III. Von der ersten Erbauung der Stadt Wismar und deren Zeit.

Bis daher ist bewiesen, daß Wismar 1238 nicht zuerst erbaut, auch nicht wieder erbaut, sondern nur erweitert worden. Es fragt sich demnach, wann ehe diese Stadt zuerst erbaut worden? Nicolaus Mareschall, Bernhard Latomus und sehr viele andere antworten auf diese Frage, sie ist erbaut um das Jahr 300 und einige 30, und zwar von Wisimaro, einem Vandalischen König. Es frägt sich aber weiter, was denn von dieser Meinung zu halten sei, und ob man ihr beipflichten könne?

Man muß allhier bekennen, daß sich noch einige finden, die eine andere Erbauungszeit, wie auch einen andern Erbauer angeben wollen, nemlich einen; polnischen Herrn, der Wisimir soll geheißen haben. Man will, daß dieser Wisimir nicht nur ungefähr i. J. 430 Wismar, sondern auch weiter Buckow, Dobbien, ja Mecklenburg, Bremen, Lüneburg, Altenburg, Ratzeburg, Segeberg, Plön, Schleswig, Ilow, Schwerin, Malchow, Rostock, Kessin und Werle zu erbauen soll angefangen haben. Aber es findet diese Meinung gar zu großen Widerspruch, wie man bei Friedr. Thoma in der Beilage der Anverwandtschaft des Groß Czarischen und mecklenburgischen Hauses sehen kann, denen alle diejenigen beizusetzen sind, welche von denen die diesen Wisimir von seinen Liebhabern zugeeigneten Städten andere Nachrichten ertheilt haben. Dr. Stieber hat zwar in Struvis histor. politischem Archiv dieses polnischen Wisimir und seiner ganzen Familie sich besonders angenommen. Aber man läßt es dahin gestellt sein, ob dessen Gründe von der Wichtigkeit, daß man deswegen Bangerti, Thomä, Micräli etc. Meinung fahren lassen dürfe, wenigstens kann man nicht glauben, daß selbiger so viele Städte soll erbaut haben, und zweifelt demnach auch gänzlich daran, daß die Erbauung Wismars denselben zuzuschreiben sei.


Doch auch dem Wandalischen König Wisimaro und dessen Bau hat Jemand, der in der mecklenburgischen Geschichte sehr wohl bewandert ist, sich besonders widersetzt, dessen Gründe hier einigermaßen untersucht werden müssen. Es wird nemlich eingewendet:
1) daß Diejenigen, die den Wandalischen König Wisimar zum Erbauer der Stadt Wismar machen, bald sagen, Wismar sei 308, bald es sei 320, bald es sei 330, und also vor Wisimars Auszuge, bald es sei weit später und nach dem Auszuge, ja noch des Wisimar Tod erbauet.
2) Daß wohl drei Wisimar in hiesiger Gegend gelebt, ein polnischer, ein dänischer und ein Vandalischer Herr könne man also nicht wissen, wenn ja ein Wisimar Wismar erbaut hat, welcher unter diesen dreien es gewesen.
3) Von dem Wandalischen Wisimaro sei es noch nicht erwiesen, daß er eben über Mecklenburg geherrscht, weil auch die übrigen Bandalier ihre besonderen Könige gehabt haben.
4) Es sei nicht zu glauben, daß der Wandalische Wisimar in dem hiesigen Wandalien geherrscht, denn 1) werde von ihm berichtet, er sei mit vielen 1000 Vandaliern ausgezogen, sei also nur ein Reise-König oder ein ausländischer gewesen, der in dem Lande nichts zu sagen gehabt, auch in demselben keine Städte bauen können; 2) werde von ihm gesagt, er sei von der Asdingischen, das ist, nicht von der hiesigen königlichen Familie, sondern aus einem sonst vornehmen Geschlecht entsprossen gewesen.
5) Die einheimischen sowohl als die auswärtigen Alterthumsforscher wissen vor 1238 von keinem Wismar was etc. Zur Erwiederung diene jedoch:
1) Sei Benennung der Bauzeit einer Stadt kömmt es auf 10, ja auf 20 Jahre nicht eben an. Weiß man doch, daß Salomon 13 Jahre mit Erbauung seines königl. Hauses zugebracht hat, was kann nicht geschehen, wenn eine Stadt erbaut wird? Hiernächst ist auch bekannt, wie leicht diejenigen, die einige Jahre in dergleichen Sachen von einander entfernt sind, können verglichen werden. Hat doch der Herr von Westphal diejenigen vergleichen können, welche sagen, Pribislaus II. und welche behaupten, Burevinus habe Rostock erbaut. Wie wenn man sagen würde, was etwa 320 von Wismar zu bauen angefangen worden, und 330 noch nicht völlig ausgebaut gewesen, habe 340, weil wenig Leute damals im Lande gewesen, die meisten aber mit Wisimar draußen sich aufgehalten, nicht dürfen ja nicht können völlig ausgebaut werden. Aber nach 40 oder gar nach 60 Jahren, da sich die Leute im Lande gemehrt, ja einige von den gewesenen Gefährten Wisimar wieder ins Land gekommen (dies letzte wird besonders zugestanden), habe man etwas thun können, ja thun müssen, und da habe das endlich völlig ausgebaute den von dem Anfänger vorhin schon erhaltenen Namen behalten.
2) Daß so viele Wisimar in dieser Gegend gelebt, ist noch nicht erwiesen. Von dem polnischen Wisimir ist kurz vorher gesagt; den dänischen läßt der Hr. Gegner endlich selber fahren.
3. u. 4. Wie die Vandalier und deren Könige besonders auch was die Züge dieser Leute betrifft, es gehalten haben, und wie man die Asdingische Familie anzusehen, das ist schon droben angezeigt worden, und kann man es dabei allhier bewenden lassen.
5) Daß die auswärtigen und einheimischen Scribenten vor 1238 von Wismar nichts wissen, ist kein Wunder. Denn erstlich ist es denen, auf welche man zielt, nicht eben um Beschreibung der Städte und deren (Erbauung zu thun, sondern um Regiments, und Kriegssachen. Hiernächst haben die meisten von eben denselben Tutoren nur das beschrieben, was die Vandalier außer, nicht aber in ihrem Vaterlande verrichtet haben. Weiter gehen sehr Wenige mit ihren Schriften so weit hinaus, daß sie Wisimars Zeiten mit berühren lonnten. (Endlich so hält man nicht dafür, daß Wismar, da es von Wisimar zu bauen angefangen, alsobald eine so große besondere und berühmte Stadt geworden, daß auch auswärtige Scribenten ihretwegen besondere Nachrichten hätten haben oder geben dürfen. Daß selbst die mecklenburgischen Alterthumsforscher von dem alten Wismar insbesondere nichts sagen, hat auch seine gewissen Ursachen. Was droben schon gesagt worden, kann hiebei nachgesehen werden. Zudem ist offenbar, daß man heute nicht alles mehr habe, was ehedessen von Mecklenburg geschrieben gewesen. Weiter ist auch gewiß, daß die Mecklenburgische Historie noch lange nicht so ausgearbeitet ist, als ihrer viele wünschen. Wer weiß, was noch hin und wieder verborgen liegt, und künftig noch ans Licht treten kann, wie der berührte Brief, welchen man Hrn. Reithmeer zu danken, beweist.

Wie man es mit Wisimar und dessen Bau machte, so soll es auch mit der Versammlung, die 975 in Wismar war, gehalten worden sein. Weil man wohl merkt, wenn diese Begebenheit gelten sollte, daß man dem Wisimaro um ein ziemliches näher kommen würde, oder viel eher zugeben müßte, daß selbiger Wismar erbauet: so ist man erstlich bemüht, die Quelle, aus welcher die ganze Relation von dieser Versammlung zuerst hergeflossen, gleichsam zu ver-stopfen, fehlt aber darunter, daß man meinet, es werde ein mecklenburgischer Alterthumsforscher, der Samuel Fabricius geheißen, da doch Georg Fabricius in saxon. illustrata zu verstehen ist. Da wendet man hiernächst ein, die dänischen Scribenten wissen von einem solchen Wismarischen Reichstage nichts. Aber was ist es zu verwundern, wenn auch kein dänischer Geschichtsschreiber hievon etwas weiß. Es ist manchmal von Einigen etwas mit Fleiß weggelassen, was andere absichtlich ausgezeichnet haben. Man meint weiter, Goldast, der die alten Urkunden mit großem Fleiß herausgegeben, wisse auch nichts davon; aber hat denn Goldast alle alten Urkunden erhalten, ist nicht viel von dergleichen alten Sachen verloren gegangen? Endlich setzt man hinzu, Conringius hätte in seinem vortrefflichen Werke: vom Untergange des römischen Kaiserreichs, etwas von dergleichen beibringen sollen, ja müssen, wenn es wahr gewesen wäre. Aber ist denn Conringius nicht auch ein Mensch gewesen, hat denn Conringius den Fabricius widersprochen, oder dem Calvisi’us, der sich auf Fabricius berufen, als diese etwas Unbegründetes angenommen, verworfen? Fabricius und Calvisius Nachrichten liegen ja am Tage, vermuthlich hat Conringius sich ihrer nicht erinnert. Es ist ja recht merklich, daß wenn man auf Conringius sich bezieht, man zugleich von ihm schreibt, er habe eine Urkunde, die von Otto III. herrührt, Otto I. zugeeignet. Hat es dem guten Conringius so gehen können mit Sachen, die er in Händen und vor Augen gehabt, wie hat es ihm denn wohl mit andern gehen können. Es kann indessen doch nicht geleugnet werden, daß Otto II. mit den Dänen etwas zu thun hatte. Man sage denn, an welchem Orte die damals vorgegangene Sache abgethan, wenn es zu Wismar nicht geschehen, oder man halte es dem zu gute, die bei dem Fabricius bleiben und mit demselben sich auf Wismar berufen.

Damit man seine Meinung von Wismars Erbauung zu Wisimari Zeiten völlig entdecken möge, so bleibt man bei dem Gedanken, daß von den drei Schlössern der alten, insgemein sogenannten großen Stadt Mecklenburg das mittelste das erste gewesen sei, und haben die alten Landesherren auf demselben zuerst ihre Residenz gehabt. Mit diesen und um denselben herum gebauten Häusern ist man zufrieden gewesen, bis auf des Wisimari Zeiten. Dieser ist als ein Herr von Ambition gesonnen gewesen, auszuziehen und sich draußen einen Namen zu erwerben, aber er hat auch doch einen guten Namen hinter sich lassen wollen, und nachher ein ansehnliches Stück an dem alten Mecklenburg zu bauen angefangen und selbigen seinen Namen beigelegt. Darauf ist noch ein anderer gekommen, und hat das dritte Schloß, da wo Ilow stehet, als den dritten Theil hinzu gebauet. Diese gesammten Theile haben die Alten, besonders die auswärtigen, zusammen Mecklenburg geheißen eben wie die gesammten Theile der königl. Stadt Berlin diesen einzigen Namen besonders bei den Auswärtigen führen. Die Einwohner aber haben den einen, oder den rechten Haupttheil beständig Mecklenburg, den andern Wismar, den dritten Ilow genannt. Endlich ging eine Trennung vor, Ilow ward zuerst geschieden, Mecklenburg ward auch immer kleiner, und von Wismar mehr und mehr abgesondert, ja ging endlich gar zu Grunde, Wismar aber behielt das Feld, besonders des schönen Hafens wegen, und ward 1238 noch einigermaßen erweitert. Da konnte ja mußte der Name Wismar, der vorher wenig bekannt gewesen, wohl mehreren bekannt werden. Daß dieses die Meinung des Bürgermeister Voigen, der Hrn. Schlüsselburg, Liborini, Latomi und Chemnitz, ja aller übrigen, die Wismar dem Wisimar zuschreiben, war, geben alle Umstände genugsam zu erkennen, welche diese Meinung zugleich so bestätigen, daß man damit wohl zufrieden sein kann. Kann Jemand indessen noch etwas Besseres beibringen, so will man solches gerne hören, und so viel füglich geschehen kann, es auch gerne gelten lassen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar