I. Von den Gerechtigkeiten der Stadt.

Daß Wismar, nachdem es eine Stadt geworden war, bald einige Jura oder Gerechtigkeiten, ingleichen einige Privilegien oder Freiheiten bekommen, ist leicht zu errathen, weder Wismarus noch Guncellinus, oder wer sonst Wismar erbaut oder wieder erbaut, haben es an dergleichen fehlen lassen. Hier kann es genug sein, daß die Gerechtigkeiten der Wismarischen entweder temporanea, das ist solche, welche man zwar vormals gehabt, jetzt aber nicht mehr besitzt; oder perpetua, das ist solche, die man jetzt noch hat, und beständig zu behalten hofft, mögen genannt werden. Zu jenen gehören:

1) Das Recht, sich mit anderen in Bündnisse einzulassen, ist unter anderen abzunehmen aus Joachim Hagemeyers Traktat, desgleichen aus der Verantwortung der vereinten deutschen Hansa-Städte, welche 1609 zu Lübeck gedruckt sind, in welcher sehr viele Bündnisse dieser Städte angeführt werden, welcher beizusetzen ist, was in der folgenden dritten Abhandlung Kap. 2, § 8. vorkommt.
2) Das Recht Krieg zu führen und wieder Frieden zu machen; woraus man urtheilen mag von den vielen Kriegen, die Wismar nebst den andern Hansa-Städten manchmal geführt, und wieder geendigt. (S. dritte Abhandlung Kap. 2, § 2. ff.)
3) Das Wehr- und Waffen-Recht, welches mit dem jetztgedachten völlig verwandt ist; und man kann nicht nur hieher rechnen, daß Wismar ihren Bürgern und Einwohnern vielfältig vorgeschrieben, wie sie sich mit ihren Waffen allzeit bereit halten sollten, sondern auch vor Zeiten Fußvolk und Reiterei geworben, und diese theils in der Stadt theils zum Felddienste benutzten, ihre Schiffe ausgerüstet, ja ihre Stadt mit Wällen, Gräben und dergl. versehen; von diesem allen wird im Folgenden mehreres zu lesen sein.
4) Das Recht Gesandte abzuschicken, welches, wie im Hansa-Bund, so anderwärts vor Zeiten vielfältig ausgeübt wurde.
5) Das Jus praesentandi Assessores am hiesigen Königl. Tribunal, welches 1656 der Stadt allergnädigst zugestanden, aber 1721 wegen der damals bei hochgedachtem Tribunal vorgegangenen Veränderung so lange ausgeboten, bis die Zeiten sich ändern werden: bis dahin Pommern und Rügen zur Präsentation des Advocati Fisci und Registratoris nicht concurriren.


Zu diesen (ad jura perpetua) gehören:

1) Das Jus contendi statuta allerlei gute Verordnungen zu machen. (S. Kap. 1, 2- 3)
2) Das Jagd-Recht, welches, soweit das Territorium der Stadt geht, noch diesen Tag besteht.
3) Die Damm-Gerechtigkeit, nach welcher die Stadt nicht Wasser-Dämme (dergleichen braucht man in Wismar nicht, obgleich die Stadt an der See liegt), sondern die Land-Dämme oder die Wege, ziemlich weit von der Stadt im guten Stande hält, deswegen ein gewisses Dammgeld von einigen Wagen fordert, und dasjenige, was irgend auf solchen Dämmen vorgeht, zu richten und zu schlichten hat.
4) Die Hafen- Berge- Strand- und Zoll-Gerechtigkeit, nach welcher in der Nachbarschaft, obgleich hin und wieder ziemlich bequeme Orte, wie gegen Clütz, bei Gartz, gegen Neu-Buckau, Dobbran etc. kein Schiff ohne Wismars Willen anlegen darf, etwas daselbst aus- oder einladen; so darf auch Niemand außer Wismar, wenn in der Nachbarschaft ein Schiff verunglückt, etwas davon zu bergen, oder wieder das 1224 von Burewino ertheilte Privilegium ihm anzumassen, sich unterstehen; und endlich kann die Stadt von allen den Schiffen, die sich ihres Hafens bedienen, einen gewissen Zoll einfordern, und man hat gefunden, daß die Wismarischen sich 1610 verlauten ließen, sie hätten die Hafen-Gerechtigkeit schon über 100 Jahre gebabt; sie müßten sie demnach schon vor 1210 bekommen haben. Wie denn auch dieses gewiß ist, daß Wismar und Rostock 1476 vorn Herzog Heinrich aufs neue die Versicherung erhalten hat, daß wider ihre Hafen-Gerechtigkeit nichts sollte vorgenommen werden. Die Berge- und Strand-Gerechtigkeit aber gründet sich vermuthlich auf ein Privilegium Burewini, welches 1224 zu Buckau zum besten der Schiffenden geschrieben, zu welchem 1256 ein Schreiben Heinrichs, und 1351 eine Confirmation Herzogs Alberti, und noch weiter 1353 ein gewisses Schreiben der v. Stralendörpen, eben dergleichen Güter wegen gekommen. Man hat sonst bemerkt, daß Wismar 1667 wider den Ambtmann zu Poel 1676 wider die Bekewitz, 1688 etc wider die zu Redenthien ihre Berge- und Strand-Gerechtigkeit behauptet. Von der Zoll-Gerechtigkeit aber zeuget auch dasjenige, was kurz vorher (§. 1.) aus den Königl. Resolutionen von Poel etc. mit ist berührt worden.
5. Die Stapel- und Niederlags-Gerechtigkeit, welche Wismar in alten Zeiten schon gehabt hat, wollen Einige berichten und sagen dabei, es sei vor Zeiten ein englischer Stapel an diesen Ort gewesen. Man will diesen nicht widersprechen, indessen muß man doch bekennen, daß in all den Urkunden und glaubwürdigen Schriften, welche man bisher gesehen, nichts anzutreffen gewesen, woraus man einigermaßer dergleichen abnehmen könnte. Man überläßt demnach einem jeden davon zu halten, was ihm beliebt. Daß in den neuesten Zeiten von Königl. Majestät den Wismarischen etwas von einer Niederlage allergnädigst verliehen, ist eine bekannte Sache, und mag man allhier merken, daß 1663 in Wismar selbst schon eine Schrift gedruckt wurde, unter dem Titel: Abdruck der Niederlags-Privilegien, welche von Ihrer Königl. Majestät der Stadt Wismar wie auch allen und jeden Kaufleuten, welchen Nationen dieselben angehören mögen, und sich selbiger Niederlage bedienen wollen, allergnädigst ertheilt und gegeben worden sind. 1670 haben Ihre Königl. Majestät in der damaligen am 15. Oktober ertheilten allergnädigsten Resolution eben hievon ziemlich weitläuffig erklärt; am 3. Mai 1672 ließen höchstgedachte Majestät, um das Werk noch mehr zu befördern, in Stockholm durch den Druck folgendes kund machen: Verordnung und Privilegium der Niederlage, welche Ihre Kgl. Majestät der Stadt Wismar allergnädigst verliehen. Am 12. April 1682 hat Wismar durch ein abermaliges Königl. Plakat gar so viel erhalten, daß aller Schwedischen Unterthanen Schiffe und Fahrzeuge, so die halbe Freiheit genießen und auf einen Ort zwischen Pommern und Hollstein segeln wollen, um einige Güter und Waaren aus den Schwedischen Ländern und Provinzen entweder dahin zu führen oder von dort zu holen, verbunden sein sollten, dieselben in Wismar einzunehmen und auszuladen. Am 15. Aug. 1686 haben Ihre Königliche Majestät abermals dem Niederlags-Werk zum besten etwas verordnet. Am 5. März 1687 ward das, was 1682 zugestanden und verliehen, wegen der vielen Klagen, die deshalb von anderen eingebracht wurden, wieder durch ein neues Plakat aufgehoben, dagegen aber die vorige Niederlags- und ganze inländische Freiheit wieder zugestanden, und also das, was 1672 ertheilt, renovirt wurde. Am 15. Aug. 1688 ist eine besondere Königl. Resolution über einige das Niederlags-Werk und andere den Handel und das Commercium der Stadt Wismar concernirende Angelegenheit dazu gekommen. Endlich bot man 1700 noch Verschiedenes, so hieher gehört erbauen. Am 4. Juni 1724 sind die vorigen Privilegien der Niederlage durch Königl. Resolution renovirt, und 17319 ist durch eine Königl. Resolution vom 28. Mai alles dieses solchergestalt confirmirt, daß, wer in Zukunft etwas davon antragen wird, in 1000 Rthlr. Spec. Strafe sollte verfallen.
6. Die Münz-Gerechtigkeit, von welcher in dem folgenden 4. Capitel dieser Abhandlung ein Mehres vorkommen wird.
7. Das Recht Geldanlagen in der Stadt zu verordnen, dieser Gerechtigkeit wegen hat man im Jahre 1559 sqq. der Stadt viel zu thun gemacht, allein dieselbe ist dennoch in ihrer Possession geblieben.
8. Das Recht herrenlose Güter zu sich zu nehmen, dieses Rechtes wegen ist im Jahre 1596 auch ein ziemlich harter Streit entstanden, allein die Stadt hat es so weit gebracht, daß im Jahre 1610 den 29. Juli Ihro hochfürstl. Durchl. zu Mecklenburg die Stadt bei ihrem Rechte gelassen.
9. Das Recht an gewissen Oertern zu fischen, dies Recht hat die Stadt schon 1260 erhalten, denn in demselben Jahr hat ihr Johannes Theologus ein besonderes Privilegium über das Recht im Golvitzer See Heringe zu fischen ertheilet, zu welchem 1309 noch gekommen: Briefe Heinrich des Löwen, in welchen er dem Staate das Recht zu fischen, die Wadentöge, verkauft hat.
10. Das Zehend-Recht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar