I. Von einigen alten Gewohnheiten, welche in Wismar mögen gebräuchlich gewesen sein.

Wer da erkennt, daß den Gesetzen und Ordnungen eines Landes oder einer Stadt die Gebräuche und Gewohnheiten sehr nahe kommen, der wird auch wohl merken, warum, nachdem von den Wismarischen Gesetzen und Ordnungen gehandelt worden, nun auch von den Wismarischen Gewohnheiten etwas anführen. Und da mag man, weil Wismar von verschiedenen für so alt gehalten wird, auch anderer alter Vandalier-Gewohnheiten gedenken. Hievon kann unter andern Clüverus gar ein vieles an die Hand geben, denn dieser hat von den Kleidern und Betten, von den Speisen und Gastereien, von den Handwerken und Schiffarten, von den Tugenden und Lastern, von den Ehen und Ehesachen, von der Kinderzucht und was sonst Kinder angeht, von den Arten, zukünftige Dinge vorher zu erforschen, von den Zusammenkünften und Gerichten, von den Kriegen und Kriegskünsten, Waffen, Kriegspanieren, Lägern, Schlachtordnungen und Belagerungen, von den Gebräuchen nach erhaltenen Siegen, von den Begräbnissen der alten Deutschen, zu welchen die Wandalier mit zu rechnen, gar ein vieles beigebracht. Indessen kann man auch Arnkiel in seinem Cymbrischen Heidenthum, Calvoer im Heidnischen und Christlichen Niedersachsen mit zu Rathe ziehen.

Nach Latomi Bericht in seiner Genealogie sind die Herulen, und zwar die Männer sowohl als die Weiber, fast ganz nackt einhergegangen, und pflegten sich Brust, Arme und Beine zu bemalen. Der Männer Rüstung war ein Schwert, ein Bogen, ein Köcher voll Pfeile, ein schmaler Schild und ein Spieß. Die Mütter haben ihren neugebornen Söhnen mit der Spitze der Schwerter ihrer Väter die erste Speise in den Mund gethan, und dabei gewünscht, es möchten ihre Söhne dereinst im Kriege streitend sterben. Die Weiber (da sie mit zu Felde zogen) trugen an ihrem bloßen Leibe einen Säbel.


Den Wandaliern sind die Wenden gefolgt, die ebenfalls ihre besonderen Gewohnheiten gehabt haben. Es meldet Latomus unter andern von denselben, daß sie gewohnt waren, des Nachts zu stehlen und zu rauben, und des folgenden Tages das geraubte und gestohlene zu verzehren und zwar insonderheit mit den Fremden, gegen welche sie sich ungemein gastfrei erwiesen. Wenn Jemand einem Fremden die Herberge und Speise versaget, so sei dessen Haus geplündert und wohl gar in Brand gesteckt worden. Wann sie einen Feind vermutheten, haben sie das ihrige vergraben, Weiber und Kinder in die Wälder versteckt oder in ihre Festung gesandt. Ihre Wehr und Waffen sind runde Schilde und kurze Schwerter gewesen, die alten kranken Leute haben einige, damit sie von der Krankheit nicht zu lange geplagt würden, umgebracht, einige haben sie lebendig begraben. Einige haben ihre Todten verbrannt und den Rest begraben, andere haben ihre getödteten Freunde in Stücke gehauen, gekocht und verzehrt. Wenn das Weib vor dem Mann gestorben ist, hat dieser sich fast gar nicht grämen müssen. Wenn der Mann zuerst gestorben und verbrannt worden, hat das Weib sich mit verbrennen lassen müssen; die Gräber sind meist auf Bergen und Hügeln gemacht und mit großen Steinen bedeckt gewesen, bei denselben hat man gegessen und getrunken, und wenn man endlich davon gegangen, habe man dem Verstorbenen auch einen Theil Speise stehen gelassen. An alten Gräbern ist in der Wismarischen Gegend kein Mangel. 1689 ward ein dergleiches Grab zu Wolterstorf von einigen, die zu der damaligen Garnison gehörten, zu Theil eröffnet, über welchen oben sehr große Steine lagen, unter diesen waren kleine Gewölber von kleinen Steinen aufgesetzt, in welchen etwas von Kohlen und von Knochen gefunden wurde. 1710 wurden zwei ziemlich hohe Grabhügel vor dem Alt-Wismarischen Thore eröffnet, da denn in jedem nur etwa eine Elle tief hinein an der Abendseite ein kleiner spitzer Haufen Steine sich gefunden, ganz unten aber in dem einen etwas von Kohlen und Knochen ausgegraben worden, wobei nicht zu vergessen, daß, da die Wenden gewohnt waren, ihre Missethäter zu kreuzigen, solche Gewohnheit 1156 abgeschafft worden. Die seltsame Gewohnheit aber, mit einem glühenden Eisen seine Unschuld zu beweisen, die unter den Wenden auch im Schwunge war, und zwar den Dobbranischen Mönchen zu gefallen von Nicolaus, der Vetter Pribislai II., in einem gewissen Privilegium bestätigt worden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar