I. Von den Wismarischen Rathäusern.

Wie nirgend eine Stadt ohne ein Rathhaus oder ohne ein besonderes Gebäude, in welchem die Sachen der Stadt abgehandelt werden, so fehlt es in Wismar, Gott Lob! auch an dergleichen nicht, und man mag daher bei der Beschreibung dieser Stadt auch etwas (weil man von Allen doch nicht genügende Nachricht bisher hat erhalten können), von den Wismarischen Rathhäusern anführen. Da vor allen Dingen zu wissen, daß, wenn in alten Urkunden von einem Consistorium oder Theater sich etwas findet, das Rathhaus dadurch zu verstehen sei. Demnach ist zu wissen, daß vor dem gegenwärtigen wenigstens schon drei andere Rathhäuser nach und nach in dieser Stadt gewesen.

Zu welcher Zeit das erste von diesen Häusern erbaut, kann jetzt wohl Keiner sagen; dasjenige, was oben gesagt, sollte Einem fast bewegen, zu glauben, daß circa im Jahr 1180 auch schon ein Rathhaus vorhanden gewesen. Gesetzt indessen, daß Wismar vor dem Jahre 1240 mit Mecklenburg so genau verbunden gewesen, daß aus dem Mecklenburgischen Rathhause dessen Sachen mit verhandelt worden, so hat man doch zum wenigsten um jetzt gedachte Zeit ein besonderes Rathhaus in Wismar bauen müssen.


Wenn man hiebei bedenkt, daß Wismar im Jahre 1262 oder 66 fast ganz in Rauch aufgegangen, so mag man dafür halten, daß im Jahre 1270 das andere Rathhaus erbaut worden. Dieß andere hat ostwärts gegen das gegenwärtige gestanden, und ist nicht von Steinen, sondern nur von Holz gewesen; denn man trifft in alten Urkunden vom Jahre 1301 etwas von einem steinernen Konsistorium an, welcher Zusatz nicht nöthig gewesen, wenn man nicht auch ein Konsistorium von Holz gehabt hätte.

Eben diese Urkunden geben Anlaß von dem dritten Rathhause, welches im Jahre 1300 von Steinen ausgeführt worden, zu reden, und kann man dabei berichten, daß selbiges da, wo jetzt das sogenannte Neue- oder Bürger-Haus ist, gestanden habe, und nicht länger gewährt, als bis im Jahre 4350, wo es wieder, und zwar mit allen alten Schriften und Urkunden in Feuer und Rauch aufgegangen.

Nach dem Jahre 1350 hat man zur Erbauung des vierten oder des gegenwärtigen schreiten müssen. Es besteht selbiges aus zwei Hanpttheilen, aus dem obern, der besonders den Namen des Rathhaufes führt, und aus dem unteren, welcher der Raths-Weinkeller genannt wird. Man will insgemein dafür halten, daß zwei wohlhabende Männer, Hanenzagel und Burevin, jener das obere, dieser das untere Theil, aus ihren eigenen Mitteln haben sollen bauen lassen, und diese Tradition wird bestärkt damit, daß bis diesen Tag, auf dem östlichen Ende dieses Gebäudes, nicht ein ganzer Wetterhahn, sondern nur ein Zagel oder Schwanz desselben zu sehen. Man mag hiebei wohl glauben, daß der untere Theil, in welchem alles gewölbt und wohl ausgebaut, fast eben so viel gekostet als der obere, welcher überall von der alten Einfalt im Bauen zeuget.

In dem Weinkeller sind die große und die kleine Rose die ansehnlichsten Zimmer, und mögen selbige von dem sub Rosa ihren Namen haben. Oben ist haußen vorne ein doppelter gewölbter Gang, der anstatt einer halben Börse dienen kann, inwendig aber ist anfänglich ein ziemlich großes Flohr oder Diehle, über welcher man zur rechten Hand theils in die Bürgermeister-, theils in die Gerichtsstube, gerade hinaus aber in die große Audienz-Stube geht. Auf dem obern Stockwerke ist ein großer wüster Boden, und auf demselben gegen Abend die Löserung, lat. Lobium. Gegen Mittag die Gewetts-Stube, die Kämmerei und einige andere Zimmer, gegen Morgen und gegen Mitternacht ist nichts, und über diesem allen ist weiter nichts als das alte hohle Dach. An der Seite gegen Mittag ist noch das Archiv, die Accise-Bude etc, die alle ihre besonderen Thüren, nach der Gasse zu, haben. Im Jahre 1741 ist dasselbe sowohl inwendig, als besonders auswendig, gegen den Markt zu, reparirt worden. Gott in dem Himmel gehe, daß es nimmer an solchen Männern gebrechen möge, die als rechte Stadt-Väter auf diesem Rathhause der Stadt Bestes mit allem Ernst suchen, und segne selbige.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar