VI. Von der Fortifikation der Stadt.

Daß Wismar jetzt außer seinen bloßen Mauern gar nichts habe, was zu dessen Befestigung dienen könnte, gibt leider der Augenschein. Doch ist es auch bekannt, was Wismar vor einigen Jahren für eine vortreffliche Festung gewesen. Deswegen muß von dessen Fortifikation noch etwas hinzugesetzt werden. Es ist leicht zu erachten, daß die erste Art, Wismar zu befestigen, nur schlecht gewesen. Indessen ist doch dieser Ort, als ein Theil der großen Stadt Mecklenburg, im Jahre 1161 vermuthlich schon unter dem Namen einer Festung mit gelaufen. Doch circa im Jahre 1240 hat man das vorige wohl einigermaßen verbessert. Hiernächst ist im Jahre 1276 eine Mauer nebst den Thürmen dazugekommen. Ein Mehreres ist geschehen im Jahre 1475, da man vermuthlich auch die meisten Thürme über dem Stadt-Thore und auf den Stadtmauern, deren in allem 28 gewesen, und von welchen noch das eine und andere Kennzeichen übrig, gebaut. Wer indessen noch was besonderes von diesen Sachen verlangt, kann nach Belieben Folgendes mitnehmen. Nemlich

Im Jahre 1300 ist schon ein Burgwall vor Wismar gewesen, vermuthlich vor dem Alt-Wismarischen Thor.
1493 sind die Graben vor dem Alt-Wismarischen Thor gereinigt.
1511 war alles so zerfallen, daß Wismar nicht besser befestigt war als Darsow.
1522 hat man vor dem Lübschen Thor unter Andern ein Rundel gebaut.
1566 hat man vor dem Poeler Thor einen neuen Wall ausgeführt.
1609 ist außer dem Wasser-Thor, NB. anstatt der alten zerfallenen hölzernen, eine neue steinerne Schanze gemacht, auch der Platz bei der Klunderburg mit einem kleinen Wall umgeben.
1619 ist vor dem Lübschen Thor der neue Wall und das Gewölbe zu bauen angefangen.
Es folgte etwas Besseres, welches die mittlere Wismarische Fortifikation genannt werden mag, zu der also genannten Kaiserlichen oder Wallensteinschen Zeit. Im Jahre 1630 fing Wallenstein, ungeachtet die Stadt dagegen protestirte, auf dem Weberkamp zwischen dem Alt-Wismarischen und Mecklenburger Thor ein Werk an, das noch lange hernach das neue Werk genannt worden ist, ließ auch sonst hin und wieder etwas von den Wällen aufwerfen. Der Ingenieur, dessen er sich dabei bediente, war ein Italiener und hieß Alexander Borri, und mußten nicht nur die Einwohner, sondern auch viele vom Lande die Arbeit mit verrichten helfen. Eben damals hat Wallenstein auch mit der Fortifikation des Wallfisches einen Anfang gemacht, wobei die Stadt auch das Ihrige empfunden. Was die Kaiserlichen angefangen, das haben die Schweden fortgesetzt; anfänglich haben sie was gethan im Jahre 1635; weiter ist etwas im Jahre 1642 bis 43 geschehen. Es ist noch ein Mehreres der damals befürchteten Belagerung wegen, erfolgt; i. J. 1673 sq. Wie die damalige Wismarische Fortifikation beschaffen gewesen, kann man in der Kern-Chronik v. J. 1675, S. 61 sehen.


Die letzte Wismarische Fortifikation ist die allervortrefflichste gewesen. Die Dänen selbst hatten im Jahre 1678 sq. schon an dem Lübschen Thor einen kleinen Anfang gemacht, aber wie die Schweden die Stadt wieder bekamen, griffen dieselben im Jahre 1681 das Werk mit Macht an und continuirten es bis 1711, so daß viele Jahre hindurch täglich mehr als 1000 Mann daran arbeiten mußten, welchem in den letzten Jahren noch eine Anzahl Pferde zugegeben wurden, woraus denn leicht zu schließen, daß recht was Wichtiges muß gemacht worden sein. Ja man baute in dieser Zeit von Grund auf und zum Theil in tiefen Morasten, achtzehn Hawptwälle oder Bastionen, welche also genannt wurden: 1) Gustav Adolph, 2) Alexander der Große, 8) Carolus, 4) Chevalier, 5) Julius Cäsar, 6) Karl Gustav, 7) Augustus, 8) Hannibal, 9) Cyrus, 10) Gustav I., 11) Graf Königsmark, 12) Graf Steenbock, 13) Graf Wrangel, 14) König David, 15) S. Erich, 16) Scipio, 17) Alaricus, 18) Vespasianus. Vor diesen Hauptwällen waren neun Ravallinen, nemlich: 1) Horn, 2) de la Gardie, 3) Stuart, 4) Prinz Karl, 5) Bannier, 6) Ritterjelm, 7) Kagge, 8) Mellin, 9) Torstensohn. Noch waren vorhanden zwei ansehnliche Citadellen, 1) der Dahlberg, 2) der Guldenstern genannt; endlich war noch am Alt-Wismarischen Thor, ziemlich weit hinaus, die Grothusen-Schanze. An eine Defensions-Linie hatte man auch gedacht. Eine Tenaille war auf dem Platten-Camp. Von jetzt gedachten Werken waren verschiedene minirt, verschiedene waren unten mit starken Gewölben, Pulver-Kammern etc. versehen. Vor den Wällen waren fast überall die ansehnlichsten Dorn-Hecken anstatt der Pallisaden; hinter denselben standen die schönsten Linden in großer Menge, welche zur Sommerzeit den Einwohnern, welche aus den Wällen spazieren gehen konnten, manches Vergnügen und Ergötzlichkeit verursachten. Was für eine Menge Kanonen, Feuer-Mörser und dergleichen aus diesen vielfachen Werken gestanden, ist, da alles völlig besetzt gewesen, leicht zu erachten.

Eben zu der Zeit, da man anfing Wismar zu einer Hauptfestung zu machen, gedachte man auch auf dem Wallfisch in dem Wismarischen Hafen ein tüchtiges Fort zu bauen. Man legte auch bald den Grund mitten auf dem größten Theil dieser Insel zu einem starken dicken Thurm, dessen unterster Theil voller starker Gewölbe zu allerhand Kriegs-Sachen, der mittlere und oberste aber mit großen Kanonen, so viel deren darauf stehen konnten, besetzt und versehen, anfänglich ließ man diesen Thurm oben offen, nachher aber schloß man denselben mit einem Bombenfesten Gewölbe, so daß oben in der Mitte ein kleines Loch, durch welches man oben auf die kleine Gallerie steigen konnte, gelassen wurde. Dieser Thurm ward allenthalben mit Wällen genug befestigt, deren äußerste Seite mit einer sehr festen Mauer allenthalben umgeben war. An einem besondern Hause vor dem Kommandanten, an einem eigenen Schiffer-Hause, und an gehörigen Barraken für die Besatzung auf diesem Ort ließ man es auch nicht fehlen. Kurz, alles war mit unsäglichen Kosten aufs Schönste verfertigt und möchte man wohl wünschen, daß es jtzt noch im Stande. Aber man muß leider von der elenden Ruinirung dieser vortrefflichen Werke auch einigermaßen handeln.

Nemlich im Jahre 1717 im Mai hörte man nicht nur, daß die Dänen und Preußen, welche Wismar nun inne hatten, auch wider den Willen der Hannoveraner, die diese Stadt mit besetzt, alles ruiniren wollten, sondern man sah auch, daß wirklich Schubkarren deßwegen verfertigt wurden, und daß einige preußische Mineur ankamen. Doch es verzog sich diese betrübte Arbeit von einer Woche zur andern, so daß man hoffte, sie würde ganz und gar ins Stocken gerathen. Allein wie sich der September einstellte, so wurden den 3. dess. Mts. der Miliz die Karren und andere zur Demolirung nöthige Instrumente ausgetheilt, auch wurden etliche 100 Mann, die mit arbeiten sollten, von der Stadt verlangt, und also alles zur Rasirung veranstaltet. Den 4. September, des Morgens früh, ward darauf zuerst die Zerstörungs-Trommel gerührt, und die Arbeit, obgleich von der Miliz mit vielen Freuden, doch unter unzähligen Seufzern und Klagen der Umwohner angefangen, und zwar an der Wasser-Seite. Die Dänen griffen die Werke auf der Lastadie an und arbeiteten nach dem Poeler-Thor hin, und so weiter herum, die Preußen thaten dergleichen gegenüber, auf dem ehemaligen Dreckwall, nach dem Lübschen Thor hinzu, und so weiter herum, wie sie denn endlich gegen der Wind-Pforte wieder zusammenkamen. Die Erde von den Werken ward überall in den nächsten Graben hineingeworfen, und konnte man also leicht mit derselben fertig werden. Von der Bürgerschaft mußte täglich die Hälfte, nebst einigen aus den Wismarischen Dorfschaften, auf die Arbeit gehen. Wie viel die Stadt bei dieser elenden Arbeit ausgestanden, davon will man lieber schweigen, als reden, weil es doch nicht mit Worten genugsam auszusprechen. Den 27. September ward die Citadelle Guldenstern schon von den Preußen gesprengt, die andere aber, der Dahlberg nemlich, ward von den Dänen abgetragen. Die Steine von diesen und anderen Werken wurden überall sehr wohlfeil verkauft, und es war viel, wenn man für 1000 Stück drei Thaler geben mußte. Den 27. Oktober sprengten die Preußen einen sehr starken Bären an dem Mecklenburger Thor; der an dem Lübschen Thor aber warb von den Dänen nach und nach abgetragen. Das Kommandanten-Haus auf dem Wallfisch, da doch alles weg sollte, ward an Jemanden für 24 Thaler verkauft und darauf abgebrochen und weggefahren. Den 29. Oktober sprengten die Dänen den Rest von dem Dahlberg. Den 6. November ward der Bär, der am Wasser noch übrig war, auch gesprengt. Im Anfang des Dezembers griff man (weil man mit dem übrigen meistens fertig war) die Hauptwerke an, obgleich es sehr schlechtes Wetter war; die von der Bürgerschaft mußten zuweilen des Abends im Mondschein arbeiten, weil sie in den kurzen Tagen die ihnen ausgegebene Arbeit nicht hatten völlig verrichten können. Das schöne Königliche Magazin-Haus in der Stadt sollte auch herunter, doch endlich nahm man etliche 1000 Thaler von denen, die es kauften, und also blieb es stehen.

Im Jahre 1718, den 6. Januar, wurden die Wälle des Wallfisches, welche man bis daher minirt, gesprengt, den 9. Januar (welcher ein Sonntag war), mußten einige Bürger, die des vorigen Sonnabends etwas von dem ihnen Angewiesenen nicht hatten herunter werfen können, das übergebliebene abtragen. Den 27. Januar sqq. fror es so hart, daß man nicht demoliren konnte, aber die von der Bürgerschaft mußten täglich in dem Hafen eisen, da inzwischen die Miliz in ihrem Quartier hinterm Ofen saß. Den 2. Februar am Fest der Maria Reinigung war endlich der schöne Thurm auf dem Wallfisch in die Luft gesprengt, und man hat von den dortigen Steinen hernach das 100 oft für 6 ßl. verkauft. Den 4. Februar sqq. brach man die hin und wieder noch stehenden Gewölbe, besonders die vor der Windpforte hinweg. Den 15. März ward die Zugbrücke an dem Alt-Wismarischen Thor gelähmt. Das Tausend ganzer Mauersteine galt jetzt in der Stadt 5 Mark. Den 4. Mai mußte die Zugbrücke vor dem Lübschen Thor auch daran. Den 12. Juni gingen die Preußen fort, und die Bürgerschaft mußte dasjenige, was selbige von ihrem Theil der Werke noch stehen gelassen, völlig niederzureißen über sich nehmen. Die Dänen aber waren mit der Demolirung ihres Theils jetzt ganz fertig. Den 20. Juli ward die Bürgerschaft an dem Alt-Wismarischen, und einige Wochen hernach auch an dem Lübschen Thor mit ihren Theilen fertig. Also ist dasjenige, woran man über 80 Jahre gearbeitet, und zwar mit aller Macht, innerhalb einer Jahresfrist, von einer viel geringeren Anzahl Leute wieder eingerissen! So vergänglich sind menschliche Sachen! Ob Wismar jemals wieder wird fortificirt werden, weiß Gott im Himmel, welcher für weitere Verwüstung uns in Gnaden bewahren wolle!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar