuchter und Taufstein aus Stuckmarmor zeigen den Zeitstil von seiner besten Seite. Die malerische Ausschmückung von Oeser. Schmerzensmann Stein ca. 1400.

Thomas-K. gegr. vor 1213 als K. des Augustiner-Chorherrenstiftes. Oft umgebaut. Der älteste Teil wohl die südl. Turmhalle, 14. Jh. Der gestreckte polyg. geschlossene Chor und die Sakristeien 15. Jh. Das Lhs. 1482-96 völlig neu aufgebaut von Claus Roder; 3 Sch. von gleicher Breite, 8 schmale Joche, schlanke 8eck. Pfll. Emporeneinbau 1570. — [Altar 1721 jetzt in der neuen Johannis-K.], bmkw. Taufstein 1614 von Georg Kriebel. [Der reiche und interessante hölzerne Deckel im Ver. f. Gesch. Leipzigs; ebenda der Fürstenstuhl von 1683, dessen Trophäenkrönung an die Befreiung Wiens aus der Türkengefahr erinnern soll.] Grabstein des Ritters Hermann v. Harras † 1451 (ausgeführt wohl einige Jahrzehnte später). Stein für Georg und Apollonia v. Wiedebach 1517, kniend von vorn, lebensvolle Figuren, vorzügliches [pg 237] spgot. Rankenwerk. — Großes Alabasterdenkmal der Familie Bachofen nach 1550 mit Weltgericht und Auferstehung. — Epitaph für Seb. Hillger † 1570, Messing mit Email. — Bronzeplatte für Nic. Selneccer † 1592, saubere Arbeit. — Denkmal des Joh. Jenitz 1593 in mehrfarbigem Marmor aus der Schule Nossenis. — Großes Hängeepitaph für Daniel Leicher † 1617; wohl von Georg Kriebel aus Magdeburg; die malerisch virtuos behandelten Alabasterreliefs in dreiteilig aufgebauter archit. Umrahmung; das Ornament in extravaganter Knorpelmanier. — Vortreffliche Sandsteinplatte für Georg Weinrich 1687. — Zahlreiche Superintendentenbilder, die 5 ältesten 1573-1617 von Johann de Perre.

Pauliner-K. (Universitäts-K.). Vom ältesten Bau (1221? 1231?) nichts erhalten außer ein paar Fundstücken. Die jetzige Gestalt durch drei Umbauten i. J. 1480 ff., 1519-21 und 1709-12. Als ursp. Kern erkennt man die normale Anlage einer Bettelordens-K.: Lhs. 3 Sch. und 7 Joche (45 m L.) und schmaler gestreckter Chor mit polyg. Schluß (29 m L.); im 16. Jh. hinzugefügt die Nebenchöre und im S des Lhs. ein zweites Nebenschiff. Von dem die ganze Breite der 3 Chöre einnehmenden Lettner nur geringe Reste erhalten. Das Lhs. Hallenkirche mit Netzgwbb. — Flügelaltar A. 16. Jh., die Teile zerstreut; im Mittelschrein die jetzt im Chor auf einer Konsole aufgestellte lebensgroße Figur des h. Paulus. — Von einem Nebenaltar stammen zwei wertvolle gemalte Tafeln des 14. Jh. — Holzstatue des h. Dominicus, sitzend, in Meditation (1,13 m hoch), eine künstlerisch hochbedeutende Arbeit um 1400, vielleicht von derselben Hand wie der Grabstein des Kanonikus Bruchterte im Dom zu Naumburg. — Holzstatue des Markgrafen Diezmann † 1307, im Stil Nachklang von Naumburg, weicher, manierierter, doch immer noch eine hochstehende Kunst. — Grabstein des Nickel Pflugk † 1482, hohes Relief in Sandstein. — Grabplatte der Herzogin Elisabeth von Sachsen † 1484, flaches Relief, interessant durch die Technik der getriebenen Bronze. — Schöner Grabstein mit der Reliefgestalt eines Unbekannten 1515. — Wandgrab des Lorenz v. Reutlingen 1528. — Desgl. des Caspar Börner 1547. — Drei Bronzeepitaphe von gleichartiger Behandlung: des Christopher v. Kruschwitz † vor 1549, keine Figg., nur Inschr., Wappen und knappes ornamentales Beiwerk in frühen, noblen Renss.Formen (Meister NT, Gießer J. Behem); des Adam Moller 1549; des Dr. Joachim v. Kneitlingen 1553; drei Grabplatten der Familie Maw 1616-20, Sandstein, [pg 238] ganze Figg. in hohem Relief mit wenig Ornament, ehrlich und gründlich, zumal im Stofflichen musterhaft. — Hängeepitaph des B. Golnitz † 1635, Holzarchitektur mit Übergewicht des Figürlichen, wilde Sp.Renss. — Charakteristische Beispiele aufwandreicher und schwulstiger Barockkunst die Steindenkmäler des J. J. Pantzer von 1673 und des G. T. Schwendendörffer von 1685. — Mehrere Gedenktafeln in der Form von Ölgemälden, darunter bmkw. das der Familie Lawe 1548 von einem Cranachschüler. — »Lasset die Kindlein zu mir kommen« von L. Cranach d. Ä. — Die sehr stattlichen spgot. Klst.-Gebäude 1830 und 1893 abgebrochen; erhalten ein Teil der umfangreichen Wandmalereien (abgehoben, jetzt in der Univers.-Bibliothek, in der auch andere bmkw. Kunstwerke).

Barfüßer-K. (Franziskaner). Von dem 1239 beg. Klosterbau nichts erhalten. Die jetzige K. ist Umbau 1494-1504. 2sch. Halle. Die trennenden 4 Pfll. vielleicht Reste der alten NMauer; im S Erweiterung durch eine über dem Kreuzgang angeordnete Empore (wie in der Pauliner-K.). Nochmaliger Umbau 1698. Liturgisch bmkw. die Verlegung der Kanzel auf die Mitte der SSeite; gegenüber tiefe Emporen. Die Rest. 1879 und 1894 gotisierend.

[Johannes-K., ursp. Kap. des Siechenhauses, 1582 in einfachen Formen erneuert, 1894 abgebr. mit Ausnahme des Turmes. Mobilien und Denkmäler erhalten. Bmkw. das Epitaph der Familien Meyer und Perger 1616, eine 3,8 m breite und bis zur Kirchendecke reichende Holzarchit. mit Knorpelornament, die Gemälde von Johann de Perre; Marmorepitaph des Andr. Winckler 1675, in der Mitte die lebensgroße Statue des Schmerzensmannes, hervorragende Barockarbeit. — Marmorepitaph des J. G. Sieber von 1680, Relief der Kreuzigung, wohl von Melchior Barthel. — Marmordenkmal für Ch. F. Gellert † 1769, einfacher Wandsarkophag mit den trauernden Genien der Tugend und Religion, das Reliefporträt des Dichters haltend. — Schöner Altar von 1721 (mit Christusstatue nach Thorwaldsen) aus der Thomas-K.]

Johanneskirchhof. Abteilung III 1680 eingerichtet. [Die schmiedeeisernen Gitter der Erbbegräbnisse z. T. im Kunstgewerbemuseum.] Charakteristische Grabmäler des 18. Jh.

K. zu Eutritzsch, stattl. 1sch. Dorf-K. mit polyg. Schluß und spgot. Netzgwb. — [Marienaltar, bäuerische Holzskulptur um 1400; wertvoller der Annenaltar und Erasmusaltar aus A. 16. Jh.; Museum des Altert.-Ver. in Dresden.]

Paulinum (Pauliner-, d. i. Dominikaner-Klst., später im Gebrauch der Universität). Nahm ursp. das ganze Dreieck [pg 239] zwischen Pauliner-K., der alten Stadtmauer und der heutigen Universitätsstraße ein. Die letzten Reste 1893 abgetragen. — Die Wandgemälde im Durchgang zur Paulinumsbibliothek (jetzt abgesägt) um 1511 ff. Von den Kollegiengebäuden der Universität hat sich nur erhalten: das Fürstenhaus, erb. 1558, wahrscheinlich von Paul Wiedemann, als Privathaus, seit 1648 der Universität gehörig. Die Fassade mit got. profilierten rck. Fenstern, Prunkstücke die runden zweistöckigen Erker.

Rathaus, 1556 ff. unter Leitung des Bürgermeisters Hieronymus Lotter von Sittich Pfretschner und Paul Wiedemann, 1907 vollständig, aber getreu im Sinne des alten Baues, umgebaut. In dem Neubau der Turm der im übrigen abgebrochenen Pleißenburg aufgenommen. — Der alte Bau gestreckt und niedrig, 92m lang, 19m tief. Nur 2 durch rck. Zwillingsfenster gegliederte Geschosse, hohes Dach mit je 7 dreigeschossigen, etwas reicher gegliederten Zwerchhäusern. Auf der Marktseite an Stelle des dritten Zwerchhauses ein 8eckiger Turm; in dessen Erdgeschoß ein Tor in feiner, wohlverstandener, jon. Ordnung (Paul Wiedemann). In verwandter Auffassung und von derselben Hand, doch in dor. Ordnung, die Tür im Hauptsaal; darüber Trompeterempore. Derberer Art der Erker am Salzgäßchen und das Tor am Naschmarkt. Drei Kamine in schwulstiger SpRenss. 1610. In der Ratsstube Bildnisse sächsischer Fürsten. [Die Bildnisse L. Cranachs an das Mus. der Bild. Künste, andere an die Stadtbibliothek, das Ratssilber an das Kunstgew.-Mus. abgegeben.]

Börse, 1678 von Christian Richter (?). Ein nicht großer, aber prächtiger Bau: Einziges Hauptgeschoß über niederem Unterbau. Die schmalen Mauerpfeiler zwischen den Fenstern mit jon. Pilastern besetzt, darauf holländisch-naturalistisches Laubwerk. Abschluß durch Balustrade. An der Schmalseite geräumige Freitreppe (im 19. Jh. erweitert). Das üppig schwere Stuckornament der Decke vom kurbrandenburgischen Hofmaurermeister Giov. Simonetti. Deckengemälde von Hans am Ende 1687.

Wage, 1555 und 1570.

Fleischbänke, um 1560, mit eigenartig dekoriertem Giebel.

Die Nikolaischule, 1568, umgebaut 1746, jetzt Hauptwache.

Die Innungshäuser, soweit erhalten, nur durch Bildnis- und sonstige Sammlungen von Interesse.

Verhältnismäßig arm an bedeutenden Monumentalbauten, besitzt Leipzig eine lehrreiche Folge von Wohnhäusern des 16.-18. Jh. Spgot. Reste: Burgstr. 19; Grimmaische Str. 5; Reichsstr. 4; Katharinenstr. 2, 4, 20 u. a. m. Renaissance: [pg 240] 1523 Markt 5 (die Fassade jetzt in den Hof versetzt); Auerbachs Hof, Durchgang von Grimmaische Str. 2 zu Neumarkt 14, mit Gemälden aus der Faustsage um 1615; Brühl 15 um 1540, Katharinenstr. 9 um 1550; Reichsstr. 21; Hainstr. 3 Webers Hof, um 1550, bmkw.; Katharinenstr. 26 um 1560; Reichsstr. 10 bez. 1605; Reichsstr. 6 Specks Hof um 1615, Gerbergasse 12 bez. 1690. — Gute Beispiele von Höfen mit Holzgalerien Katharinenstr. 4, Neuermarkt 26 bez. 1698, Reichsstr. 27. — Erker in reicher Holzschnitzerei: Katharinenstraße 21 um 1660; Katharinenstr. 20 um 1680; Grimmaische Str. 31 um 1670; Hainstr. 8 um 1680; Petersstr. 12 um 1680; Petersstr. 39 um 1690, einer der schönsten. — Fassaden unter holländischem Einfluß: Reichsstr. 8 Deutrichs Hof, Giebel um 1670, zweite sehr stattliche Fassade nach Nikolaistraße 15; Hainstr. 17 sehr charakteristisch; Brühl 21 unverletztes altes Geschäftshaus. — In deutschem Barock: Markt 17 von 1705, Markt 2 von 1707; Hainstr. 23, Bärmanns Hof mit sprenss. Portal; sehr stattlich, palastartig Katharinenstraße 31 vom Maurermeister Fuchs 1701-4; vom selben ebenda 23, wahrscheinlich auch ebenda 11 Fregesches Haus, und Markt 17 Hohmannsches Haus, der Höhepunkt des Leipziger Barocks; Katharinenstr. 16 von 1715 mit wohldurchdachtem Grundriß, das Detail der Fassade sehr manieriert. In Pöppelmanns Art von G. Werner Hohmanns Hof 1728 Petersstraße 15; vom selben Kochs Hof 1732 Markt 3; der Dresdner Richtung gehören ferner Ritterstr. 10; Neumarkt 12; Katharinenstr. 22; Reichsstr. 37 bez. 1720; Brühl 24 bez. 1735; Stiglitzens Hof Markt 13 und Klostergasse 6 um 1740; etwa gleichzeitig Neumarkt 18 mit ausgebildetem Mansardendache. — Rokokobauten: Katharinenstr. 27, das Portal im Grundgedanken noch barock; Markt 5 im Stil der Dresdener Bauten Longuelunes; Klostergasse 5 von 1740 mit barocken Nachklängen; Katharinenstr. 29 vornehmes Kaufmannshaus; Thomasgäßchen 5 und Petersstr. 22 mit Erkern. — Kleine Fleischergasse 4 das erste Kaffeehaus Sachsens (1694) hat darauf bezüglich über der Tür eine treffliche Hochreliefgruppe von etwa 1720.

Ehemalige Landhäuser, schloßartig: [Gerberstr. 2-4, 1742 für Kammerrat Richter, die Fassade in Knöffels Art; 1845 abgebr., Abb. im Inventar]; Schloß Gohlis, um 1750, ausgemalt von A. F. Oeser um 1780; Johannesgasse 6, um 1750, mit zwei bmkw. Statuen von Pierre Coudroy um 1780.

Denkmal des Kurfürsten Friedrich August III, auf dem Königsplatz, 1780 nach A. F. Oeser, Sockel von Dauthe.

Stadtgeschichtliches Museum im alten Rathaus.